Bad Poems

Bad Poems

Kritik

Bad Poems
„Bad Poems“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Obwohl die französische Hauptstadt dem Klischee nach das Paradies für Verliebte ist, ist sie für Werbetexter Tamás (Gábor Reisz) das genaue Gegenteil, hat sich seine langjährige Freundin Anna (Katica Nagy) aus heiterem Himmel von ihm getrennt. Verbittert und traurig kehrt er nach Budapest zurück, wo er bei seinen Eltern einzieht und seiner alten Arbeit nachgeht. Doch nichts kann ihn auf Dauer von den Gedanken an seine Beziehung ablenken, vor allem nicht, als er ausgerechnet für eine polnische Firma, die sich auf Produkte aus Hühnerfleisch spezialisiert hat, die neue, möglichst hippe Werbekampagne entwerfen soll. Gefangen in dieser Tristesse und dem stetigen Liebeskummer, flüchtet sich Tamás in seine Gedankenwelt, sinniert über seine Vergangenheit und auch immer wieder über seine Gedichte, die er schreibt. Doch diese Rückschau wird immer mehr auch eine Wiederbegegnung mit dem eigenen Ich und den Idealen einer Jugend, die für Tamás so weit weg zu sein scheint.

Liebe und Poesie
Nach seinem Langfilmdebüt Aus unerfindlichen Gründen (2014) folgt mit Bad Poems oder Falsche Poesie, wie der Titel auf Deutsch übersetzt wurde, der nunmehr zweite Spielfilm des ungarischen Regisseurs und Drehbuchautors Gábor Reisz, der auch in der Hauptrolle zu sehen ist. Die Vorbilder sind nicht gerade wenige, sieht man dem Film an vielen Stellen – und nicht erst durch die Filmplakate, die in Tamás‘ Zimmer die Wände schmücken – den Einfluss des Kinos der Coen Brüder, eines Charlie Kaufman oder eines Michel Gondry an, gerade wenn es um die oftmals surreale Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart geht.

Jedoch wäre es ungerecht, einen Film wie Bad Poems bloß auf dessen Vorbilder zu reduzieren, entwirft Reisz gerade durch die von ihm gespielte Figur ein bitter-komisches Porträt einer Generation, geprägt von Konsum und abgeschmackten Bildern. Da er durch die Trennung in ein tiefes Loch fällt, aus dem er nur schwer wieder herauskommt, ist die Auseinandersetzung mit den Gründen hierfür nicht zuletzt eine oftmals schmerzliche mit dem eigenen Selbst, den Verfehlungen der Jugend und der (vermeintlich) falschen Idealen. Gerade jener letzte Aspekt findet sich in den oft kitschigen, mit einer jugendlichen Obsession geschriebenen Gedichte wieder, die dem Ich in der Gegenwart des Films jetzt sauer aufstoßen. Komisch sind vor allem jene verfremdeten Szenen, in denen sich der jugendliche Tamás einen professionellen Rezitator für seine Gedichte vorstellt, diesen aber immer wieder korrigiert, weil ihm dessen Vortrag verfälschend erscheint und nicht authentisch.

Die Gegenwart, wie sie Tamás wahrnimmt, ist wie das Erwachen nach einer durchzechten Nacht. Das kühl-grelle Licht des Morgens und blassen Farben, wie sie die Kamera zeigt, reflektieren jenes fast konstante Gefühl des Überdrusses und der aufkeimenden Frustration mit sich und der Welt, die in Tamás herrschen. Es ist eine nicht zu verachtende Ironie, wenn dieser im Selbstmitleid aufgehende Mensch auf der Fahrt vom Flughafen zu der Wohnung seiner Eltern die Omnipräsenz geschmackloser Plakatwände moniert, die Werbung für Hühnerfleisch machen, sich also über jenen Überfluss an Bildern beschwert, zu dem er beigetragen hat.

Momente des Ichs
Gábor Reisz macht es seinem Zuschauer nicht leicht mit seinem Helden. Sympathisiert man anfangs noch mit dessen Kummer und Frustration, kommt man nicht umhin, jene Nabelschau, die sich im weiteren Verlauf des Filmes abzeichnet, als anstrengend zu empfinden. Die Übergänge zwischen den Ichs, zwischen den Zeitebenen verschwimmen zusehends, bis man, wie Tamás bisweilen auch, den Überblick verliert und sich überraschend in der Realität zurückfindet, in der alle Blicke auf einen gerichtet sind. Stets sind die verklärt-nostalgischen Töne der Jugend, allen Fehlschlägen zum Trotz, eine Form des sehr willkommenen Eskapismus und bestätigen jene Flut abgeschmackter Bilder, welcher die Hauptfigur entkommen will. Auch hier findet sich jene im Titel angesprochenen „falsche Poesie“ wieder, die den Blick versperrt.

Credits

OT: „Rossz versek“
Land: Ungarn
Jahr: 2018
Regie: Gábor Reisz
Drehbuch: Gábor Reisz
Kamera: Kristóf Becsey, Dániel Bálint
Besetzung: Gábor Reisz, Katica Nagy, Zsolt Kovács, Katalin Takács

Bilder

Trailer



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„Bad Poems“ ist ein bitter-komischer Film über die Auseinandersetzung mit den Idealen der Jugend und der Liebe. Besonders die vielen kreativen Übergänge zwischen den Erzählebenen des Films sowie einige Seitenhiebe auf moderne Konsumkultur machen Gábor Reisz‘ zweite Regiearbeit, die nun auf dem Mittelpunkt Europa Filmfest 2020 läuft, zu einem sehenswerten Vergnügen.
7
von 10