Birds Like Us

(„Birds Like Us“ directed by Faruk Sabanovic, Amela Cuhara, 2017)

Birds Like Us
„Birds Like Us“ läuft im Rahmen des Internationalen Trickfilm Festivals Stuttgart (2. bis 7. Mai 2017)

Seit Vogelgedenken schon ist die Gesellschaft in Birdabad folgendermaßen geregelt: Die Vögel opfern ihre Eier dem Kondor, der die Stadt leitet. Im Ausgleich erhalten sie die Früchte, die sie zum Überleben brauchen. Der Tausch ist hart, aber unvermeidbar. Denn außerhalb der Stadt können die flugunfähigen Vögel nicht überleben. Außerhalb der Stadt herrscht der Horror, der nur darauf wartet, sie alle zu töten. Und so fügen sich alle dem Gesetz. Alle außer Hupu. Die bringt es einfach nicht fertig, ihr Junges herzugeben und tut daher alles, um ihr Ei in Sicherheit zu bringen. Mit ihrem Aufstand bringt sie jedoch das komplette System durcheinander. Und plötzlich befindet sich eine kleine Vogelschar da draußen, mitten im Horror, und muss nun einen Weg zurück in die Heimat finden.

Orientalische Geschichten und Märchen waren schon immer eine zwar nur selten angezapfte, dafür aber sehr lohnenswerte Quelle für Animationsfilme. So gilt Aladdin für viele als eines der besten Disney-Werke, Die Abenteuer des Prinzen Achmed ist ein Pionier der Stop-Motion-Technik, auch die japanische Zeichentrickserie Sindbad ist ein echter Klassiker. Birds Like Us hat ebenfalls seine Wurzeln im exotischen Osten, genauer bei Fariduddin Attar. Der islamische Mystiker hatte im 12. Jahrhundert „Die Konferenz der Vögel“ verfasst, von denen sich der Film inspirieren lässt – eines der wichtigsten Werke der persischen Literatur.

Der hässliche Ersteindruck trügt
Davon ist hier erst einmal wenig zu sehen und zu spüren. Anfangs meint man noch, es mit einem beliebigen weiteren No-Name-Animationsfilm zu tun, der derzeit den Markt überschwemmt. Eine Gruppe sprechender Tiere, kleinere Slapstickeinlagen, dazu billig zusammengeschusterte Hintergründe mit vielen Ecken, aber wenigen Details – das weckt sehr unangenehme Erinnerungen an visuelle und inhaltliche Verbrechen wie Izzies Weg nach Hause oder Norm – König der Arktis. Wären da nicht die durchaus namhaften Sprecher Jeremy Irons, Alicia Vikander und Jim Broadbrent, die Versuchung wäre groß, den Film keines zweiten Blickes zu würdigen. Oder eines ersten.

Bemerkenswert wird es jedoch, als die bunt zusammengewürfelte Truppe die Stadt ebenso plötzlich und ungewollt verlässt. Technisch sieht es beim unter anderem in der Türkei und in Bosnien-Herzegowina produzierten Film dann auch nicht wirklich besser aus. Interessant aber schon. Zum einen bekommen wir in die weite Welt entlassen doch noch das eine oder zuvor erwartete orientalisch anmutende Gebäude zu sehen. Aber auch Gegenstände, die wir in einem solchen historischen Umfeld nicht erwartet hätten: Regenschirme, durch Knöpfe aktivierte Brücken, Züge.

Ein unerwartet surrealer Bilderrausch
Menschen, die diese Züge steuern könnten, fehlen jedoch. Auch wenn sie in Birds Like Us ihre Spuren hinterlassen haben, sie selbst sind zu keiner Zeit zu sehen. Es sind aber nicht nur die verlassenen Städte, welche dem Film eine surreale Note geben, sondern auch die Gegenstände selbst, welche sich während ihrer Bewegungen an keine Gesetzmäßigkeiten halten. Oftmals erinnert der Bilderrausch an einen Fiebertraum, in dem alles möglich ist, nichts aber Sinn ergibt. Dass der Film keinen echten roten Faden hat und die Truppe ziellos von einem Ort zum nächsten wandert, ohne dass man genau wüsste, wie sie das machen, verstärkt diesen Eindruck noch.

All das – in Kombination mit der gelegentlichen Verssprache und den mystischen Elementen – macht Birds Like Us zu einem seltsam faszinierenden Film. Aber auch zu einem schwierigen. Der Hang zur Esoterik und die bedrohliche Stimmung, die einem Alptraum näherkommt als üblichen Tier-Animationsabenteuern à la Ice Age oder Pets, dürften für kleine Kinder nur schwer zu schlucken sein. Große Zuschauer erschaudern hingegen angesichts der angesprochenen Billigoptik und den vielen Szenen, die vermutlich doch für ein junges Zielpublikum gedacht waren. Anstatt die Brücke zwischen den beiden Polen zu schlagen, wie es etwa Pixar macht, bleibt diese Kuriosität in einem befremdlichen Niemandsland verloren, das es keiner Seite wirklich recht macht. Dennoch ist es schade, dass der Film bislang keinen deutschen Verleih hat, besser als ein Gros der Direct-to-Video-Veröffentlichungen ist er, besser auch als so manche Kinoproduktion. Besucher des Internationalen Trickfilm Festivals in Stuttgart dürfen sich deshalb freuen, dass Birds Like Us dort vom 2. bis 7. Mai 2017 zu sehen sein wird. Und erst einmal nur dort.



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Basierend auf einem persischen Werk aus dem 12. Jahrhundert ist „Birds Like Us“ ein Animationsfilm wie viele andere und doch auch irgendwie ganz anders. Das ähnelt auf den ersten Blick üblichen Tierabenteuern, hat aber auch aufgrund der billigen, später aber sehr surrealen und düsteren Bilder eine doch sehr eigene Note.
6
von 10