Greta 2018
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Greta (2018)

Greta 2018
„Greta“ // Deutschland-Start: 16. Mai 2019 (Kino)

Nach dem Tod ihrer Mutter wird es für Frances (Chloe Grace Moretz) Zeit, von vorne anzufangen, ein neues Leben zu beginnen. Aber so sehr sich ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Erica (Maika Monroe) auch bemüht, so ganz will ihr das nicht gelingen. Da macht sie eines Tages die Bekanntschaft von Greta (Isabelle Huppert), deren Handtasche sie in der U-Bahn gefunden hatte. Die ältere Französin ist überaus dankbar – und ebenso einsam, leidet sie doch darunter, ihre Tochter nicht sehen zu können, die in der Heimat studiert. Schnell schließen die beiden Frauen Freundschaft, beginnen sich immer häufiger zu sehen – bis Frances eine unheimliche Entdeckung macht.

In ihrer Heimat oder in internationalen Arthouse-Kreisen, da ist Isabelle Huppert natürlich schon seit langem ein Star. 16 Mal wurde sie für den César nominiert, sie erhielt Auszeichnungen in Cannes und Venedig. Und doch dürften viele ihr das erste Mal in Elle begegnet sein, in ihrer für einen Oscar nominierten Rolle einer Frau, die nach einer Vergewaltigung ein etwas eigenwilliges Verhalten an den Tag legt. Mit ihrer eiskalten, finsteren Verkörperung verwischte sie die Grenzen zwischen Opfer und Täter, zeigte eine ihrer besten und furchteinflößendsten Darstellungen in ihrer Karriere.

Vorsicht vor Fremden!
Mit Greta schließt sie nun nahtlos an diesen Auftritt an, zumindest teilweise. Dass die ältere Dame mit dem dicken französischen Akzent irgendwie nicht ganz richtig sein kann, das merkt man als Zuschauer recht bald – im Gegensatz zur fast ebenso unwirklich naiven Frances. Doch was es genau ist, was sich hinter dieser Freundlichkeit verbirgt, das wird erst etwas später verraten. Wobei sich der irische Star-Regisseur Neil Jordan (Byzantium, Interview mit einem Vampir) nicht lange mit Rätselraten aufhält. Die aufdringlichen Tendenzen Gretas, die zeigt er früh. Die eigentlich Frage ist dann eher: Wie weit wird sie bei ihrem Versuch gehen, die junge Frau an sich zu binden?

An manchen Stellen ist das durchaus spannend, eben aufgrund der herausragenden Leistung von Huppert. Die Grande Dame der europäischen Schauspielkunst muss dafür nicht einmal sonderlich viel tun. Sie jagt einem selbst dann einen Schrecken ein, wenn sie nur auf der anderen Straßenseite steht, einen nicht mehr aus den Augen lässt, wie ein Raubtier, das auf den kleinsten Fehler seiner Beute wartet. Auch sonst sind die Darstellungen sehr ansprechend, sei es die besagte Unschuld einer Chloë Grace Moretz (Feuer im Kopf) oder die Abgebrühtheit von Maika Monroe (It Follows), die in einem starken Kontrast zu ihrer Filmfreundin steht.

Eine atmosphärische Entgleisung
Preisverdächtig wäre zudem die Ausstattung gewesen. Vor allem die Wohnung von Greta gefällt durch eine Atmosphäre, die gleichermaßen klaustrophobisch wie unwirklich ist. Ihr Zuhause scheint gar nicht da zu sein, ist völlig fehl am Platz zwischen den Häuserschluchten. Ein Erinnerungsstück, vollgestopft mit Gegenständen, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen. Dass die Zahl der Settings recht überschaubar ist – ein Großteil des Films spielt in dieser Wohnung, vereinzelt auch der von Frances bzw. ihrer Arbeitsstelle –, das macht nicht wirklich etwas aus. Da gibt es auch so genügend zu entdecken.

Je länger Greta, das auf dem Toronto International Film Festival 2018 Weltpremiere feierte, andauert, umso stärker entgleist der Film jedoch. Dass einer solchen Geschichte immer ein Element des Übertriebenen innewohnt, das ist klar, der Thriller lebt ja sogar davon, dass er mit der Zeit eskaliert. Und natürlich macht es auch Spaß, wenn sich Huppert der Lächerlichkeit der Handlung völlig bewusst ihre Rolle in eine groteske Karikatur verwandelt. Nur passt das alles nicht so ganz zusammen. Für eine Komödie ist der Film dann doch zu sehr Thrillerkonvention, entdeckt auch zu spät die Absurdität der Situation. Die Spannung verpufft jedoch in dem Moment, in dem jede Form von Intelligenz aus dem Fenster geworfen wird und Dinge geschehen, die man außerhalb eines trashigen C-Movies nie erwarten würde. Ganz ohne Reiz ist diese kuriose Mischung nicht. Angesichts der für sich genommen starken Bestandteile ist die Summe aber doch erschreckend niedrig.



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Isabelle Huppert als eine freundliche Zufallsbekanntschaft, die finstere Seiten in sich hat? Doch, das klingt gut. Es fängt auch gut an: „Greta“ lebt von fantastischen Darstellungen, einer tollen Ausstattung und der üblichen Eskalation eines solchen Thrillers. Zum Ende schießt der Film aber völlig übers Ziel hinaus, gibt sich recht trashig und lässt dabei offen, ob er das Ganze noch ernst meint oder doch lieber eine Parodie hätte sein wollen.
5
von 10