Finsteres Glueck
© W-Film

Finsteres Glück

Finsteres Glueck
„Finsteres Glück“ // Deutschland-Release // Kino: 16. August 2018

Gemeinsam einen Ausflug machen, die Sonnenfinsternis anschauen, so war der Plan. Am Ende aber sind sie tot, die Eltern, die Kinder. Nur der achtjährige Yves (Noé Ricklin) hat den Autounfall schwer verletzt überlebt. Psychologin Eliane Hess (Eleni Haupt) wird damit beauftragt, sich um den Jungen zu kümmern und ihm zu helfen, sein Trauma zu überwinden. Doch das ist gar nicht so einfach, da er kaum über das sprechen möchte, was passiert ist. Erschwert wird die Situation durch einen erbitterten Sorgerechtsstreit zwischen der Tante und der Großmutter, die Yves beide gern zu sich nehmen würden. Doch wenn es nach dem ginge, er würde zu keinen von beiden gehen, sondern lieber bei Eliane bleiben. Dabei hat die privat selbst mehr als genug Sorgen.

Seine Familie kann man sich nicht aussuchen. Normalerweise. Aber bei Finsteres Glück ist ja fast nicht normal. Unglücklicherweise. Mit einer Sonnenfinsternis geht es hier los, einem überaus seltenen Ereignis am Himmel. Das steht natürlich für das Leben des kleinen Yves, das plötzlich von einer großen Tragödie überschattet wurde. Doch jede Finsternis hat einmal ein Ende, sei es eine astronomische oder eine biografische. Am Ende kommt die Sonne wieder, ganz bestimmt, das Leben hat schließlich ein Happy End verdient.

Die Finsternis des Alltags
Lukas Hartmann, der den zugrundeliegenden Roman von Finsteres Glück geschrieben hat, hat sich dafür die Psychologin ausgesucht. Die wird zur Ersatzmami, weil die echte ja weg ist und die sonstigen Anwärterinnen nicht wirklich toll sind. So wie sehr viele Leute in dem Film nicht wirklich toll sind. Schon bevor der Autounfall den Familienmitgliedern das Leben raubte, war die Familie kaputt. Ehebruch, häusliche Gewalt, Anzeichen von geistigen Störungen – je weiter der Film voranschreitet, umso größer wird die Finsternis, die sich dem Publikum offenbart.

So weit, so schlecht. Nur steht es um Eliane nicht viel besser. Kommunikation mit den Töchtern besteht in erster Linie aus Streitereien und Beschimpfungen. Sofern überhaupt kommuniziert wird. Denn auch das ist eines der hervorstechenden Merkmale von Finsteres Glück: Es will niemand reden, nicht mit anderen, nicht über sich selbst. Stattdessen wird lieber gleich draufgehauen. Da ist es egal, ob es nun um den Sorgerechtstreit geht oder die Konflikte im Haushalt Hess: Es wird beharrlich versucht, Sachen totzuschweigen, wodurch die Geschichten nur noch schlimmer werden, selbst kleine Details den Anfang des Weltuntergangs markieren.

Und was hast du so für Probleme?
Bis zu einem gewissen Grad ist das durchaus plausibel, Konfliktscheue ist nun wirklich kein besonders selten anzutreffendes menschliches Attribut. Wenn sich dann noch Schamgefühl hineinmischt, ist die Wahl des Todschweigens naheliegend. Hartmann kennt nur leider selbst keine Scham bei der Frage, was er denn nun alles in seine Geschichte hineinpacken will. Zumal der Schweizer Regisseur Stefan Haupt das Ganze auch noch genüsslich aufbauscht: Streckenweise hat man das Gefühl, Finsteres Glück wäre viel lieber ein Krimi, wenn der Film alle möglichen Spuren verfolgt, eine Antwort auf die Frage sucht: Was genau ist dem Auto eigentlich vorgefallen?

Als wäre das aber nicht schon schlimm genug, geht das Wühlen im Dreck bei Eliane und den noch lebenden Familienmitgliedern von Yves weiter. Mal macht der Junge Andeutungen, mal gibt es plötzliche Erinnerungen, ausgelöst von aktuellen Ereignissen, zwischendrin nährt er Zweifel, ob er nicht selbst psychisch krank ist – über das Trauma hinaus. Stellte sich heraus, dass er seine ganze Familie umgebracht hat, es würde hier wohl niemanden ernsthaft wundern. Und das ist die größte Tragik. Zwischendrin ist der Beitrag vom Fünf Seen Filmfestival 2017 durchaus rührend, wenn er sich allein um die zerbrechliche Seele eines traumatisierten Jungen kümmert. Das tut er aber viel zu selten. Stattdessen prügelt Finsteres Glück selbst auf das Publikum ein, gibt sich übertrieben mysteriös, schert sich dabei aber so wenig darum, was glaubwürdig ist und was nicht, bis man die Auflösung schon gar nicht mehr wissen will.



(Anzeige)

Ein fataler Familienausflug, eine Psychologin, die den traumatisierten Jungen betreuen soll – das ist in den besten Momenten die Geschichte einer vorsichtigen Annäherung. „Finsteres Glück“ selbst lässt aber jede Vorsicht außer Acht, ertränkt jede Figur mit tragischen Hintergründen und gibt sich dabei auch noch übertrieben geheimnisvoll, so als hätten alle schwören müssen, nur nicht miteinander zu reden.
5
von 10