Love & Peace

Love & Peace

(„Love & Peace“ directed by Sion Sono, 2015)

Love & Peace
„Love & Peace“ läuft im Rahmen des Nippon Connection Filmfestivals (24. bis 29. Mai) in Frankfurt

Das Leben des 33-jährigen Büroangestellten Ryoichi Suzuki (Hiroki Hasegawa) ist nicht unbedingt von großen Erfolgen gesegnet: Von seinen Kollegen wird er nur verspottet, seine Träume von einem Rockstardasein scheitern an seiner Schüchternheit und auch Kollegin Yuko (Kumiko Aso) scheint außer Reichweite. Trost findet er nur in seiner kleinen Schildkröte Pikadon. Doch auch von der muss er sich verabschieden, als die Hänseleien zu groß werden: Endstation Toilettenspülung. Während Pikadon nun durch die Kanalisation Tokios wandert und von dem gutmütigen Pa (Toshiyuki Nishida) aufgenommen wird, steigt Ryoichi tatsächlich zum Rockstar auf – mit einem Abschiedslied, das er für Pikadon geschrieben hat.

Derzeit haben es Anhänger des japanischen Regiesonderlings Sion Sono richtig gut: Nicht nur, dass er einen Film nach dem anderen herausschießt, ein jeder von ihnen völlig anders als der vorangegangene, diverse davon durften wir in Deutschland sogar auf der großen Leinwand genießen. So schaffte es das Hip-Hop-Musical Tokyo Tribe letztes Jahr in die Kinos, der Schwarz-Weiß-Science-Fiction-Film The Whispering Star startet im Mai, das bizarre Schulmädchenmassaker Tag war immerhin während der Fantasy Filmfest White Nights in mehreren Städten zu sehen. Es ist daher schade und schön zugleich, dass Love & Peace im Rahmen des japanischen Filmfests Nippon Connection am 25. und 28. Mai in Frankfurt a. M. gezeigt wird – denn eigentlich hätten es viel mehr Zuschauer verdient, diese seltsame Wundertüte zu sehen.

Dabei ist Love & Peace gar nicht mal so typisch für Sono, zumindest streckenweise gar erschreckend gewöhnlich. Ein Mann wird zum Rockstar und vergisst dabei, wo er herkommt: Die überbordende Fantasie des Dauerexzentrikers wurde dadurch wohl kaum gefordert. Sicher, die Musik ist etwas schräger, dazu gibt es ein paar mediensatirische Einschläge. Ansonsten aber ist der Film da einem Can A Song Save Your Life? deutlich näher als den Werken, die wir sonst so von dem Japaner kennen. Erschwerend kommt hinzu, dass der zu Beginn mit ständig verzerrtem Gesichtsausdruck durch die Gegend laufende Ryoichi recht schnell das eigene Nervenkostüm in Anspruch nimmt.

Aber es ist eben nur ein Handlungsstrang. Deutlich skurriler und spannender wird es unter der Erde, wenn vergessene Spielzeuge und verstoßene Haustiere in einer Art Wunderland ein neues Zuhause finden. Das erinnert ein wenig an andere Spielzeuge-erwachen-zum-Leben-Filme wie Toy Story oder Toys in the Attic, bekommt zum Ende hin auch eine wehmütige Note. Und ist doch auch vom trashigen Geiste Sonos beseelt, versucht nicht einmal, den grotesken Stop-Motion-Szenen Grazie zu verleihen. Wie so oft bei dem Japaner hat Love & Peace etwas Billiges an sich, sieht aus wie ein B-Movie aus der Krabbelkiste.

Eigentlich passt das alles auch gar nicht so wirklich zusammen: die traurigen Schicksale der Ausgetoßenen und die Slapstickmomente, die satirischen Elemente und der Hang zum Kitsch, eine banal-gewöhnliche Geschichte und eine, wie sie aus der geschlossenen Anstalt geflüchtet zu sein scheint. Und spätestens wenn zum Schluss Weihnachten auf Kaiju trifft, wird ohnehin die Grenze des Vorstellbaren gesprengt – selbst in seinen gewöhnlichsten und familienfreundlichsten Momenten unterwandert Sono alle Erwartungen. So sehr, dass man das Gefühl hat, jegliche Bewertung würde sich verbieten. Skalen und Kriterien? Die sind für andere Leute da, ein Sono funktioniert nach eigenen Regeln. Welche das sind, darüber kann man lange diskutieren. Und in der Zwischenzeit darf man sich auch außerhalb der Feiertage von einem Film das Herz wärmen lassen, der so bescheuert rührend ist, dass man sich ein Grinsen kaum verkneifen kann.



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„Love & Peace“ ist ein typischer Sion-Sono-Film. Und dann auch wieder nicht. Streckenweise schrecklich gewöhnlich schmeißt der Japaner hier Elemente und Szenen zusammen, die das eigentlich gar nicht dürfen, aber genau deshalb funktionieren und einem zum absurden Finale hin sogar das Herz kräftig erwärmen.
7
von 10