Land of the Little People

Land of the Little People

(OT: „Land of the Little People“, Regie: Yaniv Berman, Israel/Palästina, 2016)

Land of the Little People
„Land of the Little People“ läuft im Rahmen des 31. Fantasy Filmfests (6. September bis 1. Oktober 2017)

Es ist ein ganz normaler Tag im Leben der vier israelischen Kinder Chemi (Lior Rochman), Louie (Ido Kestler), Tali (Mishel Pruzansky) und Yonatan (Amit Hechter). Wenn sie nicht gerade auf der Flucht vor älteren Kindern sind, gehen sie gemeinsam auf die Jagd nach Tieren. Haben sie tatsächlich eines erledigt, dann opfern sie es einem Monster, das auf dem Grund eines Brunnens lebt. Doch dieses schöne Ritual wird empfindlich gestört, als Omer (Ofer Hayoun) und Yaron (Maor Schweitzer) auftauchen. Schließlich haben sich die beiden Deserteure ausgerechnet das verlassene Militärcamp als Unterschlupf ausgesucht, in dem die vier ihre Freizeit verbringen. Dass die das nicht so einfach hinnehmen wollen, versteht sich von selbst. Und so kracht es schon bei der ersten Begegnung der beiden Seiten. Aber das ist erst der Auftakt eines erbitterten Kampfes.

Auch wenn es nicht unbedingt schön ist: Der seit Jahrzehnten geführte Krieg zwischen Israel und Palästina ist so sehr zum Alltag geworden, dass er in den hiesigen Medien, aber auch beim Nachrichtenpublikum kaum noch Beachtung findet. Doch was bedeutet das für die Menschen, die dort leben? Regisseur und Drehbuchautor Yaniv Berman zeichnet bei seinem Spielfilmdebüt dann auch ein ziemlich düsteres Bild von Israel. Der Krieg ist allgegenwärtig. Nicht weil der kleine Ort selbst Schauplatz von Kampfhandlungen ist. Die Väter sind jedoch ständig unterwegs, jeder scheint hier ein Soldat zu sein. Vor allem aber sind die Menschen es inzwischen gewohnt, dass Gewalt Teil ihres Lebens ist.

Das unangenehme Porträt einer verrohten Gesellschaft
Wenn ältere Kinder Jagd auf jüngere machen, um sie mindestens zu demütigen, dann mag man das noch als ganz normalen jugendlichen Wahnsinn verstehen. Doch schon die eigenartigen Rituale der vier, die offensichtlich geringe Wertschätzung für das Leben von Tieren, lässt einen etwas unruhig im Kinosessel herumrutschen. Es sind vor allem die späteren Ereignisse, wenn die Geschichte wie erwartet eskaliert, die Land of the Little People so unangenehm werden lässt – vergleichbar zum polnischen Kollegen Playground, der ebenfalls beim Fantasy Filmfest 2017 im Flesh Blood Wettbewerb zu sehen ist.

Die israelisch-palästinensische Version ist dabei aber die etwas schwächere. Während der Spielplatzalbtraum auch deshalb so eindrücklich ist, weil sich alles so natürlich entwickelt, ist Land of the Little People gerne mal etwas übertrieben. Die eine oder andere Szene ist nicht nachvollziehbar – selbst wenn man die Prämisse der Verrohung akzeptiert hat. Diverse Punkte werden zudem nie wirklich erklärt, es fehlt hinten und vorne an Kontexten. Verständlich ist die Geschichte trotz allem natürlich schon, wirkt aber seltsam losgelöst, auch weil der Konflikt zwischen Soldaten und Kindern oft aus den Augen verloren wird. Von den sonstigen Erwachsenen ganz zu schweigen, die fast völlig fehlen, was eine leicht surreale Atmosphäre erzeugt.

Das Ende von gut und böse
Sehenswert ist die Mischung aus Drama und Thriller aber durchaus. Ein emotionaler Tiefschlag. Vergleiche zu Herr der Fliegen liegen auf der Hand, wo sich ebenfalls Kinder zum Herrscher über Leben und Tod aufschwingen. Zumal der Anblick von jungen Protagonisten, die mit Pfeil und Bogen durch die Gegend laufen, nicht unbedingt alltäglich ist. Aber auch Kevin – Allein zu Haus schleicht sich ins Gedächtnis zurück. In beiden Fällen versucht ein Kind, mithilfe von Fallen und ungewöhnlichen Waffen zwei Eindringlinge aus seinem Territorium zu verscheuchen. Nur dass es hier keine Titelfigur gibt, die man anfeuern wollte, keine Sympathieträger. Man ist sich nicht einmal mehr sicher, welche Seite die gute sein soll. Aber vielleicht gibt es das schon gar nicht mehr. Der unheimlichste Gedanke, den Land of the Little People weckt: Vielleicht haben wir uns schon zu sehr daran gewöhnt, dass ein Leben nicht viel wert ist. In der Welt von heute gibt es keinen Platz mehr für gut und böse.



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Zwei Deserteure verstecken sich in einem alten Militärcamp, in dem sonst immer Kinder spielten. Das bietet in „Land of the Little People“ den Rahmen für ein ausgesprochen düsteres Thrillerdrama. Das ist zwar nicht immer glaubhaft, manchmal gar etwas surreal, aber doch ein sehr ungemütliches Porträt einer Gesellschaft, in der Gewalt zum Alltag geworden ist und das menschliche Leben nicht mehr viel zählt.
7
von 10