Anina

(„Anina“ directed by Alfredo Soderguit, 2013)

Anina
„Anina“ erscheint am 19. Februar auf DVD

Nachdem es in den letzten beiden Ausgaben unseres fortlaufenden Animationsspecials etwas düster zuging (Maus & Sohn, Paranoia Agent), stellen wir in Teil 93 einen Film vor, der gerade für Kinder sehr wertvoll ist, in dem sich aber auch Erwachsene wiederfinden dürfen.

Blöder Papa und seine Liebe für Palindrome! Soll er sich doch allein mit Wörtern unterhalten, die von vorne und hinten gleich gelesen werden. Aber muss er auch noch der Tochter einen solchen Namen geben, zumal ja schon die Nachnamen diesem Muster folgen? Die 10-jährige Anina Yatay Salas leidet sehr unter ihrem besonderen Namen, der sich aus gleich drei rückwärts-wie-vorwärts-Wörtern zusammensetzt. Während ihre Familie sehr stolz auf diese Kreation ist, muss sich das Mädchen an der Schule immer wieder Gemeinheiten anhören. So auch von Aninas Rivalin, die sie selbst als Elefant beschimpft und mit der sie eines Morgens am Schulhof aneinandergerät. Zur Strafe hat sich die Schulrektorin etwas Besonderes einfallen lassen: Die Mädchen müssen jeweils eine Woche einen versiegelten schwarzen Umschlag mit sich tragen, der ein Geheimnis enthält, den sie aber nicht öffnen dürfen.

Animationsfilme, die kennen wir traditionell aus den USA, Europa oder Japan. In der letzten Zeit wagten sich aber auch erfreulich viele südamerikanische Vertreter hierher und zeigten sich, zumindest teilweise, als echte Alternativen. Im argentinischen Fußball durften kleine Tischfußballfiguren ein großes Abenteuer erleben, Rodencia (Argentinien/Peru) erzählte eine klassische Geschichte um ein Mäusekönigreich, vor allem aber Der Junge und die Welt aus Brasilien bewies mit seinen ungewöhnlichen Mal- und Zeichentechniken, dass abseits der bewährten Filmnationen kleine Juwelen zu finden sind. Als solches darf man auch die kolumbianisch-uruguayische Koproduktion Anina bezeichnen, das sich qualitativ irgendwo dazwischen einsortiert und auch technisch einen Mittelweg einschlägt: Der Computer kommt zwar zum Einsatz, Regisseur Alfredo Soderguit setzt aber auf eine handgezeichnete Optik.

Das Ergebnis ist ungewöhnlich, aber – auch deswegen – reizvoll. Die Köpfe der Kinder sind zu groß, eine Mischung aus Mangafiguren und den Peanuts, die Körperpartien eckig und stilisiert. Die Hintergründe wurden eher einfach gehalten, haben aber doch kleine liebevolle Details und erlauben sich auch eine Schmutzigkeit, die von den großen Studios längst glattpoliert würde. Wir bekommen auch weder die knallbunten Farben noch das Effektgewitter um die Augen geworfen, mit denen Animationsfilme heutzutage das Publikum zu blenden versuchen. Hier ist alles etwas bescheidener und geerdeter. Ein bisschen altmodisch wirkt Anina deshalb dann auch. Aber das auf eine wohltuende und charmante Weise, nimmt uns mit zurück in unsere Kindheit – visuell wie inhaltlich.

Tatsächlich besticht die Verfilmung eines Buches des uruguayischen Autos Sergio López Suárez gerade dadurch, dass sie einen die Welt wieder durch Kinderaugen sehen lässt, in der selbst kleine Dinge riesengroß erscheinen. Ein Name als tagtägliche Quelle des Leids? Das erscheint als Erwachsener absurd. Wer sich aber gerade erst noch im Leben zurechtfinden muss, der kann selbst über so etwas stolpern. Besonders Kinder werden deshalb mit der jungen Protagonistin mitfühlen können, die sich nicht nur mit blöden Mitschülern herumplagt, mit fiesen Lehrern und peinlichen Eltern. Sondern auch mit verwirrenden Gefühlen einem Schulkamerad gegenüber.

Manchmal verlässt Anina den sehr alltagsbezogenen Pfad, wird in kleineren Traumsequenzen surreal, sogar ein bisschen unheimlich. Am Ende steht jedoch eine lebensbejahende Coming-of-Age-Geschichte, die mit viel Witz und Herz dem jungen Publikum etwas für den eigenen Weg mitgeben will, für gegenseitiges Verständnis und Selbstbewusstsein wirbt. Aber auch Erwachsene dürfen hier etwas lernen, zumindest wenn sie ihre Spanischkenntnisse auffrischen wollen: Anina erscheint im Rahmen der Reihe Cinespañol, welche hierzulande das spanischsprachige Kino näherbringen will, gerade eben auch in Bezug auf die Sprache. Eine deutsche Synchronisation ist daher tabu, lediglich Untertitel werden angeboten. Die gibt es dafür netterweise auch auf Spanisch, um so den fortgeschrittenen Lernenden eine Hilfestellung zu geben, die den Film nur in der Originalsprache sehen wollen, ihren eigenen Ohren aber nicht vertrauen.



(Anzeige)

„Anina“ ist ein wohltuend altmodischer Animationsfilm, der mit Witz und Charme die Geschichte eines Mädchens erzählt, welches unter seinem ungewöhnlichen Namen und kleinen Alltagsproblemen leidet. Das ist alles bewusst etwas einfacher gehalten und schafft es auch deshalb sehr schön, die Welt aus Kinderaugen zu sehen.
7
von 10