Nur für einen Tag Partir un jour
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Nur für einen Tag

Nur für einen Tag Partir un jour
„Nur für einen Tag“ // Deutschland-Start: 2. Oktober 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Durch ihre Auftritte in einer Reality-TV-Show ist Cécile (Juliette Armanet) landesweit bekannt geworden. Doch die Köchin verfolgt ein höheres Ziel: Sie will gemeinsam mit ihrem Partner Sofiane (Tewfik Jallab) ein eigenes Gourmetrestaurant eröffnen. Während sie aber noch darüber diskutieren, mit welchem Gericht sie auf sich aufmerksam und das Publikum gewinnen möchte, erfährt sie, dass ihr Vater Gérard (François Rollin) einen Herzinfarkt erlitten hat. Und so kehrt sie in ihre provinzielle Heimat zurück, wo ihre Familie eine Fernfahrerkneipe betreibt, um ihrer Mutter Fanfan (Dominique Blanc) zur Hand zu gehen. Doch das gestaltet sich alles schwieriger als gedacht. Nicht nur, dass Gérard es nicht lange im Krankenhaus aushält und es rasch zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Cécile begegnet auch noch ihrer alten Jugendliebe Raphaël (Bastien Bouillon) …

Ein doppeltes Debüt

Eigentlich sollte man meinen, dass die Filmfestspiele von Cannes in ihrer langen Zeit so ziemlich alles schon einmal gesehen haben, von künstlerischen Triumphen bis zu Vollkatastrophen, von Comebacks bis zu Skandalen. Und doch war die 2025 in einer Hinsicht etwas Besonderes: Eröffnet wurde das Festival erstmals von einem Debütfilm – bei der 78. Ausgabe wohlgemerkt. Zwar ist es inzwischen üblich, dass es zum Auftakt einen französischen Film gibt – in den letzten Jahren liefen Final Cut of the Dead (2022) von Michel Hazanavicius, Jeanne du Barry – Die Favoritin des Königs (2023) von Maïwenn und The Second Act (2024) von Quentin Dupieux. Nur waren die eben von etablierten Filmschaffenden, während die meisten die Regisseurin Amélie Bonnin vor Nur für einen Tag nicht gekannt haben dürften. Auch bei der Besetzung ist niemand dabei, mit dem man international viel Werbung betreiben könnte.

Eingeweihte hatten Bonnin hingegen schon auf dem Schirm. Schließlich basiert ihr Debüt auf dem Kurzfilm Raus aus der Provinz, der im Französischen ebenfalls Partir un jour heißt und für den sie immerhin einen César gewonnen hat. Die Geschichte ist bei beiden ähnlich, es geht jeweils darum, dass ein in der Stadt lebender Mensch in die Heimat zurückkehrt und dort eine Jugendliebe wiedertrifft. Die beiden Figuren wurden zudem jeweils mit Juliette Armanet und Bastien Bouillon besetzt, auch dabei gab es also Kontinuität. Um eine bloße Neuauflage handelt es sich bei Nur für einen Tag jedoch nicht. Ähnlich zu The Ballad of Wallis Island, einer weiteren diesjährigen Langfilmfassung eines Kurzfilms, haben sich Bonnin und ihr Co-Autor Dimitri Lucas reichlich Gedanken gemacht, wie sich das Konzept erweitern lässt. Beide Neuauflagen haben zudem gemeinsam, dass es jeweils um eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit geht und die Frage, wie eine Zukunft aussehen kann.

Amüsant und charmant

Ging es in Raus aus der Provinz dabei noch um einen Autor, steht bei Nur für einen Tag nun eine Köchin im Mittelpunkt. Es wurden also Beruf und Geschlecht getauscht. Das klingt erst einmal etwas beliebig. Beides ergibt aber durchaus Sinn. Nicht nur, dass das Essen für eine sinnlichere Komponente sorgt als Literatur. Der Film nutzt das auch, um das komplizierte Verhältnis der Protagonistin zu ihrer Vergangenheit herauszuarbeiten. Auf der einen Seite haben wir die bodenständige Familie mit der Fernfahrerkneipe, auf der anderen die Gourmetköchin aus der Großstadt, die auf die Herkunft herabblickt. Bemerkenswert ist dabei, dass der Film keine Partei ergreift. Wo üblicherweise eine Rückkehr in die Provinz mit einer Verherrlichung einhergeht, da ist das hier ambivalenter. Überhaupt ist der Film überraschend nuanciert und verweigert sich zum Ende hin den Klischees solcher Heimkehr-Liebeskomödien. Zum Teil zumindest.

Das heißt aber nicht, dass der Film komplett ernst wäre. Da sind schon immer wieder amüsante Momente dabei, etwa wenn es in der Familie knallt. Charmant sind zudem die regelmäßigen Musical-Einlagen. Immer wieder stimmen die Leute Lieder an, aus mal mehr, mal weniger angemessenen Anlässen. Wo andere Filmmusicals dabei aber sehr glatt sind und auf Perfektion aus sind, da wird es bei Nur für einen Tag schon mal rau und etwas schief. Damit lassen sich dann vielleicht keine Soundtracks verkaufen, sie machen das Ganze aber menschlicher. Man hat hier eher das Gefühl, bei einer privaten Karaokeparty dabei zu sein – mit all ihren Vorzügen und Nachteilen. Das Zusammenspiel von Popsängerin Juliette Armanet und Bastien Bouillon (In der Nacht des 12., Monsieur Aznavour) trägt auch dazu bei, dass diese Tragikomödie tatsächlich sehenswert ist. Ob sie unbedingt als Eröffnungsfilm hätte gezeigt werden müssen, darüber lässt sich sicher diskutieren. Aber es ist doch ein schönes Debüt geworden, welches zwar Altbekanntes erzählt, dabei jedoch eigen genug ist, um in Erinnerung zu bleiben.

Credits

OT: „Partir un jour“
IT: „Leave One Day“
Land: Frankreich
Jahr: 2025
Regie: Amélie Bonnin
Drehbuch: Amélie Bonnin, Dimitri Lucas
Musik: P.R2B, Keren Ann, Zeidel, Thomas Krameyer, Germain Izydorczyk, Emma Prat & Theo Kaiser, Chilly Gonzales
Kamera: David Cailley
Besetzung: Juliette Armanet, Bastien Bouillon, François Rollin, Tewfik Jallab, Dominique Blanc

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseurin Amélie Bonnin zu treffen. Im Interview zu Nur für einen Tag sprechen wir über die Entstehungsgeschichte der Liebeskomödie und die Bedeutung der Musical-Nummern.

Amélie Bonnin [Interview]

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Nur für einen Tag
fazit
„Nur für einen Tag“ begleitet eine angehende Gourmetköchin in ihre alte Heimat, wo sie sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen muss. Das Szenario ist zwar altbekannt, wird hier aber überraschend nuanciert ausgearbeitet. Charmant sind zudem die Musical-Einlagen, die nicht so glattpoliert sind wie gewohnt, sondern auf eine schön menschliche Weise schräg.
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