Valerie Eine Woche voller Wunder
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Valerie – Eine Woche voller Wunder

Kritik

Valerie Eine Woche voller Wunder
„Valerie – Eine Woche voller Wunder“ // Deutschland-Start: 13. August 2010 (DVD)

Als Valerie (Jaroslava Schallerová) eines Nachts die Ohrringe gestohlen werden, ahnt sie nicht, dass dies der Auftakt eines noch viel größeren Abenteuers ist. Schließlich handelt es sich um keine normalen Ohrringe, wie sie später erfährt. Ihre Mutter soll sie ihr einst hinterlassen haben, bevor sie ins Kloster ging. Doch dafür bleibt keine Zeit, Vampire und andere seltsame Wesen treiben sich seither herum. Auch Schausteller sind gekommen, um für ein Hochzeitsfest zu spielen. Und dann wäre da noch ihre Großmutter, die so manches Geheimnis mit sich herumträgt …

Obwohl die Welt immer weiter zusammenrückt, wir Zugriff auf ferne Orte und ihre Kulturen haben, ohne viel dafür tun zu müssen, sind uns zumindest in filmischer Hinsicht alte Bekannte inzwischen ziemlich fremd geworden. Tschechien und die Slowakei beispielsweise, die spielen trotz der geografischen Nähe hierzulande überhaupt keine Rolle mehr. Das war früher einmal anders, unsere östlichen Nachbarn waren Geburtsort zahlreicher Werke, die in mehrfacher Hinsicht fantastisch waren. Kaum ein Land verstand es vergleichbar, die alten Traditionen des Märchenerzählens fortzuführen. Dabei genießen vor allem die surrealen Werke bis heute Kultstatus, etwa der Stop-Motion-Albtraum Alice und das nicht minder traumartige Valerie – Eine Woche voller Wunder.

In einer seltsam (un)bekannten Welt
In beiden Fällen steht ein Mädchen im Mittelpunkt, an der Schwelle zu einer jungen Frau. In beiden Fällen machen die Protagonistinnen Bekanntschaft mit seltsamen Wesen. Im direkten Vergleich ist Valerie – Eine Woche voller Wunder jedoch der weniger bedrohliche Film. Das liegt zum einen an den vielen Farben und der sehr freundlichen Anmutungen, wenn wir uns im idyllischen Nirgendwo befinden. Eigentlich ist es sogar ganz einladend, was wir hier zu sehen bekommen. Zum anderen sind die Kreaturen, denen Valerie begegnet, eher verblüffend als erschreckend. Man ist viel zu fasziniert von dem, was man hier sieht, als noch an die eigene Angst denken zu können.

Wobei denken hier sowieso so eine Sache ist. Die Adaption eines Romans von Vitezslav Nezval aus dem Jahr 1935 gibt einem gleichzeitig zu viel und zu wenig mit, als dass das Gehirn das Ereignis groß verarbeiten könnte. Einige Erfahrungen lassen sich durchaus einordnen, sei es auf einer rationalen oder auch intuitiven Ebene. Dass die Titelheldin dabei ist, sich selbst, ihre Empfindungen und ihren Körper neu zu entdecken, das wird relativ schnell ersichtlich, zumal der Film auch so seine voyeuristischen Tendenzen hat. Sich nach ihr verzehrende Figuren gibt es ebenfalls, geistern umher, im Wald, im Dorf, in ihrem Kopf, irgendwo zwischen Schlaf und Wachzustand. Beides zu unterscheiden, kann man sich natürlich als Aufgabe setzen. 73 Minuten lang ist der Film lediglich und bietet doch Stunden, Tage, Monate an Gesprächsstoff.

Ein Rätsel im Rätsel im …
Regisseur und Co-Autor Jaromil Jireš hat sein Werk wie ein Puzzle angelegt, durch das man irrt wie durch ein Labyrinth, bis man nicht mehr weiß, wo Anfang, wo Ende war. Und ob das überhaupt einen Unterschied macht. Dass ein derart spezielles Werk nicht unbedingt für jeden gemacht ist, versteht sich von selbst. Die meisten werden vermutlich wenig damit anfangen können, nach den diversen Abzweigungen und Wurmlöchern entweder gelangweilt sein oder frustriert aufgeben. Es ist noch nicht einmal so, dass Valerie – Eine Woche voller Wunder einen für das Durchhaltevermögen belohnen würde. Die seltsamen Ereignisse gehen weiter, als wäre nie etwas geschehen, was irgendwo auch der Wahrheit entspricht.

Und doch hat der Film einen ganz eigenen Zauber, ist selbst so etwas wie eine Wundertüte, bei der man nicht weiß, was man als nächstes herausfischt. Bei der man selbst dann nicht weiß, was es ist, wenn man es längst in Händen hält. Sofern das wirklich Hände sind. Jireš hat uns hier einen fiebrigen Traum hinterlassen, aus dem man nicht wirklich wieder erwacht, weil vieles sich irgendwo eingenistet hat, Spuren hinterlassen, die man selbst mit größter Mühe nicht wieder entfernen könnte. Denn dafür müsste man diese erst einmal als solche erkennen oder verstehen, was das jetzt eigentlich sollte.

Credits

OT: „Valerie a týden divů“
IT: „Valerie and Her Week of Wonders“
Land: Tschechoslowakei
Jahr: 1970
Regie: Jaromil Jireš
Drehbuch: Jaromil Jireš, Ester Krumbachová
Vorlage: Vitezslav Nezval
Musik: Lubos Fiser
Kamera: Jan Curík
Besetzung:  Jaroslava Schallerová, Helena Anýžová, Karel Engel, Jan Klusák, Petr Kopriva

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„Valerie – Eine Woche voller Wunder“ erzählt von Ohrringen und Vampiren, von einem jungen Mädchen und alten Geschichten, die uns verwirren, bezaubern, uns den Schlaf rauben, während wir zeitgleich immer tiefer träumen. Der surreale Kultfilm ist ein Werk, das als Rätsel eine Lebensaufgabe sein kann, das vor allem aber auch ein Erlebnis ist, von dem man sich nur schwer wieder löst.
7
von 10