The Empire of Corpses
© Project Itoh & Toh EnJoe / THE EMPIRE OF CORPSES

(„Shisha no teikoku“ directed by Ryôtarô Makihara, 2015)

The Empire of Corpses
„The Empire of Corpses“ ist seit 18. April 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

1878 wurde die anfänglich eher kritisch aufgenommene Möglichkeit, Tote wiederzubeleben, längst perfektioniert und in den Alltag integriert. Die Vorteile liegen schließlich auf der Hand: Die Untoten sind billige Arbeitskräfte und lassen sich gerade in Kriegen ohne größere Gewissensbisse verpulvern. Die Forschung an dieser Technologie, vor allem aber die Suche nach der Seele, das ist streng untersagt. Als sich John Watson über dieses Verbot hinwegsetzt und in flagranti erwischt wird, hat er nur eine Möglichkeit: Er soll im Auftrag der Regierung arbeiten und einem anderen Forscher das Handwerk legen. Watson willigt ein, wird dabei aber auch von dem Wunsch angetrieben, mehr zu erfahren und die verschwundenen Unterlagen von Victor Frankenstein zu finden, dem Erfinder der Technologie. Denn er möchte seinem wiederbelebten Gehilfen Freitag eine Seele und die Möglichkeit der Sprache zurückgeben.

Manche Bücher werden wohl nie an Aktualität und Popularität verlieren. So etwa „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ von Mary Shelley, das Anfang 2018 seinen 200. Geburtstag feiert. Und als wollten sie ihr alle gratulieren, gibt es derzeit ein beeindruckendes Revival der Wiederbelebungssaga. Ob es Big-Budget-Versionen sind (Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn, I, Frankenstein), der Indie-Bereich (Frankenstein – Das Experiment) oder auch Serien (Frankenstein Chronicles, Penny Dreadful), alle Untotennase lang nimmt sich wieder jemand des klassischen Materials an und versucht, der bekannten Geschichte einen eigenen Spin zu geben.

Gipfeltreffen der Superstars
Mit Penny Dreadful hat The Empire of Corpses dann auch so einiges gemeinsam. Vor allem eins: Hier werden hemmungslos literarische Helden aufeinander losgelassen. Es ist nämlich ausgerechnet Arthur Conan Doyles John Watson, der sich hier – mal ohne Sherlock Holmes – auf die Suche nach den Unterlagen von Frankenstein macht. Sein hirntoter und sprachloser Friday heißt nicht zufällig so wie die Figur in „Robinson Crusoe“. Es gibt Referenzen zu James Bond und „Die Brüder Karamasow“ von Fjodor Dostojewski. Und wenn dann noch Lilith Hadaly auftaucht, eine Verneigung vor dem französischen Science-Fiction-Klassiker „Die Eva der Zukunft“ von Auguste Villiers de l’Isle-Adam, dann wird klar, dass man sich in Japan einmal quer durch den Genrekanon arbeiten wollte.

Genauer war es der mit 34 Jahren verstorbene Science-Fiction-Autor Project Itoh alias Satoshi Itō, der in seiner Romanvorlage aus diversen literarischen wie realen Vorlagen doch etwas ganz eigenes gemacht hat. Dass beispielsweise Tote wiederbelebt wurden, um sie als Arbeitskräfte und sogar Soldaten zu benutzen, das ist doch mal ein origineller und überaus pragmatischer Ansatz. Diese Form der Ausbeutung mit der amerikanischen Sklaverei zu verbinden, auch das hat etwas. Allein schon der Willkürlichkeit der Ereignisse wegen bleibt man zwei Stunden dabei. Das Ergebnis wirkt nämlich so, als hätte Itō beim Schreiben eine Enzyklopädie gehabt, die er wahllos aufgeschlagen hat – was er fand, wurde verwendet. Und da will man wissen, was sonst noch so kommt.

Dennoch ist The Empire of Corpses nicht annähernd so satirisch noch unbekümmert-trashig, wie sich der Mischmasch anhört. Stattdessen wird in bester japanischer Düstertheatralik Science-Fiction mit Horror gekreuzt, die Suche nach der passenden Seele geht mit viel Action und Drama einher, da wird geschlachtet und geschluchzt, was das Storyboard hergab. Und das ist hier dann doch ein ziemliches Manko. Denn wenn man schon ohne Rücksicht auf Verluste die unterschiedlichsten und so gar nicht zusammenpassenden Elemente vermixt, dann sollte man sich schon auch bewusst sein, was man da tut. Hier fehlt aber diese Selbsterkenntnis. Und auch jeglicher Sinn für Humor: Anstatt der Materie mit einem Augenzwinkern zu begegnen, siehe etwa die ähnlich respektlose Genremischung Samurai 7, nimmt man diese kruden Ideen hier tatsächlich ernst. Der Film will unbedingt cool und tiefgründig sein, ist aber beides nur bedingt. Die Ideen zur Seele und Individualität etwa sind nicht mehr als post-its, die auf die actiongeladene Geschichte geklebt wurden. Und schnell wieder vergessen.

Düstere, alte Welt
Immerhin sieht The Empire of Corpses dabei äußerst schick aus. Das noch junge Animationsstudio Wit Studio, welches sich dank Attack on Titan und Seraph of the End: Vampire Reign bestens mit dem Weltuntergang auskennt, zeigt hier wieder sein glücklich-schmutziges Händchen für stimmungsvolle und sehr düstere Hintergründe. Die sind diesmal sogar besonders abwechslungsreich, da Watson und seine Mensch/Zombie/Android-Truppe bei der Jagd nach den verschwundenen Notizen einmal um die Welt reisen. Zwar scheint weder in England, noch in Indien oder Japan irgendwo die Sonne, dafür gibt es aber schön altmodische Straßenlaternen, die zusammen mit den riesigen Steampunk-Maschinen um die Wette blinken dürfen. Effekte gibt es dabei natürlich auch genug, die Designs der Figuren sind eine Mischung aus westlichen und japanischen Einflüssen.

Zumindest optisch werden sich daher Harmony und Genocidal Organ, zwei weitere Project-Itoh-Adaptionen für die alternative Animeprogrammschiene noitaminA, ganz schön anstrengen müssen, um da mitzuhalten. Zumal die drei Filme des ambitionierten Projekts jeweils von unterschiedlichen Regisseuren und Studios umgesetzt wurden. Man darf also gespannt sein, welchen Stempel die Kollegen bei ihren jeweiligen Interpretationen aufgedrückt haben. Und ob sie dabei inhaltlich mehr zu bieten haben als der lieblos bestückte Gemischtwarenladen hier.



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Die erste Adaption eines Romans des Autors Project Itoh ist eine etwas eigene Mischung aus Science-Fiction und Horror, in der reale wie literarische Figuren ohne Sinn und Verstand zusammentreffen. Leider fehlt das Gespür fürs Trashige und jeglicher Humor, die Ideen werden zu wenig ausgearbeitet und dabei zu ernst genommen. Dafür sieht der düstere Anime sehr schick aus.
5
von 10