Golden Youth
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Golden Youth

Golden Youth
„Golden Youth“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Rose (Galatéa Bellugi) und Michel (Lukas Ionesco) sind jung, schön und lieben es, Ende der 1970er in der Pariser Kunst- und Modeszene ausgiebig zu feiern. Dort lernen sie auch das gut betuchte, etwas ältere Paar Lucile (Isabelle Huppert) und Hubert (Melvil Poupaud) kennen. Die wissen Schönheit durchaus zu würdigen und bieten deshalb dem aufstrebenden Künstler Michel an, ihn bei seinen Ambitionen zu unterstützen. Das berufliche Interesse macht jedoch bald dem persönlichen Platz, wenn sich die beiden Älteren körperlich zu den jungen Gästen hingezogen fühlen – eine Anziehungskraft, die durchaus auf Gegenseitigkeit beruht.

Kleider machen Leute, hieß es früher immer wieder mal. Darüber kann man sich natürlich streiten. Aber manchmal reicht es tatsächlich aus, wenn sich jemand in schicke Kleidung wirft, um alles andere drum herum vergessen zu lassen. Den Beweis liefert Regisseurin und Co-Autorin Eva Ionesco, wenn sie in Golden Youth in das Frankreich der späten 1970er zurückkehrt. Genauer sind es die gehobenen Kreise, die sich in erster Linie mit rauschenden Festen befassen und dem großen Genuss, weniger mit dem alltäglichen Leben. Fast zwei Stunden ist der Film lang, eine regulär arbeitende Bevölkerung bekommt man jedoch in all der Zeit nicht zu sehen.

Schöner Schein
Aber das muss man auch nicht, wenn man so gut aussieht wie das Quartett hier. Die äußere Qualität der beiden Paare ist dann auch ziemlich deckungsgleich mit der Qualität des Films. Anders gesagt: Es gibt in Golden Youth jede Menge zu schauen. Gefühle oder Gedanken haben dabei jedoch weniger Raum, der Film will mehr die auch sexuell angespannte Stimmung festhalten, das Porträt einer Zeit und einer Gesellschaft sein. Zu einer wirklichen Aussage lässt sich das Drama hingegen nicht hinreißen. Auch auf eine Handlung muss das Publikum verzichten. Es gibt zwar eine Abfolge von Szenen, die bauen jedoch nur bedingt aufeinander auf.

Bis man als Zuschauer das bemerkt, vergeht jedoch eine ganze Weile. Gerade der Einstieg, wenn sich die beiden Paare ins Pariser Nachtleben stürzen, ist visuell überwältigend. In ausufernden, extravaganten Kleidern stolzieren die Figuren durch die Gegend, Ende der 1970er versuchte man in dem berüchtigten Club Le Palace noch gesehen zu werden. Das hat mehr von einer Modenschau als einer Party, Menschen sind in dieser Flut aus Farben, Formen und Stoffen kaum mehr zu erkennen. Aber wozu auch, wenn sich in einem auf maximaler Lusterfüllung Milieu niemand für das Individuum hinter der Verkleidung interessiert, für den Geist hinter dem schönen Gesicht?

Mit Lust an der Grenzenlosigkeit
Glücklicherweise konnte Eva Ionesco für diese Zurschaustellung ein erstklassiges Ensemble gewinnen. Isabelle Huppert (Greta) und Melvil Poupaud (Laurence Anyways) haben schon in anderen Zusammenhängen bewiesen, dass sie gut und gerne Figuren mit Hang zur Extravaganz spielen. Hier gibt es dann auch kein Halten für sie: Übergriffig sind die Figuren, mal verführerisch, mal ein bisschen erbärmlich in ihrem Klammern, sind außerstande Grenzen oder ein Nein zu akzeptieren. Schließlich gehören sie einer Welt an, in der jeder macht, was er will, Regeln und Moralvorstellungen unter ihrer Würde sind. Oder das, was sie dafür halten. Die jüngeren Kollegen haben da fast zwangsweise nicht ganz die gleiche Wirkung, sind oft in ihren Rollen zu passiv.

Eva Ionesco, die hier auch von ihren eigenen Erfahrungen in den 1970ern erzählt, als sie ihre Karriere als Schauspielerin begann, verurteilt dabei aber nicht. Die Figuren haben alle ihre manipulativen Tendenzen, die einen erfahrener darin, die anderen noch neu. Und doch sind sie alle Getriebene, geradezu Opfer ihrer eigenen Genusssucht. Der Beitrag vom Filmfest München 2019 zieht aus diesen erotischen Spielen keine Erkenntnisse, auch die Entwicklungen halten sich in Grenzen. Das junge Paar wird später mehr erreicht, aber auch mehr verloren haben, ist nicht wirklich weiter, als es zu Beginn war. Das mag man schade finden, als Charakterdrama ist Golden Youth eher ernüchternd. Aber es ist ein faszinierender Blick in eine ferne Zeit, eine ferne Welt, in der vieles zwar glänzt, aber nur wenig Gold zu finden ist.



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Ein älteres gut betuchtes Paar nimmt sich ein jüngeres mit nach Hause, um es zu fördern, aber auch aus rein physischem Interesse. „Golden Youth“ lebt dabei von den Darstellungen, gerade auch Huppert und Poupaud als dekadentes, übergriffiges Duo. Das ist faszinierend, ein zum Teil großartig aussehendes Porträt des Frankreich in den späten 70ern, hat aber doch eher wenig zu erzählen.
7
von 10