Kirschblüten und rote Bohnen
© Neue Visionen

Kirschblüten und rote Bohnen

(„An“ directed by Naomi Kawase, 2015)

Kirschblueten und rote Bohnen
„Kirschblüten und rote Bohnen“ ist seit 26. August auf DVD und Blu-ray erhältlich

Tagein tagaus steht Sentaro (Masatoshi Nagase) in seinem kleinen Imbissladen und versucht mehr schlecht denn recht seine mit süßer Bohnenpaste gefüllte Dorayaki-Pfannkuchen zu verkaufen. Abgesehen von einigen Schülerinnen wie Wakana (Kyara Uchida) verirrt sich jedoch nur selten jemand zu ihm. Umso erstaunter ist er, als eines Tages die seltsame Tokue (Kirin Kiki) vor ihm steht und für ihn arbeiten will. Dass er nicht viel zahlen kann, ist der alten Frau egal, sie würde selbst für einen Hungerlohn ihre Bohnenpaste herstellen. Ein wenig widerwillig geht Sentaro das Wagnis dann aber doch ein, zumal ihm die Paste ohnehin nie gelingen wollte. Und tatsächlich ist ihre Version so gut, dass schon bald die Kunden bei ihnen Schlange stehen. Dieses Glück wird jedoch ebenso bald wieder auf die Probe gestellt, denn Tokue trägt ein Geheimnis in sich, von dem niemand erfahren darf.

Japanische Dramen, das sind meistens entweder sehr ruhige, geradezu beiläufige Filme oder solche, die auf große Tragödien setzen. Das neueste Werk der Regisseurin und Drehbuchautorin Naomi Kawase ist irgendwie beides auf einmal. Mit wunderbaren Aufnahmen der titelgebenden Kirschbäume fängt das hier an, so überwältigend, geradezu unwirklich schön, als wollte die Filmemacherin ursprünglich lieber Werberegisseurin im Tourismusbereich werden. Dass sich Kawase darauf versteht, das hatte sie zuletzt schon in Still the Water unter Beweis stellen dürfen, dem steht sie hier nicht nach. Und diese Sinnlichkeit behält die Japanerin auch dann bei, wenn sie den Blick von außen nach innen verlegt.

Die Vorstellung, dass man aus Bohnen eine Süßspeise fertigen könnte, ist einem hierzulande ja eher fremd; wer nicht gerade zu den eifrigen Verfechtern japanischer Essenskunst gehört, wird eventuell nicht einmal davon gehört haben. Dass es eine Kunst ist, auch das macht der Film klar, in ausgiebigen Szenen wird sowohl die Herstellung wie auch der Genuss zelebriert. Tatsächlich geht Kawase derart ins Detail, dass man zwischenzeitlich vergisst, hier eigentlich einen Spielfilm zu sehen, stattdessen könnte man der Ansicht sein, die Dessert-Variante des Dokumentarfilms Oyster Factory zu sehen, der das Mechanische mit dem Menschlichen verknüpfte.

Das ist einerseits die Stärke von Kirschblüten und rote Bohnen, dann aber auch wieder die Schwäche: Die Adaption des Romans „An“ von Durian Sukegawa verliebt sich so sehr in die Bilder, dass sie dabei das Narrative fast völlig vergisst. Wakana beispielsweise, die immer mal wieder auftaucht, bleibt eine völlige Randfigur, für die es in dem Laden wie auch im Leben keinen Platz zu geben scheint. Dieses Los teilt sie mit den beiden Hauptfiguren, die beide auf ihre Weise Außenseiter sind, weil es das Schicksal nicht übermäßig gut mit ihnen gemeint hat. Ein bisschen sentimental ist der Film dann auch, verlässt sich sehr darauf, dass einem die Figuren ans Herz gehen, ohne wirklich viel dafür zu tun. Ohne ihnen viel Persönlichkeit zu geben.

Erst zum Ende hin, quasi als Schlussspurt, werden noch einmal die Daumenschrauben angelegt, dann aber gleich wieder so überdreht, dass die sozialkritischen Aussagen Blut und Schmerzen verursachen. Da wäre es schöner gewesen, den Film insgesamt etwas ausgeglichener zu gestalten, die ersten zwei Drittel nicht ganz so inhaltsleer sein zu lassen, dafür im dritten etwas weniger zu übertreiben. Einige bewegende Momente gibt es zuvor aber schon, ausgerechnet dann, wenn es weder ums Essen noch um die großen Vorgeschichten geht, sondern darum, wie zwei Außenseiter Zeit miteinander verbringen, das Leben plötzlich auch ohne den Blick auf die Wunderwerke der Natur seine schönen und warmen Seiten offenbart.



(Anzeige)

„Kirschblüten und rote Bohnen“ zeigt in wunderbaren, teils dokumentarisch anmutenden Bildern die schönen Seiten der Natur und der japanischen Essenskunst. Narrativ ist das Drama jedoch recht dünn, dreht erst zum Ende hin ziemlich auf, übertreibt es dabei aber auch schon wieder.
5
von 10