Eine Erklärung für Alles
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Eine Erklärung für Alles

„Eine Erklärung für Alles“ // Deutschland-Start: 19. Dezember 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Der große Tag steht für Abel (Adonyi-Walsh Gáspár) und die anderen aus seiner Klasse bevor: Sie werden ihre Abschlussprüfung und damit einen wichtigen Schritt hin zu einem eigenständigen, unabhängigen Leben machen. Zumindest war das der Plan. Für Abel läuft nur leider überhaupt nichts nach Plan, die Prüfung in Geschichte wird zu einem absoluten Desaster, womit auch sein gesamter Abschluss ins Wasser fällt. Für seinen Vater György (István Znamenák) ist das eine absolute Schande. Wie kann sein Sohn nur ein derartiger Nichtsnutz sein, wenn sonst selbst die dümmsten in ihrer Familie das geschafft haben? Seine Einstellung ändert sich erst, als der Jugendliche angibt, sein Lehrer Jakab (András Rusznák) habe ihn absichtlich durchfallen lassen. Der Grund: Der liberale Geschichtslehrer und György stammen aus unterschiedlichen politischen Lagern, ein Anstecker von Abel habe das Fass zum Überlaufen gebracht …

In Hass gespalten

Inzwischen dürfte es kaum ein Land geben, bei dem es nicht heißt, die Gesellschaft sei gespalten. Das Vorzeigebeispiel sind dabei natürlich die USA, bei dem sich die Lager teils geradezu hasserfüllt gegenüberstehen. Aber auch in Europa, etwa Frankreich oder eben Deutschland, wird dieses Bild bemüht. Mit Eine Erklärung für Alles kommt nun ein Film zu uns, der dieses Thema quasi in den Mittelpunkt stellt. Dieses Mal reisen wir nach Ungarn, das – so hören wir ständig – von einem Rechtspopulisten mit Hang zur Autokratie regiert wird. Das ideale Feindbild also. Aber auch ein Mann, der immer wieder gewählt wird, von Menschen, die diese Richtung also befürworten. Womit sich die Frage stellt: Wer sind diese Leute? Was treibt sie an? Weshalb finden sie jemanden toll, der anderen ihre Rechte wegnehmen will?

In dem Film wird dies durch György verkörpert, der seinem Sohn schon früh Patriotismus als essenzielle Eigenschaft mitgibt. Aber auch andere tauchen auf, nehmen dabei die unterschiedlichsten Positionen ein. Ob nun eine junge Journalistin, ein Taxifahrer oder ein Arzt, sie alle wettern gegen den liberalen Lehrer und zeigen damit auf, dass die Bevölkerung hinter Orban und dessen Allmachtspartei deutlich breiter aufgestellt ist. Aber auch György selbst entspricht nur teilweise dem Bild, das man von ihm haben kann. Sicher, er ist aufbrausend, schimpft über Andersdenkende, wirkt auch wie ein Rabenvater, der für seinen Sohn nur Demütigung übrighat, nachdem er durch die Prüfung gefallen ist. Eine Erklärung für Alles zeigt ihn aber auch von einer anderen Seite und versucht zu ergründen, warum er diesen Überzeugungen folgt.

Vielfältig und emotional

Umgekehrt ist auch der Lehrer Jakab nicht der strahlende Held in einem korrupten Umfeld, selbst wenn er sich als solcher sieht. Seine Absichten mögen gut sein, die Mittel sind es nicht unbedingt. Spannend sind beispielsweise die Szenen in Eine Erklärung für Alles, wenn er einen Dokumentarfilm drehen möchte über den antisowjetischen Volksaufstand von 1956 und dabei an seine Grenzen stößt. Er will an die Vergangenheit erinnern, sowohl bei dem Film wie auch als Geschichtslehrer, weil er darin die Antwort erhofft. So wie sie alle nach Antworten suchen und unzufrieden sind mit dem Land. Es geht Regisseur und Co-Autor Gábor Reisz (Bad Poems) nicht nur darum, die Spaltung aufzuzeigen, sondern auch Gemeinsamkeiten. Teilweise sind die Menschen gar nicht so unterschiedlich, wie es die politischen Überzeugungen einen glauben lassen.

Das Drama, das bei den Filmfestspielen von Venedig 2023 Premiere hatte, gleicht ein wenig einem Puzzlespiel, bei dem mit der Zeit immer mehr Teile hinzukommen. Manche betreffen die einzelnen Figuren, andere dienen einem Gesamtbild. Und dann wäre da noch die Frage, was genau eigentlich bei dieser desaströsen Prüfung geschehen ist. Erst zum Schluss wird diese dann genauer thematisiert und zeigt die Welt aus Sicht des Jugendlichen, der so oft stumm anderen zusieht und nach Worten sucht. Eine Erklärung für Alles, das zuvor mal satirisch, mal dokumentarisch wirkte, wird dann sogar richtig emotional, geht einem urplötzlich zu Herzen. Der Film hat auch eine versöhnliche Note, gerade bei dem sehr schönen Schluss, ohne sich in Kitsch retten zu müssen, und ermuntert dazu, wieder genauer hinzusehen und so vielleicht die Spaltung nach und nach zu überwinden.

Credits

OT: „Magyarázat mindenre“
Land: Ungarn, Slowakei
Jahr: 2023
Regie: Gábor Reisz
Drehbuch: Gábor Reisz, Éva Schulze
Musik: András Kálmán, Gábor Reisz
Kamera: Kristóf Becsey
Besetzung: Gáspár Adonyi-Walsh, István Znamenák, András Rusznák, Rebeka Hatházi, Eliza Sodró, Lilla Kizlinger, Krisztina Urbanovits

Bilder

Trailer

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Eine Erklärung für Alles
fazit
„Eine Erklärung für Alles“ porträtiert die gespaltene Gesellschaft Ungarns anhand einer verpatzten Abschlussprüfung, die zum Politikum wird. Das ist mal satirisch, mal dokumentarisch, später auch herzzerreißend. Vor allem ist das Drama aber deutlich tiefgründiger und nuancierter, als man erwarten konnte, wenn es einem zunehmend komplexer werden Puzzle gleicht.
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