Scherbenpark

Scherbenpark

(„Scherbenpark“ directed by Bettina Blümner, 2013)

SPA_DVD_Cover.indd„Manchmal denke ich, ich bin die einzige in unserem Viertel, die noch Träume hat. Ich hab zwei: Ich will meinen Stiefvater Vadim töten. Und ich will ein Buch schreiben über meine Mutter.“

Ganz alltäglich sind diese Träume sicher nicht. Wer aber den Alltag von Sascha Naimann (Jasna Fritzi Bauer) kennt, der versteht warum. Seitdem ihre Mutter von deren zweiten Ehemann erschossen wurde, muss sich die 17-Jährige alleine durchschlagen und sich dabei auch noch im ihre beiden jüngeren Halbgeschwister kümmern. Das ist nicht ganz einfach, denn der Plattenbau „Scherbenpark“, in dem sie wie so viele andere Exilrussen leben, ist geprägt von einem gewaltsamen Umgang und Perspektivlosigkeit. Erst als sie Chefredakteur Volker (Ulrich Noethen) und Felix (Max Hegewald) kennenlernt und vorübergehend bei ihnen einzieht, darf sie einen Blick auf eine ganz andere, vermeintlich bessere Welt werfen.

Das Milieu des tristen Plattenbaus ist Bettina Blümner bestens vertraut, wurde die deutsche Regisseurin doch mit dem Dokumentationsfilm Prinzessinnenbad bekannt. Dieses Mal nähert sie sich dem Thema zwar aus der fiktionalen Perspektive – Scherbenpark ist die Verfilmung des gleichnamigen Jugendromans von Alina Bronsky – doch das Prinzip ist recht ähnlich. Auch hier folgen wir einem Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenendasein, mit einem unbändigen Willen zwar, aber gleichzeitig getrieben von ihren Lebensumständen. Und wenn man sich Nachbarin Anna (Maria-Victoria Dragus) anschaut, die unbedingt schwanger werden will, um nicht weiter Mathe lernen zu müssen, kann man sich lebhaft vorstellen, wie diese aussehen.Scherbenpark Szene 1

Scherbenpark ist aber keine reine Milieustudie zu der Lebenssituation von Russlanddeutschen oder dem Alltag in Plattenbauten. Später wird mindestens ebenso viel Zeit auf die ersten sexuellen Erfahrungen von Sascha verwendet und die komplizierte Beziehung zu Felix. Von da an läuft die Geschichte jedoch ein wenig aus dem Ruder. Nicht nur die junge Heranwachsende ist auf der Suche nach Orientierungspunkten, der Film wandert ebenso ziellos herum und man beginnt sich zu fragen, worüber er eigentlich sprechen möchte. Erschwerend kommt hinzu, dass Sascha bis zuletzt ungreifbar bleibt, viel mehr als ihre Wut bekommen wir nicht von ihr zu sehen.

Die ist dafür sehr sehenswert geworden. Jasna Fritzi Bauer durfte ja schon in dem Tourette-Syndrom-Drama Ein Tick anders und der wunderbaren Echtzeitserie Zeit der Helden zeigen, dass ihr Platz eigentlich in der ersten Reihe der deutschen Schauspieler zustehen würde. Und diesen Eindruck bestätigt sie auch hier, wenn sie durch die Landschaft zetert und spuckt, sich wirklich mit jedem anlegt, der ihr vor die Füße läuft. Dass sie für diese Leistung beim Festival Max-Ophüls-Preis die Auszeichnung als Beste Nachwuchsdarstellerin erhielt, ist nur mehr als gerecht. Denn wenn es einen Grund gibt, sich das Coming-of-Age-Drama anzuschauen, dann ist sie es.Scherbenpark Szene 2

Trotzdem würde man sich wünschen, dass sie eine etwas interessantere Rolle gehabt hätte. Wenn sie selbst für Nachbar Peter (Vladimir Burlakov), der ihr bei jeder Gelegenheit beisteht, nur Hohn und Spott übrig hat, mag das im Hinblick auf ihre Vergangenheit plausibel sein. Sympathisch macht die das jedoch nicht. Vor allem lässt der Film eine tatsächliche Entwicklung vermissen. So faszinierend Saschas Herumwüten auch ist, auf Dauer ist es doch irgendwo ermüdend.

Scherbenpark ist seit 23. Mai auf DVD erhältlich



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Mit einer starken Leistung macht sich Jasna Fritzi Bauer das Coming-of-Age-Drama zu eigen. Die Romanverfilmung krankt aber ein wenig an der mangelnden Entwicklung der Hauptfigur und seiner thematischen Unentschlossenheit.
6
von 10