Space Pirate Captain Harlock 1978
© 1978 Toei Animation Co. LTD.

(„Uchū Kaizoku Kyaputen Hārokku“ directed by Rintarô, 1978)

Nachdem wir letzte Woche bei Moral Orel einen kurzen Abstecher ins Spirituelle gemacht haben, geht es im 144. Teil unseres fortlaufenden Animationsspecials wieder in die handfesten Weiten des Weltalls. Problematisch ist der Alltag aber auch dort. Denn unser Held bekommt es nicht nur mit dekadenten Menschen, sondern auch mörderischen Pflanzen zu tun.

Im Jahr 2977 ist die Erde zum Himmel auf Erden geworden. Die Technik ist so weit fortgeschritten, dass der Mensch alles hat, was er zum Leben braucht. Und einiges darüber hinaus. Aber nicht alle sind damit glücklich, wie dekadent die Gesellschaft geworden ist, wie antriebslos. Dass eigentlich nur noch das eigene Vergnügen zählt. Harlock ist einer dieser Leute, die sich gegen das System stemmen. Und so fliegt er als Weltraumpirat an Bord seiner Arcadia durchs All, in Begleitung seiner 40 Mann starken Crew. Ganz egal ist ihm seine alte Heimat jedoch nicht, allen voran weil die kleine Mayu dort noch lebt. Und so kehrt er immer wieder dorthin zurück, um sie und die anderen zu beschützen, als die Mazone auftauchen – eine mörderische Pflanzen-Alienrasse in Gestalt schöner Frauen.

In Deutschland ist der Name Leiji Matsumoto ja nicht allzu vielen Leuten ein Begriff, in Japan war der Mangaka aber ein Phänomen. Vor allem in den späten 70ern gab es kaum ein Entkommen vor den umfangreichen Science-Fiction-Werken, die sowohl in gedruckter wie auch animierter Form die Massen fesselten. Am ehesten schaffte hierzulande noch Harlock den Durchbruch. Nicht nur dass die Serie – anders als Matsumotos andere beiden Klassiker Space Battleship Yamato und Galaxy Express 999 – teilweise auf Deutsch erschienen. Die Figur des Weltraumpiraten wurde in den folgenden Jahrzehnten immer wieder aufs Neue ausgegraben, war Held von Fortsetzungen, Spin-offs und Reboots, die sogar oftmals ihren Weg hierher fanden.

Diese Serie bzw. der ihr zugrundeliegende Manga waren es jedoch, welche der Welt den schweigsamen Helden mit der Augenklappe vorstellten. Ein bisschen zumindest. So richtig viel verrät der Anime eigentlich nicht über ihn, weder über seine Vorgeschichte, noch die Motivation seines Handelns. Dass er mit der aktuellen Gesellschaft nicht glücklich ist, das wird klar. So ganz nachvollziehbar wird dadurch aber nicht, weshalb Weltraumpiraterie die Antwort ist. Und auch der geradezu wahnhafte Versuch von Kommandant Kiruda, Harlock zu schnappen, hält sich nicht groß mit Erklärungen auf.

Große Ansprüche sollte man an die Plausibilität aber ohnehin nicht stellen. Stärker noch, als man es von Science-Fiction oft gewohnt ist, ist Nachdenken über Gründe hier nicht ratsam. Dass beispielsweise Harlock in einer fernen Zukunft mit Cape und Säbel durchs All düst, wird an einer Stelle als altmodisch mokiert, soll letztendlich aber nur dazu führen, den Coolnessfaktor von Raumschlachten mit der von Piraten zu kombinieren. Auch die Hintergrundgeschichte der Mazone wird irgendwann recht überraschend offenbart, anschließend aber schnell wieder vergessen. Ein bisschen sprunghaft ist Space Pirate Captain Harlock dann auch, widmet einzelne der insgesamt 42 Folgen aus heiterem Himmel bestimmten Crewmitgliedern – die nicht zufällig 40 an der Zahl sind. Aber eigentlich spielt das keine große Rolle, denn nahezu die komplette erste Staffel ist ausschließlich dem Kampf gegen die pflanzliche Bedrohung gewidmet.

Bei diesem gehen dann Drama und Humor Hand in Hand. Während die Feinde in einer recht alptraumhaften Sequenz aus dem Leben treten, Space Pirate Captain Harlock hier durchaus auch mal Horrorneigungen zeigt, darf zwischendrin gescherzt werden. So ist ein Crewmitglied besessen vom Modellbau, die Köchin hat eine Privatfehde mit einer diebischen Katze. Getrunken wird übrigens die ganze Zeit: Hier wird so viel Wein die Kehlen hinuntergeschüttet, dass man den Eindruck gewinnen könnte, der Anime wäre eine verkappte Werbesendung. Optisch ist das Werk von Regisseur Rintarô (Robotic Angel) und Traditionsstudio Toei Animation (Captain Future), die gemeinsam auch die Filmversion von Galaxy Express 999 produzierten, eine ähnlich kuriose Mischung aus ernst und komisch. Einige der Figuren sind recht realistisch gehalten, andere spotten hingegen jeder menschlichen Anatomie.

Das ganz große visuelle Wunderwerk ist die Serie aber ohnehin nicht. Da wird zwar hin und wieder mal mit Unschärfen oder Wassereffekten experimentiert, Hintergründe und Animationen sind aber recht spärlich. Das fällt vor allem zum Schluss auf, wenn es ans epische Finale geht, was aufgrund der billigen Effekte und Bewegungen jedoch heute nicht mehr richtig funktioniert. Darauf muss man sich bei diesem Klassiker einlassen, das altmodische Äußere und den übertriebenen Space-Opera-Inhalt als Relikt der späten 70er akzeptieren. Nicht darüber nachdenken, wenn ein großes Gemetzel mit Jazzklängen unterlegt wird, das Musizieren eines Mädchens Lichtjahre entfernt noch gehört werden kann. Das war damals noch so in einer lang zurückliegenden Zukunft. Und spaßig ist der große Kampf gegen die Pflanzendamen, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit Feuer fangen oder gleich ganz explodieren ohnehin noch. Und vergleichsweise einfach zu bekommen, zumindest im Vergleich zu den beiden anderen Matsumoto-Serien. Die zwölf damals ins Deutsche übersetzen Folgen sind seit Dezember in einer kleinen Box erhältlich, das Komplettpaket lässt sich sowohl aus den USA und Frankreich beziehen.



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Zeitlos ist „Space Pirate Captain Harlock“ weniger, vielmehr ist die technisch maue Umsetzung und die übertriebene, mal dramatische, dann wieder komische Geschichte um brutale Pflanzenfrauen eindeutig ein Produkt der späten 70er. Als solches macht die Animeserie aber Spaß, profitiert von ihren kuriosen Figuren und diversen eigenwilligen, wenn auch kaum ausgearbeiteten Ideen.
7
von 10