Robinson Crusoe
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(„Robinson Crusoe“ directed by Vincent Kesteloot and Ben Stassen, 2015)

„Robinson Crusoe“ läuft ab 4. Februar im Kino

Die tierischen Bewohner der kleinen Insel staunen nicht schlecht, als dieses große Etwas angespült wird und ein schlaksiger Zweibeiner plötzlich am Strand herumläuft. Wer oder was ist das? Am liebsten wären sie den Fremden ja gleich wieder losgeworden. Nur Papagei Ara traut sich näher heran, weil er schon immer der Überzeugung war, dass da jenseits des Wassers noch eine andere, größere Welt auf ihn wartet. Und tatsächlich entpuppt sich der Riese namens Robinson Crusoe als freundlich, zeigt ihm und den anderen, wie sie ein echtes Heim errichten können. Dabei haben sie aber die Rechnung ohne zwei fiese Katzen gemacht, die gemeinsam mit dem Menschen die Insel erreicht haben.

Während der europäische Animationsbereich zu Zeiten des Zeichentricks durchaus mit dem amerikanischen mithalten konnte, ihn in künstlerischer Hinsicht teilweise sogar übertraf, hat man bei der inzwischen gängigen 3D-Computertechnik doch deutlich den Anschluss verloren. Sieht man einmal von Illumination Mac Guff ab, die zusammen mit Universal immerhin für Ich – einfach unverbesserlich und Der Lorax verantwortlich waren, bleibt nicht mehr viel übrig. Lediglich der Belgier Ben Stassen darf da noch dank Sammys Abenteuer und Das magische Haus international ein wenig mitreden.

Zu sehen gibt es mehr als genug, Robinson Crusoe gehört sicher zu den schönsten Animationsfilmen, den der alte Kontinent in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Vor allem die farbenfrohen Naturaufnahmen – sonst oft ein Manko in nicht ganz so hoch büdgetierten Filmen – sind äußerst gelungen. Die Abwechslung hält sich angesichts des beschränkten Settings naturgemäß zurück, was da ist, gefällt aber dem Auge, lädt ein, immer wieder den Blick schweigen zu lassen. Auch beim Wasser und den Figuren wurden die Hausaufgaben gut erfüllt, gleiches gilt für das Schiff, mit dem Robinson anfangs unterwegs ist. Wenn überhaupt, dann stechen allenfalls gelegentlich suboptimale Effekte wie bei dem Feuer negativ hervor.

Wenn über den Film gemeckert werden darf und muss, dann betrifft das nicht die Technik, sondern den Inhalt. Schon die Entscheidung, die Perspektive zu wechseln, die Geschichte nicht durch Crusoe, sondern die Tiere erzählen zu lassen, ist etwas zwiespältig. Auf der einen Seite gibt sie dem vielfach verfilmten Buch von Daniel Defoe einen neuen Dreh. Mit dem Original hat das Ganze dann aber kaum mehr etwas gemeinsam. „Robinson Crusoe“, das war immer eine Mischung aus Abenteuer und Drama gewesen, das Schicksal eines Mannes, der sich völlig allein in einer fremden Welt durchschlagen muss. Von diesen harten Aufgaben ist hier nichts mehr übrig, angesichts der zahlreichen und aufdringlichen Tiere bleibt für Einsamkeit oder existenzielle Gedanken kein Platz mehr. Zugegeben: In einem Animationsfilm für Kinder wäre das vielleicht auch unangebracht gewesen. Wenn man aber die Grundessenz einer Geschichte aber derart stark verändert, hätte es am Ende die Vorlage nicht mehr gebraucht.

Schlimmer aber noch ist, dass abgesehen von eben jenem Perspektivenwechsel offensichtlich keiner der drei Drehbuchautoren so richtig wusste, was mit dem Szenario anzufangen ist bzw. wie man die anderthalb Stunden füllen kann. Etwas mit Humor sollte es sein, so viel ist klar. Und so dürfen wir auch Slapstickeinlagen am laufenden Band sehen, dazu ein paar Wortspiele. Nur dass beides trotz der prominenten Synchronsprecher (Matthias Schweighöfer, Dieter Hallervorden, Kaya Yanar, Cindy aus Marzahn, Aylin Tezel) nicht so richtig witzig ist, da braucht es schon ein wenig mehr, als dass Protagonisten durch die Gegend rennen und gegen irgendwelche Sachen krachen. Nach einem ziemlich zähen, mitunter wenig nachzuvollziehenden Mittelteil darf immerhin zum Schluss das Tempo noch einmal richtig angezogen werden. Wenn beim Finale alles drunter und drüber geht, die Insel zum Schauplatz einer irrwitzigen Verfolgungsjagd wird, dann ist das zwar auch nicht tiefsinniger als der Rest, dafür aber immerhin unterhaltsam. Die Aufmerksam des jungen Zielpublikums hat der Film, kaschiert mit seiner frenetischen Energie die inhaltliche Leere. Von einem der führenden Animationskünstler Europas darf man aber trotzdem mehr erwarten.



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Mit der literarischen Vorlage hat „Robinson Crusoe“ kaum mehr etwas gemeinsam. Anstatt Überlebenskampf auf einer gefährlichen Insel gibt es hier mäßigen Tierslapstick, inhaltlich hat der Animationsfilm wenig zu bieten. Dafür ist die Optik größtenteils gelungen, gehört zusammen mit dem temporeichen Finale zu den Pluspunkten des Films.
5
von 10