Victor Frankenstein
© Fox

Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn

(„Victor Frankenstein“ directed by Paul McGuigan, 2015)

Victor Frankenstein
„Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn“ läuft ab 12. Mai im Kino

Bei seinen Auftritten im Zirkus ist Igor (Daniel Radcliffe) nicht viel mehr als eine groteske Lachnummer. Dass der sich seit seiner Kindheit mit einem Buckel herumplagende junge Mann über eine hohe Intelligenz und medizinischen Sachverstand verfügt, spielt da keine große Rolle mehr. Bis zu jenem Tag, wo er seine Fähigkeiten einsetzen darf und die verunglückte Trapezkünstlerin Lorelei (Jessica Brown Findlay) vor dem sicheren Tod bewahrt. Für seine Zirkuskollegen ist das nur noch mehr Anlass, ihn zu verspotten, doch der aus gutem Hause stammende Wissenschaftler Victor Frankenstein (James McAvoy) erkennt das Potenzial der Kreatur. Mehr noch, er nimmt ihn mit nach Hause, hilft ihm bei seiner körperlichen Verunstaltung und macht ihn zu seinem Assistenten. Das Ziel: Mithilfe einer neu entwickelten Technologie den Tod besiegen! Was der gläubige Inspektor Turpin (Andrew Scott) um jeden Preis zu verhindern sucht.

Es ist schon irgendwie zum Verzweifeln. Eigentlich sollte der Horrorklassiker „Frankenstein“ von Mary Shelley heute aktueller denn je sein, in einer Zeit, in der wir durch Genexperimente in das Leben eingreifen wie noch nie. Und doch will sich keiner finden, der den Stoff tatsächlich angemessen ins 21. Jahrhundert befördert. I, Frankenstein ist hübsch anzusehender Action-Bombast-Nonsens, das träge Frankenstein – Das tödliche Experiment verschluckt sich an seinen Ambitionen. Und auch Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn entpuppt sich als riesige Enttäuschung. Nicht, weil er so furchtbar schlecht ist, sondern weil er auf dem Papier sehr viel besser aussah, des großen involvierten Talents wegen.

Regie übernahm hier Paul McGuigan, der vier der sechs Folgen der ersten beiden Sherlock-Staffeln inszenieren durfte. Das Drehbuch stammt von Max Landis, dessen Superhelden-Thriller Chronicle einer der aufregendsten Found-Footage-Filme der letzten Jahre war. Und dann wären da mit Daniel Radcliffe, James McAvoy und Andrew Scott gleich drei Darsteller, die fast jeden Film aufwerten können. Zum Teil tun sie das auch hier: McAvoy spielt sich als verrückter Wissenschaftler um Leib und Seele, Radcliffe ist als Buckliger eine überraschend menschliche Interpretation des ewigen Gehilfen, Scott als Ereiferer sieht man ebenfalls gern. Abgerundet wird das Ensemble durch Freddie Fox als arroganter Kommilitone mit finsteren Absichten.

Zumindest anfangs macht Victor Frankenstein auch durchaus Spaß, selbst wenn die temporeiche Inszenierung und die Visualisierung von komplizierten Gedankenvorgänge schon sehr deutlich an Sherlock Holmes angelehnt sind. Dafür zeigt der Film beim Drumherum Eigenständigkeit: Bei McGuigan wird aus dem London des 19. Jahrhunderts eine Steampunkhochburg, die dank schicker CGI-Effekte zu dunkel pulsierendem Leben erwacht. Auch ein später am Computer entstandenes Wesen, das direkt aus der Hölle geflüchtet zu sein scheint, sorgt bei Horrorfans für gute Stimmung.

Der Rest jedoch tut das weniger, spätestens ab der Mitte des Films baut Victor Frankenstein kontinuierlich ab. Schuld ist daran unter anderem die aufgesetzte Romanze zwischen Igor und Lorelei, die Ersterem zwar noch ein bisschen mehr Tiefe geben soll, dafür aber zu oberflächlich und klischeehaft bleibt. Ganz zu schweigen, dass sie keinen Sinn ergibt: Ist die hübsche Dame anfangs noch eine Trapezkünstlerin, die sich nach dem Unfall keine Medizin leisten kann, entpuppt sie sich im Anschluss als Tochter einer steinreichen, adligen Familie – das verlangt schon sehr viel Glaubenswillen vom Zuschauer. Dafür ist der Rest umso anspruchsloser, reiht selbst zum Finale hin nur Szenen aneinander, die man alle schon von den vielen Vorgängern kennt, ohne dass ihnen etwas Interessantes hinzugefügt worden wäre: Victor Frankenstein langweilt die Nerven eher, anstatt sie zu fordern. Schade um die vielen guten Zutaten, denen das mittelprächtige Endergebnis insgesamt nicht gerecht wird.



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„Victor Frankenstein“ vereint vor und hinter der Kamera viel Talent, gibt dem Londonszenario zudem ein schönes Steampunkflair. Das ist anfangs unterhaltsam, wird später jedoch sehr langweilig, nicht zuletzt aufgrund der erzwungenen und wenig überzeugenden Romanze.
5
von 10