Nichts zu verlieren

Nichts zu verlieren

Nichts zu verlieren
„Nichts zu verlieren“ // Deutschland-Start // TV: 29. August 2018

Der Plan war idiotensicher. Das zumindest dachten Richy (Georg Friedrich), dessen Halbbruder Tom (Christoph Schärf) und Charly (Marcel Mohab), als sie bei einem berühmten Künstler einsteigen und den Tresor leeren wollen. Doch dann geht schief, was nur schiefgehen kann, und sogar noch ein bisschen mehr als das. Auf der Suche nach einem Fluchtauto bleibt Richy daher nichts anderes übrig, als einen Reisebus zu kapern und die Leute als Geisel zu nehmen. Aber auch dieses Unternehmen verläuft nicht ganz so wie gedacht. Reiseleiterin Irma (Lisa Wagner), Busfahrer Rolf (Michael A. Grimm) und die Passagiere sind nämlich gerade auf einer Trauerreise, um den Verlust geliebter Menschen zu verarbeiten und haben entsprechend nichts zu verlieren.

Auf tragikomische Stoffe versteht sich Drehbuchautorin Ruth Toma ebenso wie auf Entführungsdramen, zählen doch unter anderem Mein Blind Date mit dem Leben und 3096 Tage zu ihrem über 30 Titel starken Portfolio. Wenn sie in Nichts zu verlieren eine zünftige Diebeskomödie auf eine schmerzhafte Aufarbeitung persönlicher Traumata treffen lässt, dann wirft sie gänzlich unterschiedliche Erfahrungen in einen gemeinsamen Topf. Die Mischung hört sich seltsam an, vielleicht nicht unbedingt erfolgsversprechend. Und doch ist das Ergebnis überzeugender, als man im Vorfeld vielleicht denken könnte.

Einfacher Humor mit kauzigen Typen
Dabei lebt der Film zu einem größeren Teil natürlich von den kauzigen Figuren und der gut gewählten Besetzung. Regisseur Wolfgang Murnberger kennt sich ja durch die Adaptionen der Brenner-Krimis (Das ewige Leben) bestens mit kaputt komischen Typen aus, bei denen man oft schon aus lauter Verzweiflung lacht. Ganz so abgründig wird es hier zwar nicht, das TV-Publikum soll nicht zu sehr verschreckt werden. Der Humor ist oft eher einfacher Natur. Aber dann und wann lacht doch der skurrile Charme typisch österreichischer Machart hervor, der seine Romanadaptionen auszeichnet.

Georg Friedrich ist für eine solche Rolle natürlich immer eine dankbare Besetzung, der sich ganz gerne mal komische Figuren zwischen Wiener Schmäh und Paradiesvogel aussucht – siehe aktuell auch in Asphaltgorillas. Hier spielt er einen erfolglosen Räuber, der sich nicht nur mit inkompetenten Kleinganoven herumärgert, sondern auch mit einer wenig kooperativen Geiselschar. An der Stelle wäre sicher noch mehr möglich gewesen. Wenn verzweifelte Ganoven auf Normalos treffen, die ohnehin keinen großen Lebenswillen mehr haben, dann ist das eigentlich ein Freischein für Konflikte und Eskalation ohne Ende.

Das Glück hinter dem Bösen
Nichts zu verlieren, das auf dem Filmfest München 2018 Premiere feierte, bevor jetzt die Fernsehausstrahlung ansteht, ist jedoch mehr um Harmonie bemüht. Zwar gehen sich zu Beginn alle tierisch auf die Nerven. Doch je mehr Zeit die bunt zusammengewürfelte Truppe aus Verlierern miteinander verbringt, umso mehr wächst sie zusammen. Und natürlich gibt es ein versöhnliches Ende, zum Teil zumindest, eine Belohnung für die Leute, die hier so viel durchmachen mussten.

Während der Humor mehr Schärfe hätte vertragen können, sind die besinnlicheren Momente ganz schön geworden. Nichts zu verlieren braucht eine Weile, bis die Wunden der Passagiere auch mal an die Oberfläche treten dürfen. Die Vorgeschichten werden zudem denkbar knapp erzählt: Wer zum falschen Zeitpunkt auf Toilette geht, kann ein komplettes Schicksal verpassen. Doch selbst wenn der Tod gerade mal nicht thematisiert wird, so fährt er doch immer mit, Murnberger hat einige rührende Szenen und Schnappschüsse in die Chaosfahrt eingebaut. Insgesamt ist die Tragikomödie daher durchaus empfehlenswert, nimmt sie sich doch einiger wirklich trauriger Gestalten an, ohne sie auszuschlachten, und zeigt auch beim Schöpfen neuer Kraft und Hoffnung angenehme Zurückhaltung.



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Verzweifelte Räuber sind auf der Flucht und landen ausgerechnet in einem Bus voller Leute, die nach persönlichen Verlusten keinen echten Lebenswillen mehr haben. Das ist ein ungewöhnlicher und komischer Kontrast, auch wenn der Humor sicher noch mehr Schärfe hätte vertragen können. Gelegentliche Schwächen gleicht die gute Besetzung und der sensible Umgang mit den Themen Tod und Trauer aber wieder aus.
6
von 10