Derapages Kontrollverlust Aus der Spur
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Dérapages – Kontrollverlust

Kritik

Derapages Kontrollverlust Aus der Spur
„Aus der Spur“ // Deutschland-Start: 23. April 2020 (Arte)

Sein Leben lang hat Alain Delambre (Eric Cantona) hart gearbeitet, sich für andere aufgeopfert. Und was hat ihm das gebracht? Nichts. Seit Jahren ist er schon arbeitslos, kämpft sich von einem Aushilfsjob zum nächsten, von einer Absage zur anderen. Darunter leidet inzwischen auch sein Familienleben, die Beziehungen zu seiner Frau Nicole (Suzanne Clément) und den beiden Töchtern Lucie (Alice de Lencquesaing) und Mathilde (Louise Coldefy) verschlechtern sich zunehmend. Immerhin, ein Lichtblick am Horizont gibt es: Ihm winkt eine Anstellung bei einer großen Firma, laut Alexandre Dorfmann (Alex Lutz), der dort ein großes Tier ist, ist er so gut wie genommen. Als Alain irgendwann feststellt, dass ihm jedoch übel mitgespielt wird, setzt er alles auf eine Karte …

Auch wenn die Zusammenarbeit der beiden Unterhaltungsgiganten erst einmal nicht übermäßig intuitiv ist – auf der einen Seite der Massenproduzent Netflix, auf der anderen der Kultursender Arte –, für das hiesige Publikum ist dies schon ein Glücksfall. Erst kamen Abonnenten des Streamingdiensts in den Genuss der Science-Fiction-Serie Ad Vitam: In alle Ewigkeit, einige Wochen später folgte mit der Mystery-Drama-Serie Es war einmal ein zweites Mal schon das zweite französische Highlight. Nun kommt Dérapages – Kontrollverlust hinzu, wenige Wochen nach der Ausstrahlung beim TV-Sender, und zeigt erneut, dass einige der interessantesten Serien auf Netflix zuletzt dieser Kooperation entstammen.

Die Verlierer der Gesellschaft

Zunächst wirkt Dérapages – Kontrollverlust, alternativ auch unter dem Titel Aus der Spur bekannt, wie eines dieser typischen französischen Sozialdramen, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Entgleisungen beschäftigen. Streik fällt einem hier ein, über die Mitarbeiter einer Fabrik, die verzweifelt gegen eine Schließung kämpfen. Oder auch Der Wert des Menschen, das sich mit den Verlierern des Kapitalismus auseinandersetzt, die keine oder minderwertige Arbeit annehmen müssen, um nicht zu verhungern. So wie dort spielt auch bei der Arte-Serie das Thema Arbeitslosigkeit eine große Rolle. Zahlreiche Leute sollen hier entlassen werden, ausgerechnet Alain, der so sehr unter seiner eigenen Arbeitslosigkeit leidet, soll dabei helfen.

Das ist natürlich bitter und führt zu einem Gewissenskonflikt für Alain, weiß er doch nur zu gut, wie sehr die Arbeitslosigkeit an einem zehren kann. Aber die Entlassungen finden auch ohne ihn statt. Und wie soll er denn sonst seine Familie ernähren? Dérapages – Kontrollverlust führt auf diese Weise sehr eindrucksvoll die hohe Belastung des Einzelnen vor Augen, aber auch, wie menschenverachtend Großkonzerne mit ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen umgehen. Und damit auch, wie aus an und für sich guten Menschen Monstern werden können, so lange sie nur lange genug mit dem Rücken zur Wand stehen. Der beispielhaft vorgeführte Alain ist geradezu furchterregend, wie er sich über andere hinweg setzt, zunehmend selbst alle Skrupel verliert, die Moral einem Selbsterhaltungstrieb geopfert wird.

Eine Eskalation ohne Grenzen

Das ist dann schon irgendwann stark over the top. Wenn der anfangs so naive und unerfahrene Alain auf einmal wie ein Gangsterboss auftritt, erinnert das an Breaking Bad. Wo das beim berühmten Kollegen jedoch über viele Staffeln erfolgte, da müssen hier gerade mal sechs Folgen à etwa 50 Minuten ausreichen. Damit dieser etwas abrupte Wandel nicht ganz so auffällig ist, wird hier viel mit Rückblenden gearbeitet. Tatsächlich beginnt die Serie damit, dass der bereits veränderte Alain seine Geschichte wiedergibt. Das erlaubt einerseits, dass manches gerafft werden kann, nimmt aber auch ein wenig die Spannung, wenn das Ende zumindest teilweise vorweggegriffen wird.

Trotz dieser Einschränkung versteht es Regisseur Ziad Doueiri – dank Der Affront bestens mit eskalierenden Situationen rund um gesellschaftliche Themen vertraut –, im Verlauf der Serie die Neugierde hochzuhalten. Zumal die lose auf einem Buch von Pierre Lemaitre basierende Geschichte einige unerwartete Wendungen einbaut. Was man beispielsweise für das Ende hält, ist nur der Anfang für eine weitere Entwicklung, der Auftakt für weitere Themen. Wirklich in die Tiefe geht das nicht, die Aussagen gehen ein wenig im Plakativen verloren. Sehenswert ist die Serie aber ohne Zweifel, auch weil Hauptdarsteller Eric Cantona seine Rolle mit einer beeindruckenden Intensität erfüllt, die einen mehr als einmal zusammenzucken lässt.

Credits

OT: „Dérapages“
AT: „Aus der Spur“
IT: „Inhuman Resources“
Land: Frankreich
Jahr: 2020
Regie: Ziad Doueiri
Drehbuch: Pierre Lemaitre, Perrine Margaine
Vorlage: Pierre Lemaitre
Musik: Éric Neveux
Kamera: Tommaso Fiorilli
Besetzung: Eric Cantona, Suzanne Clément, Alex Lutz, Gustave Kervern, Alice de Lencquesaing, Louise Coldefy

Trailer

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In „Dérapages – Kontrollverlust“ greift ein Langzeitarbeitsloser zu verzweifelten Mitteln, nachdem ein Unternehmen mit ihm übel mitspielt. Die diversen gesellschaftlichen Themen und Fragestellungen verlieren zwar ein wenig ihre Wirkung durch eine übertrieben eskalierende Geschichte. Das Krimidrama ist aber durchaus fesselnd, geht an manchen Stellen durch Mark und Bein.
7
von 10