Butterfly Kisses

Butterfly Kisses

(OT: „Butterfly Kisses“, Regie: Rafael Kapelinski, UK, 2017)

Butterfly Kisses
„Butterfly Kisses“ läuft im Rahmen des Heimspiel Filmfests in Regensburg (15. bis 22. November 2017) und des Exground Filmfests in Wiesbaden (17. bis 26. November 2017)

Sie sind die besten Freunde, verbringen einen Großteil ihrer Freizeit miteinander. Und von der haben sie eine ganze Menge, schließlich haben Kyle (Liam Whiting), Jarred (Byron Lyons) und Jake (Theo Stevenson) nicht wirklich etwas Besseres zu tun. Im Garten herumalbern, Billard spielen. Und Pornos natürlich. Der schüchterne Jake tut sich jedoch schwerer damit, im Gegensatz zu seinen selbstbewussten Freunden. Deswegen wird er auch gerne mal zur Zielscheibe für ihren Spott: Mal verunglimpfen sie ihn für seine Jungfräulichkeit, dann wiederum für seine offensichtlichen Gefühle für die neue Nachbarin Zara (Rosie Day). Jake schreckt ja nicht einmal davor zurück, auf Zaras kleine Schwester aufzupassen, um ihr näherzukommen.

Sozialdramen sind ja eine der großen Stärken der Briten. Am bekanntesten sind hierbei sicher die Werke von Ken Loach, der zuletzt mit Ich, Daniel Blake bewiesen hat, dass er auch jenseits der 80 Jahre noch Geschichten zu erzählen hat. Doch dahinter tummelt sich eine ganze Armee aus Filmemachern, deren Alltag in erster Linie daraus zu bestehen scheint, mit Kameras in Hinterhöfen und Sozialbauten unterwegs zu sein. Auch Butterfly Kisses scheint auf den ersten Blick aus dieser Ecke zu kommen. Wir beobachten ein paar Jungs, die keine echte Perspektive, wohl aber eine große Klappe haben. Jungs, die irgendwie zur Szenerie dazugehören, deren Fehlen einem aber wohl kaum auffallen dürfte. Gespielt werden diese zum Teil mal wieder von Laien, was die Authentizität erhöhen soll (und vermutlich einiges an Geld spart).

Der poetische Blick in den Abgrund
Das mag kein besonders neuer Ansatz sein. Und doch zeigt der polnische Regisseur Rafael Kapelinski bei seinem Langfilmdebüt, dass dieser Ansatz in den richtigen Händen Sehenswertes hervorbringen kann. Und sehenswert ist Butterfly Kisses, allein schon der Bilder wegen. In betörenden Schwarzweißbildern bringt uns der Filmemacher eine Welt näher, die eigentlich nicht schön sein sollte, es hier aber doch ist. Ob die Jungs nun rauchend über das Viertel blicken, sich bei kleinen Wettstreitigkeiten ihre Männlichkeit beweisen oder in der Gruppe um einen Porno herumstehen, das Drama ringt den banalen Szenen eine geradezu poetische Qualität ab.

Das dürfte auch durch das Ziel motiviert sein, ein klein wenig Distanz zu schaffen. Anfangs irritiert das, steht es doch in einem Widerspruch zu einem Filmgenre, das eben jene Distanz aufheben will. Und doch darf man Kapelinski dankbar dafür sein. Nicht nur weil die Aufnahmen für sich genommen sehr ästhetisch sind. Sie helfen dem Publikum auch darüber hinweg, wenn Butterfly Kisses später inhaltlich einen etwas unerwarteten Weg einschlägt. Einen sehr düsteren, auf seine Weise tragischen Weg. Dass da irgendwo ein Abgrund lauert, das ahnt man schon früh. Denn auch wenn der Film immer mal wieder mit humorvollen Szenen das Geschehen auflockert, so bleibt eine etwas unheilvolle Stimmung.

Schwieriger Balanceakt
Kapelinski vermeidet es jedoch, diese zu explizit werden zu lassen. Ob die Balance zwischen zu viel und zu wenig zeigen ganz geglückt ist, darüber kann man geteilter Meinung sein. Schnell ist man hier von alltäglichem Geplänkel abgelenkt und entsprechend überrascht, wenn das Ende naht. Oder auch schockiert. Denn Butterfly Kisses nimmt sich hier eines sehr unangenehmen Themas an, verurteilt nicht, wo man es lieber hätte. Lässt einen alleine mit einem Gefühl, das man gar nicht haben mag: Die Bilder in dem Drama mögen schwarzweiß sein, die Geschichte ist es nicht. Wenn der Film bislang keinen deutschen Kinostart hat, dann ist das nicht weiter verwunderlich. Dafür ist er auf diversen Festivals zu sehen, beispielsweise aktuell dem Heimspiel Filmfest in Regensburg und dem Exground Filmfest in Wiesbaden.



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„Butterfly Kisses“ fängt wie die meisten Sozialdramen aus Großbritannien an, geht aber doch auch eigene Wege. Da wären zum einen die Schwarzweiß-Aufnahmen, welche dem Film eine poetische Note geben. Doch dahinter verbergen sich Abgründe, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden, wenn es für das Publikum längst zu spät ist.
8
von 10