Love and Bullets

Love and Bullets

„Ammore e Malavita“, Italien, 2017
Regie: Marco Manetti, Antonio Manetti; Drehbuch: Michelangelo La Neve, Antonio Manetti, Marco Manetti; Musik: Pivio Aldo De Scalzi
Darsteller: Carlo Buccirosso, Claudia Gerini, Serena Rossi, Giampaolo Morelli, Raiz

Was zu viel ist, ist zu viel. Gerade mal so ist der Verbrecherkönig Vincenzo (Carlo Buccirosso) noch mit dem Leben davongekommen, nachdem die Handlanger einer konkurrierenden Gang seine Lagerhalle mit einer ganzen Reihe von Einschusslöchern versehen haben. Da hat seine Ehefrau Maria (Claudia Gerini) eine Idee: Warum nicht die Welt glauben lassen, dass er tatsächlich bei dem Anschlag ums Leben gekommen ist? Eine Ersatzleiche ist schnell gefunden, einem entspannten Lebensabend steht nun nichts mehr im Wege. Fast nichts. Es war aber auch zu großes Pech, dass die Krankenschwester Fatima (Serena Rossi) den vermeintlich Toten zu Gesicht bekommt. Noch größeres Pech ist nur noch, dass Vincenzos Bodyguard Ciro (Giampaolo Morelli), der mit Rosario (Raiz) den Auftrag erhält, sie kaltzumachen, in ihr seine alte Jugendliebe wiederentdeckt. Bevor sich die Ahnungslose versieht, sind sie und Ciro nun selbst auf der Flucht, während Vincenzo alle Hebel in Bewegung setzt, das Paar mundtot zu machen.

Gangsterfilme sind alle gleich? Mitnichten! Den Gegenbeweis lieferten letztes Jahr gleich zwei Werke, die auf den Filmfestspielen von Venedig liefen und die Unterwelt Neapels in einem ganz eigenen Licht zeigten. Cinderella the Cat kombinierte futuristische Elemente mit märchenhaften zu einem der ungewöhnlichsten Animationsfilme für Erwachsene in der letzten Zeit. Und auch in Love and Bullets fand man Mittel und Wege, die ewig gleichen Geschichten um die gewaltsamen Aktivitäten der Camorra einmal ein klein wenig anders zu erzählen.

Zum Sterben komisch
Genauer nahmen die Brüder Marco und Antonio Manetti zwar Bestandteile klassischer Krimi und Thriller, nahmen sie aber gleichzeitig auf die Schippe – mit Hilfe von Musik. Eine der ersten Szenen zeigt Vincenzo, wie er in seinem Sarg liegt und singend die vielen Leute kommentiert, die zu seiner Beerdigung gekommen sind. In einer anderen, die völlig unabhängig von der Hauptgeschichte läuft, begegnen wir einigen Touristen, die ausgeraubt werden und dies als authentisches Urlaubserlebnis feiern, während der Diebstahl von Anfang bis Ende inszeniert ist.

Nach dieser ebenso unerwarteten wie erfolgreichen Kombo bekommen die Lachmuskeln im Anschluss jedoch deutlich weniger zu tun. Bedauerlicherweise entschieden sich die Manetti-Brüder nämlich, vor allem das Paar auf der Flucht zu begleiten, wie es sich durch Neapel ballert und flüchtet, versucht die Verfolger abzuhängen. Die deutlich unterhaltsameren Figuren, genauer das völlig überzogene Verbrecherpaar, werden dabei sträflichst vernachlässigt. Wenn Love and Bullets dabei wenigstens eine spannende Geschichte zu erzählen hätte. Doch je länger der Film andauert, umso deutlicher wird: Das hat er nicht.

Geht da noch was?
Sicher, sympathisch ist es, wie der Beitrag vom Filmfest München 2018 alten Genrevorbildern Tribut zollt, allen voran dem Bond-Klassiker Man lebt nur zweimal. Die Vermischung von Hommage und Verballhornung führt aber irgendwie zu nichts, dafür ist das Ganze auch nicht ausbalanciert genug. Die Musical-Nummern, welche den Einstieg prägen, werden immer seltener. Sie entfalten auch nie mehr die Kraft der ersten Beispiele, wenn Originalität auf tatsächliche Musikalität trifft – die Gesangsnummern funktionieren auch ohne Kontext dank profilierter Sänger und Ohrwurmqualitäten.

Wobei es aber natürlich dieses Nebeneinander von Theatralik und Albernheit ist, der Spaß macht: Die bewusst amateurhaft wirkenden Musikvideos stehen in einem starken Kontrast zu der beanspruchten Wichtigkeit der Figuren. Wenn selbsternannte Mafiapaten kleine Witzfiguren sind, dann schreiben sich die Gags quasi von selbst. Im Gegensatz dazu sind die Actionszenen, welche die zweite Hälfte bestimmen, sehr viel weniger ungewöhnlich. Genauer wird Love and Bullets dabei sogar ziemlich langweilig. Überraschungen gibt es keine mehr, selbst die Wendungen werden so deutlich angekündigt, dass ihr Nichteintreten die größere Überraschung gewesen wäre. Da der Film mit 140 Minuten auch noch deutlich zu lang ist, wiegt die Ereignislosigkeit umso schwerer – die kuriose Mischung aus Komödie, Thriller und Musical hat längst ihren Schwung verloren, wenn dann endlich mal der Showdown ansteht. Und das ist nach dem gelungenen Einstieg schon sehr schade.



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Singende Leichen, inszenierte Überfälle und eine ganz große Verfolgung: „Love and Bullets“ kombiniert auf eine ungewöhnliche Weise Gangsterthriller mit Komödie und Musical. Das ist vor allem zu Beginn grandios. Danach verliert sich der Film in einer langweiligen Geschichte, vergisst seine kuriosen Figuren und ist insgesamt auch deutlich zu lang.
5
von 10