Byzantium

Byzantium

(„Byzantium“ directed by Neil Jordan, 2012)

Byzantium„Ich laufe, und die Vergangenheit läuft neben mir. Sie lebt.“

Allgegenwärtig, lebendig und dabei doch allein – seit 200 Jahren trägt die so jung wirkende Eleanor (Saoirse Ronan) ein Geheimnis in sich, das niemand kennt, niemanden kennen darf. Eleanor ist ein Vampir, kauft sich ihr jugendliches Aussehen und ihre Unsterblichkeit, indem sie das Blut anderer Menschen trinkt. 200 Jahre, in denen sie immer wieder Menschen begegnet, ihnen aber nichts anvertrauen, ihnen nicht ihre Geschichte erzählen kann. Und so wählt die für immer 16-Jährige die Einsamkeit, vertraut ihr Schicksal nur dem Wind an, den Vögeln, wer auch immer ihre Tagebucheinträge zu sehen bekommt, die sie regelmäßig schreibt. Und dann wieder fortwirft.

Clara (Gemma Arterton) ist da anders. Verbringt die eine ihre endlosen Tage als Einzelgängerin, begibt sich die ältere Vamipirin mitten unter die Menschen, verkauft ihnen Geschichten und ihren Körper. Doch die Wahrheit, die behält auch Clara für sich. Und das nicht nur, um das Umfeld nicht aufzuschrecken. Seit ihrer Erschaffung vor zwei Jahrhunderten sind die beiden Frauen auf der Flucht vor einer Bruderschaft, welche die beiden tot sehen will. Richtig tot, wohlgemerkt. Als Eleanor sich aber in den jungen Frank (Caleb Landry Jones) verliebt und will, dass er der einzige Mensch ist, der ihre wahre Identität kennt, gerät nicht nur seine Welt aus den Fugen.

Auch wenn seither „erst“ neunzehn Jahre vergangen sind, kommt es einem doch wie eine Ewigkeit her, als Regisseur Neil Jordan mit Interview mit einem Vampir das erste Mal einen Film über das Schicksal der blutdurstenden Untoten drehte. Seither hat sich viel in dem Genre getan. Früher als eindeutige Gegenspieler in Horrorfilmen konzipiert, stehen Vampire heute selbst im Mittelpunkt und werden dabei meist zu tragischen Figuren. Das ist oft richtig sehenswert, etwa im schwedischen So finster die Nacht, dessen US-Remake Let Me In oder auch dem Independentstreifen Midnight Son. Eine Weile sieht es so aus, als würde Byzantium sich jedoch stärker an der deutlich populäreren Twilight-Reihe orientieren, wenn Jordan von der knospenden Liebe zwischen Vampir und Mensch erzählt, ganz so kitschig wird es hier dann aber zum Glück nicht.Byzantium Szene 1

Falls es der irische Regisseur auf die große Zielgruppe des Teenie-Blockbusters abgesehen haben sollte, funktioniert hat es nicht. War Interview mit einem Vampir 1994 noch mit enormem Marketingbudget dem Filmpublikum ins Bewusstsein gehämmert worden, war man hier doch bescheidener. Viel bescheidener. In den USA lief Byzantium nur in ausgewählten Kinos, in Deutschland wurde er nur im Rahmen des Fantasy Filmfests gezeigt. Dabei hat auch Jordans zweiter Vampirbeitrag eine Menge zu bieten, und das gerade auf der Darstellerseite. Saoirse Ronan (Abbitte, Violet & Daisy), Gemma Arterton (Ein Quantum Trost), Sam Riley (On the Road), Thure Lindhartd (3096 Tage) und Jonny Lee Miller (Dark Shadows) mögen nicht das Massenpotenzial von Tom Cruise oder Brad Pitt seinerzeit haben, erledigen ihre Aufgaben aber gut. Im Fall der beiden Hauptdarstellerinnen sogar sehr gut.

Und auch die Geschichte hat ihre interessanten Punkte. Natürlich lässt sich bei einem derart oft verfilmten Thema das Rad nicht völlig neu erfinden, Byzantium gibt dem Ganzen aber einen feministisch angehauchten Dreh, erzählt von Selbstbehauptung, gerade auch der männlich dominierten und arroganten Bruderschaft gegenüber. Ebenso reizvoll ist das Davor, die Frage, wie die beiden Frauen zu dem wurden, was sie heute sind. In Rückblenden, durch Erinnerungen oder auch Gesprächsfetzen werden nach und nach die Einzelheiten preisgegeben, die Geschichte, die Eleonora immer wieder schreibt und fortwirft, doch noch zusammengesetzt.Byzantium Szene 2

Aber dieses „nach und nach“ ist auch das größte Problem von Byzantium: das Tempo. Es passiert relativ wenig. Nur am Anfang und zum Schluss wird an der Spannungsschraube gedreht und an die Horrorursprünge des Vampirs erinnert, ansonsten besteht der Film größtenteils aus Gesprächen, Monologen, manchmal auch nur aus wortlosen Spaziergängen von Eleonora. Das führt dazu, dass sich das zweistündige Drama immer mal wieder etwas zieht, man das Gefühl hat, es würde nichts vorangehen. Geduld sollte man also schon mitbringen und auch ein Faible fürs Audiovisuelle. Wer Letzteres hat, darf sich über beeindruckende Aufnahmen freuen – mal betörend, dann wieder verstörend – und die Musik von Javier Navarrete (Pans Labyrinth). Denn der Spanier hat einen Score gefunden, der so ist wie der Film selbst: melancholisch, langsam, manchmal erdrückend, aber oft genug auch wunderschön.



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Fast zwanzig Jahre nach Interview mit einem Vampir kehrt Regisseur Neil Jordan zu dem Thema zurück und erzählt die tragische, feministisch angehauchte Geschichte von zwei weiblichen Blutsaugerinnen. Das ist vor allem dank der beiden Hauptdarstellerinnen sehenswert. Aber auch die die schönen Bilder und die Musik wissen zu gefallen. Zwischendurch kommt es jedoch immer wieder zu Längen.
6
von 10