Tully
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Tully

„Tully“, USA, 2018
Regie: Jason Reitman; Drehbuch: Diablo Cody; Musik: Rob Simonsen
DarstellerCharlize Theron, Mackenzie Davis, Mark Duplass, Ron Livingston

Tully
„Tully“ läuft ab 31. Mai 2018 im Kino

Mit der Aufgabe, ihre drei kleinen Kinder – das jüngste gerade frisch geboren, das mittlere ein soziales Problemkind – zu versorgen, ist Marlo (Charlize Theron) maßlos überfordert. Ihr Ehepartner Drew (Ron Livingston) steht ihr dabei kaum zur Seite. Er arbeitet tagsüber, um die Familie zu ernähren, und entspannt sich nach Feierabend mit Videospielen. Marlos Bruder Craig (Mark Duplass) kann den Anblick seiner abgekämpften Schwester nicht mehr ertragen und macht ihr ein besonderes Geschenk: eine Night-Nanny soll nachts das Baby hüten, damit Marlo im Schlaf Kräfte tanken kann. Zunächst ist sie skeptisch. Eine fremde Person in ihrem Haus? Doch als Tully (Mackenzie Davis), eine junge, intelligente und warmherzige Frau, eines Nachts an ihrer Tür klopft, verwandeln sich die Zweifel bald in eine innige Freundschaft.

Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs
Bereits zum dritten Mal tun sich Regisseur Jason Reitman und Drehbuchautorin Diablo Cody zusammen und nehmen sich erneut die Geschichte eine Frau in einer kritischen Lebenslage vor. Juno, die erste Kollaboration, verschaffte Cody einen Oscar für das beste Drehbuch. Über ein Jahrzehnt später und nach gemeinsamer Arbeit am Hollywood-Hit Young Adult ist das Duo mit Hauptdarstellerin Charlize Theron im Gepäck zurück. Wieder einmal geht es um eine werdende Mutter in der Krise. Doch Marlos Schicksal ist weitaus bedrückender als Junos Teenieschwangerschaft, der Film insgesamt schwerer. Der mit fröhlicher Klaviermusik untermalte Trailer lässt auf eine leicht verdauliche Midlife-Crisis-Komödie hoffen, doch – und an dieser Stelle soll nicht zu viel verraten werden – Tully ist weitaus vielschichtiger und in seinen Facetten teils düster und desillusionierend.

Kurz gesagt wirft der Film einen ungetrübten und vor allen Dingen schmucklosen Blick auf postnatale Depression. Auch wenn man es nicht gleich von Beginn an merkt und man über die längste Zeit des Mittelteils des Films hinweg getäuscht wird, bestehen spätestens beim Abspann keine Zweifel mehr über die Ernsthaftigkeit des narrativen Kerns und der realen Hintergründe, die in den Medien viel zu wenig Aufmerksamkeit finden.

Davon sollte man sich jedoch nicht abschrecken lassen. So entmutigend Tully in mancher Hinsicht scheinen mag, ist der Film ebenso amüsant wie herzerwärmend. Das liegt vor allem an der Figur der Namensgeberin. Tully, eine mit Lebensfreude und Zuversicht übersprudelnde junge Frau, taucht jede Szene mit ihrer Eigenart, ihrem Humor und ihrer liebenswerten Art in ein warmes Licht. Die beiden Heldinnen werden großartig verkörpert von Charlize Theron, die sich, wie man spätestens seit ihrer Oscar-prämierten Performance in Monster weiß, für nichts zu schade ist, und Mackenzie Davis, die ihren Durchbruch mit einer Rolle in einer der beliebtesten Black Mirror Episoden San Junipero schaffte.

Schönheitsfehler
Wenn es etwas an Tully auszusetzen gibt, dann ist es vor allem die Unnahbarkeit der Hauptfigur. Obwohl Marlo in beinahe jeder Szene zu sehen ist, herrscht eine gewisse Distanz zwischen ihr und dem Zuschauer. Auch wenn man die Zurückhaltung durchaus als legitimen Schachzug des Drehbuchs interpretieren könnte, hätte man sich in einem Film wie diesem ein bisschen mehr Wärme und Innigkeit gewünscht.

Teilweise leidet der Plot außerdem an der Umsetzung der Szenen. In der Absicht, möglichst authentisch zu wirken, gibt es einerseits kaum musikalische Begleitung und andererseits werden Szenen und Dialoge teilweise bis zur Grenze der Fremdscham ausgereizt. Ein weiteres Manko mag für manch einen in Tullys quirligem wie mystischem Charakter liegen. Wo kommt sie her? Was ist ihre Absicht? Wieso wird ihr nach kürzester Zeit blind vertraut? Sowohl Tullys Zweifler, wie auch ihre Aficionados sollen jedoch in den letzten Minuten des Films in der wunderbaren Auflösung belohnt werden, für die sich die ganze Grübelei und Warterei in jedem Fall bezahlt macht.



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Mit ihrer dritten Kollaboration erschaffen Regisseur Jason Reitman und Drehbuchautorin Diablo Cody ein weiteres Filmhighlight mit starken, weiblichen Hauptfiguren und einer lebensbejahenden Botschaft. Trotz kleiner Schwächen ist "Tully" ein herzerwärmender Film mit einem geschickten Twist, der einen noch lange heimlich Schmunzeln lässt.
7
von 10