Dornröschen
© Disney

(„Sleeping Beauty“ directed by Les Clark, Eric Larson, Wolfgang Reitherman, Clyde Geronimi, 1959)

DornröschenJahrelang hatten sie vergeblich auf Nachwuchs gehofft. Als doch noch ein Kind ansteht, beschließen König Stefan und seine Frau, dieses freudige Ereignis groß zu feiern und laden das gesamte Königreich zu sich ein. Mit einer Ausnahme: Malefiz. Die von allen gefürchtete Hexe lässt es sich jedoch nicht nehmen, trotz allem an den Feierlichkeiten teilzunehmen, wo sie aus Rache für die Schmach Prinzessin Aurora mit einem Fluch belegt. Noch ehe das Mädchen seinen 16. Geburtstag erlebt, soll es sich an einer Spindel stechen und daran sterben. Die drei Feen, welche ebenfalls anwesend sind, können den Fluch zwar nicht aufheben, aber doch zumindest verwandeln. Aurora soll durch den Stich nicht sterben, sondern in einen tiefen Schlaf fallen, aus dem sie nur durch einen Kuss geweckt werden kann. Und um ganz sicher zu gehen, dass Malefiz die Prinzessin nicht in die Hände bekommt, nehmen die drei das Kind mit in den Wald, wo sie es als das eigene aufziehen.

Disney und Märchen, das ist eine so naheliegende Kombination, dass man hierbei schnell vergisst, dass es im Laufe der Zeit nur relativ wenig Filme gab, die tatsächlich auf alten Geschichten basierten. Und daran ist Dornröschen nicht unschuldig. Nachdem Cinderella zuvor bei Kritikern wie Publikum ein großer Erfolg gewesen war, wurde bald der Plan gefasst, auch Charles Perraults „La belle au bois dormant“ („Die schlafende Schöne im Wald“) zu adaptieren. Während man sich beim Grundsatz schnell einig wurde, hakte es jedoch bei den Detailfragen. Sowohl inhaltlich wie auch visuell prallten die Meinungen aufeinander, jahrelang wurden Ideen ausprobiert, wieder verworfen und dabei viel gestritten. Acht Jahre sollte es daher dauern, bis Dornröschen 1959 in die Kinos kam, war der mit Abstand teuerste Film des Mäusekonzerns geworden. Und enttäuschte anschließend an den Kinokassen, weshalb das Thema Märchen anschließend dreißig Jahre ruhte, bis Arielle die Meerjungfrau.

Dass ein derartiger kommerzieller Fehlschlag nicht zwangsweise auf die Qualität zurückzuführen ist, hatte einige Jahre zuvor schon Alice im Wunderland bewiesen, das ebenfalls zu Unrecht geschmäht worden war und erst später zum Klassiker wurde. Woran es nun hier gehapert hat, das lässt sich nur spekulieren, gerade auch weil die Geschichte von der in Schneewittchen und die sieben Zwerge etablierten Formel kaum abweicht: In beiden Fällen weckt eine schöne junge Adlige den Zorn einer alten missgünstigen Frau, findet Zuflucht bei freundlichen Kreaturen im Wald, wird dennoch zum Opfer und am Ende durch einen stattlichen Prinzen gerettet. Wer die Geschichte des einen Films mochte, sollte daher auch an dem anderen Gefallen finden.

Der Inhalt ist dann auch die große Schwachstelle von Dornröschen. Nicht nur dass die Geschichte naturgemäß sehr simpel ist und klassischen Schemata folgt, die Hauptfigur ist zudem sehr blass. Die verfluchte Prinzessin ist zwar der Mittelpunkt des Märchens, treibt es jedoch kaum selbst voran: Sie handelt nicht wirklich, spricht kaum, ist nur der Spielball böser wie guter Mächte. Das mag früher als Identifikationsfigur kleiner Mädchen gepasst haben, die davon träumen, durch Prinzen gerettet zu werden. Heute ist das Konzept aber natürlich hoffnungslos antiquiert.

Glücklicherweise erkannte auch Disney das Problem und schenkte dem Film gleichzeitig einige äußerst erinnerungswürdige Nebenfiguren. Herausragend ist dabei vor allem die diabolische Malefiz, die aufgrund ihres Designs und auch ihrer bedrohlich-verzaubernden Art zu den stärksten Antagonisten im gesamten Werk der Animationsmeister zählt – nicht ohne Grund wurde sie 2014 in der Neuerzählung Maleficent zur eigentlichen Hauptfigur befördert. Ebenfalls sehr schön sind die kleinen, etwas pummeligen Feen, die mit ihren ungeschickten Versuchen, ein Leben ohne Magie zu führen, und ihren kleinen Streitereien für die komischen Elemente zuständig sind.

Insgesamt ist der Humor jedoch etwas reduzierter, was Dornröschen zusammen mit der andersartigen Musik etwas weniger zugänglich gemacht. Mitsingnummern sind in dem Film Mangelware, von dem majestätischen „Once Upon A Dream“ einmal abgesehen. Stattdessen wurden Nummern aus Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Ballettfassung des Märchens adaptiert, die dem Film etwas Getragenes geben. Dieser Bezug auf früher ist aber nirgends deutlicher als in der Optik, die auch mehr als 50 Jahre später Maßstäbe setzt. Inspirieren ließ man sich bei den wunderschönen, detaillierten Hintergründen von zahlreichen Vorbildern von mittelalterlichen Teppichen bis hin zu Gemälden aus der italienischen Renaissance. Da auch die Animationen keine Wünsche übrig lassen und die Farben sehr ausdrucksstark verwendet wurden, ist Dornröschen einer jener Filme, die völlig abseits der Zeit zu leben scheinen und damit bis heute ohne Einschränkungen sehenswert sind.



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Seinerzeit eher unbeliebt ist „Dornröschen“ einer der großen Klassiker im Disney-Gesamtwerk. Geschichte und Hauptfigur sind dabei nicht übermäßig interessant, das wird durch eine fantastische Gegenspielerin, witzige Nebenfiguren und wunderschöne Hintergründe aber mehr als wett gemacht.
8
von 10