Now Or Never
© Zum Goldenen Lamm Filmproduktion

Now or Never

Henry (Michael Pink) mag ja durchaus seine Talente haben. Bei seiner Arbeit als Sterbehelfer in der Schweiz jedoch, da ist nicht viel mit ihm anzufangen. Immer wieder legt er sich mit Leuten an, beleidigt sie, hält sich an keine Vorschriften oder Abmachungen. Eine letzte Chance bekommt er aber noch: Er soll sich um Rebecca (Tinka Fürst) kümmern, die an einem Hirntumor leidet und so schnell wie möglich sterben will. Zu schnell, wenn es nach der Klinik geht. Und so ziehen sie erst gemeinsam um die Häuser, bis sie sich auf den Weg zu einem Wunderheiler machen – verfolgt von Henrys Kollege Benno (Johannes Allmayer) und Rebeccas Ehemann Daniel (Sebastian Jehkul).

Dürfen Menschen darüber entscheiden, ein Leben vorzeitig zu beenden? Das ist eine Frage, die je nach Gesellschaft im Mittelpunkt vieler kontroverser Debatten steht – von der Abtreibung über die Todesstrafe bis zur Sterbehilfe. Während die ersten beiden Themen hierzulande keine wirkliche Rolle spielen und wenig Diskussionen provozieren, von dem Werbeverbot bei Abtreibung einmal abgesehen, ist Sterbehilfe noch immer eine heikle Angelegenheit. Das zeigen eine Reihe von Filmen, die in den letzten Jahren gedreht wurden (Und morgen Mittag bin ich tot, Hin und weg) und in denen die Protagonisten und Protagonistinnen mit Familie und Freunden ins Ausland reisen, um dort ihrem unheilbar kranken Leben ein Ende zu setzen.

Ein eigener Weg raus
Now or Never passt da auf den ersten Blick gut rein ins Schema, geht aber doch einen etwas anderen Weg. Zum einen beginnt der Film bereits in der Sterbeklinik, anstatt die lange Zeit davor zu thematisieren. Außerdem rückt mit Henry einer in den Mittelpunkt, der selbst für die Klinik arbeitet, während die Einrichtung bei den Kollegen anonym bleibt. Doch der größte Unterschied ist, dass hier mit viel Humor an die Sache herangegangen wird. Schon der Auftakt, wenn wir erfahren, dass die Klinik auf deutschem und Schweizer Boden liegt, weshalb da innerhalb eines Raumes verschiedene Bestimmungen gelten, zeigen: Drehbuchautor Belo Schwarz hat kein Interesse an tränenreichen Betroffenheitsdramen.

Wobei der Film, der unter anderem beim Filmfest Emden-Norderney 2019 zu sehen war, durchaus zu Herzen gehen kann. Der Film mag lauter Kuriositäten einbauen und manchmal seine Witzchen machen, Rebecca ist und bleibt todkrank. Dass sie sich an die Vorstellung eines Wunderheilers klammert, von dem jeder weiß, dass er nichts bringen wird, ändert daran nichts. Aber auch die anderen Figuren, die in ihrem Schlepptau durch die Schweizer Berglandschaft fahren, haben ihre Geschichten als Ballast dabei. Die Beschäftigung mit dem Tod, sie bedeutet letztendlich auch, sich dem Leben zu stellen, etwas darin zu finden, was schön und gut ist.

Traurig macht lustig!
Damit erinnert Now or Never an den letztjährigen TV-Kollegen Nichts zu verlieren. Damals war es eine Trauer-Reisegruppe, die auf Gangster stieß und mit ihnen durch die Gegend fuhr. So wie dort gibt es auch hier eine Auseinandersetzung mit Schmerz und Verlust, verbunden mit albernem bis schwarzem Humor. Ein typischer Allrounder eben, wie er hierzulande gern produziert wird. Das bedeutet zwangsweise, dass der Tiefgang nicht so wahnsinnig ausgeprägt ist. Eine Diskussion pro oder contra in Bezug auf Sterbehilfe findet beispielsweise nicht statt. Dafür gibt es ein paar Beschimpfungen, das ist lustiger. Und Elvis.

Aber irgendwie ist der Film doch ganz schön, wie er seine Figuren und damit indirekt das Publikum auffordert, die kleinen Dinge im Leben zu genießen, so lange wir sie haben, ohne das gleich mit der Moralkeule eindreschen zu wollen. Welche lebenswerten Dinge das für den einzelnen sind, das beantwortet Now or Never natürlich nicht. Das bleibt jedem selbst überlassen, als kleine Hausaufgabe sozusagen. Das kann etwas ganz Banales sein. Klingt ein bisschen nach billigem Trost, ist in dem Moment aber tatsächlich auf verschrobene Weise rührend. Es gibt dann doch mehr als ein „jetzt“ oder „nie“. Die Schönheit des Lebens macht sich nicht an den entscheidenden Ereignissen fest, sondern daran mit all dem glücklich zu sein, was der Alltag zu bieten hat. Was manchmal mehr ist, als einem bewusst ist.



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In „Now or Never“ muss sich ein erfolgloser Sterbehelfer um eine schwierige Sterbepatientin kümmern. Hört sich problematisch an? Ist es. Aber auch lustig und rührend. Der Film nimmt sich des Themas mit viel albernem Humor an, ist gleichzeitig aber auch ein Plädoyer dafür, die Kleinigkeiten des Leben zu schätzen lernen.
7
von 10