The Distant Barking of Dogs
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The Distant Barking of Dogs

The Distant Barking of Dogs
„The Distant Barking of Dogs“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Bald fünf Jahre ist es her, dass die Konflikte zwischen Russland und der Ukraine außer Kontrolle gerieten, mit dem „Höhepunkt“ der Annektierung der Krim. Dann und wann kommt das Thema zwar wieder in den Nachrichten auf, meistens jedoch im Zusammenhang von ganz anderen Spannungen zwischen Ost und West. Die noch immer anhaltenden, oft mit Waffen befeuerten Spannungen, sie verkommen schnell zu einem Mosaikstein unter vielen. Zwei aktuellere Filme erinnern jedoch daran, was das eigentlich bedeutet, in einem solchen Land, in einem solchen Zustand leben zu müssen. Während Donbass mit viel satirischer Bitterkeit den unübersichtlichen Alltagskrieg auseinandernahm, befasst sich der Dokumentarfilm The Distant Barking of Dogs mit dem tatsächlichen Alltag.

Genauer betrachtet der dänische Regisseur Simon Lereng Wilmont das Geschehen aus den Augen eines Kindes. Oleg heißt der 10-jährige Junge, der nach dem Tod seiner Mutter mit seiner Großmutter in Hnutove lebt. Viele sind es nicht mehr, die es in dem Dorf ausgehalten haben. Denn der Krieg ist nahe. Oft ist er zu hören, als entferntes Grollen, wenn es wieder zu Explosionen kommt. Zumindest aber ist er zu sehen. In den leeren Häusern. In der verwüsteten Gegend, die irgendwo zwischen Geisterstadt und Müllhalde angesiedelt ist. In den Gesichtern der Kinder, die ängstlich zusammenzucken, wenn irgendwo da draußen wieder etwas in die Luft fliegt. Dass der Krieg selbst nicht zu sehen ist, wir keine einzige Kampfhandlung sehen, verstärkt die leicht gespenstische Situation noch weiter. Ein bisschen surreal ist es gar, das Leben vor dem gewalttätigen Hintergrund.

Der Alltag im Ausnahmezustand
Dabei ist der Alltag von Oleg noch vergleichsweise normal. Wenn er durch die Gegend streift, seinen Spaß inmitten der Trümmer sucht, dann wirkt er wie ein ganz gewöhnlicher 10-Jähriger. Einer, der ein bisschen Abenteuer sucht, Aufregung, zumindest aber Ablenkung. Wilmont ist seinem jungen Protagonisten dabei immer eng auf den Spuren, ohne selbst aber in Erscheinung zu treten. Interviews gibt es keine, weder mit dem Jungen, noch seiner Großmutter oder außenstehenden Experten. Kontexte liefert The Distant Barking of Dogs ebenfalls nur wenig. Die braucht es hier aber auch nicht, wir lernen das fragile Familiengefüge auch ohne erklärende Worte gut kennen. Spüren den Zusammenhalt zwischen zwei Menschen, die sonst nicht mehr viel in dieser Welt haben.

Glücklicherweise schlachtet The Distant Barking of Dogs die Situation nicht weiter aus, macht aus Oleg kein kontinuierliches Opfer, das nach Mitleid schreit. Denn der würde sich selbst gar nicht als solches sehen. Es ist geradezu rührend, wie der Junge Normalität im Ausnahmezustand sucht. Bewegend und traurig. Zum Ende auch erschreckend: Das Leben im Dauerkrieg geht auch an ihm nicht spurlos vorüber. Je länger die Lage anhält, je näher das ferne Grollen kommt, umso mehr verliert er die Unschuld in sich, umso mehr verschwindet das Kind in ihm, das da draußen herumtollt, umso mehr ist er von dem gezeichnet, was um ihn passiert, selbst wenn eigentlich nichts passiert.



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„The Distant Barking of Dogs“ nimmt uns mit in ein kleines Dorf an der ukrainisch-russischen Grenze, wo der Krieg zwar nicht direkt zu sehen, aber doch ständig präsent ist. Dieses Beieinander von Alltag und Ausnahmezustand geht zu Herzen, vor allem wenn der Krieg doch noch seine Spuren hinterlässt.