Ihre beste Stunde
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Ihre beste Stunde

(OT: „Their Finest“, Regie: Lone Scherfig, 2016)

Ihre beste Stunde
„Ihre beste Stunde“ läuft ab 6. Juli 2017 im Kino

1940 ist der Zweite Weltkrieg im vollen Gange, keiner kann sagen, wie er am Ende ausgehen wird. Und so beschließt das British Ministry of Information, mithilfe eines Kinofilms die Stimmung im Land und bei den Truppen zu steigern. Basierend auf einer wahren Begebenheit sollen die Drehbuchschreiber Tom Buckley (Sam Claflin), Catrin Cole (Gemma Arterton) und Raymond Parfitt (Paul Ritter) die Geschichte der großen Dunkirk-Rettung erzählen – authentisch und gleichzeitig optimistisch. Doch das ist alles andere als einfach, umso mehr, da der Film gleichzeitig auch die USA zum Kriegseintritt bewegen soll. Zudem ist Catrin hin und her gerissen zwischen ihrer aufregenden neuen Aufgabe und ihrem Freund Ellis (Jack Huston), der wenig davon hält, dass seine Frau einer Arbeit nachgeht.

Es ist schon ein eigenartiger Zufall, in welch kurzem Abstand gleich zwei Filme in die deutschen Kinos kommen, die sich jeweils mit der spektakulären Befreiungsaktion in Dünkirchen 1940 befassen. Drei Wochen, bevor sich Christopher Nolan mit seinem Kriegsepos Dunkirk zurückmeldet, ist es Ihre beste Stunde, welche uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit nimmt. Und doch könnten die beiden Werke unterschiedlicher wohl kaum sein. Während der Engländer am Krieg selbst und der Rettung interessiert ist, nutzt seine dänische Kollegin Lone Scherfig die historische Vorlage lediglich als Vorwand, um eine Liebeskomödie zu erzählen.

Heiterkeit mit ernsten Hintergrund
Das klingt erst einmal nach einer schrecklichen Idee. Romantisches Herumtapsen, während drum herum die Menschen sterben? Das muss nun wirklich nicht sein. Und doch ist die Verfilmung von Lissa Evans’ Roman deutlich geschmackvoller, als man erwarten konnte. Und auch deutlich cleverer. Die Liebesgeschichte ist dabei noch der am wenigsten interessante Teil. Natürlich ist es charmant, wie sich Tom und Catrin ineinander verlieben – trotz großer Unterschiede –, ohne dass sie es überhaupt merken. Wenn Catrins Freund darüber hinaus auch ein Machowolf im Künstlerschafspelz ist, fällt es nicht übermäßig schwer, sie doch lieber mit dem Kollegen zusammen sehen zu wollen.

Hätte sich Ihre beste Stunde nur darauf konzentriert, es wäre wohl ein netter, sympathischer Film draus geworden, der gut die Zeit vertreibt und im Anschluss gleich wieder vergessen ist. Glücklicherweise zeichnet sich der Film aber noch durch ganz andere Elemente aus. Da wären zum einen die feministischen Tendenzen, die hier gezeigt werden: Catrin wird als Frau ganz ohne Begründungsversuche schlechter bezahlt als die Männer – „Wir können Ihnen natürlich nicht dasselbe zahlen wie den anderen.“ – und ist auch nur deshalb im Team, weil jemand für den Schmalz gebraucht wird. Eine Domäne der Frauen, so heißt es hier. Wenn sich die junge Frau nach und nach gegen alle Männer durchsetzt, sie besser, schlauer, kreativer und geschickter ist, dann lacht nicht nur das weibliche Herz.

Brillant besetzter Film im Film
Der enorme Unterhaltungsfaktor vom Abschlussfilm des 35. Filmfests München liegt aber woanders begründet. Indem die beiden Turteltäubchen an einem Film im Film arbeiten, findet die Geschichte ungemein viele Steilvorlagen, um sich über das Filmemachen an sich lustig zu machen. Ob es die Arbeit am Drehbuch ist, die absurden bis unmöglichen Vorgaben vom Ministerium bis hin zu den Eitelkeiten am Set – Ihre beste Stunde begegnet dem Sujet zwar mit viel Wohlwollen, aber auch einer deutlich ironischen Distanz. Am meisten Spaß macht der Streifen dann auch, wenn diese ganzen Leute aufeinander losgelassen werden und der Film-im-Film immer wieder zu einer Katastrophe zu werden droht. Was recht oft passiert. Zum Glück.

Das dies so gut funktioniert, der Film auch seine verschiedenen Stimmungen und Themen unter einen Hut bekommt, das verdankt er der brillanten und bestens aufgelegten Besetzung. Schon die Ping-Pong-Dialoge zwischen Arterton (The Voices) und Claflin (Snow White & The Huntsman) hätten jeder Komödie gut gestanden. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn darunter tummeln sich so viele fantastische Darsteller in kuriosen Rollen, dass man kaum noch hinterherkommt beim Schauen. Helen McCrory und Eddie Marsan als Agenten, Jake Lacy als unbegabter Soldatendarsteller, Jeremy Irons als berechnender Politiker, das ist für die wenigen Szenen fast schon Verschwendung. Doch über all ihnen thront Bill Nighy (Pride), der als weltfremder und selbstverliebter Ex-Star kontinuierlich alle Szenen an sich reißt. Dass ein Film, der sich dermaßen oft über Schmalz und Kitsch lustig macht, diesen zum Ende hin selbst ein wenig verfällt, ist natürlich schade. Aber zu dem Zeitpunkt hat Ihre beste Stunde schon so viele Sympathiepunkte angesammelt, dass dies kaum mehr ins Gewicht fällt.



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Liebeskomödie und Kriegsdrama, Metafilm und feministisches Plädoyer – „Ihre beste Stunde“ hat viele Gesichter. Das Zusammenspiel funktioniert jedoch ausgesprochen gut. Vor allem die brillante und urkomische Besetzung sorgt dafür, dass man der Romanadaption so ziemlich alles verzeiht.
8
von 10