Fremde Heimat Irak Le parfum d'Irak Flavors of Irak
© Nova Production/Miyu Productions/ARTE France/Lunanime
Fremde Heimat Irak Le parfum d'Irak Flavors of Irak
„Fremde Heimat Irak“ // Deutschland-Start: 11. September 2024 (arte)

Inhalt / Kritik

Viele Filme haben sich in den letzten Jahren mit dem Thema Migration befasst, mit der Suche nach einer neuen Heimat, aber auch Fragen der Identität. Gerade wer in einem Land aufwächst, die Wurzeln aber in einem anderen liegen, muss oft für sich herausfinden, wer er oder sie ist. Ein besonders gelungenes Beispiel hierfür ist The Persian Version, in der autobiografisch gefärbten Tragikomödie geht es um eine junge Frau, die zwischen den USA und Iran hin und her gerissen ist. Bei Fremde Heimat Irak geht es um eine ähnliche Konstellation. Genauer basiert der Film auf den Erinnerungen des französischen Journalisten Feurat Alani, dessen Eltern aus dem Irak kommen. Diese hat er schon mehrfach verarbeitet. Am Anfang stand ein Buch, das aus lauter Tweets bestehen. Später verarbeitete Regisseur Léonard Cohen diese zu einer Serie, später machte er aus dem Stoff diesen Film hier.

Eine doppelte Familiengeschichte

In dieser Fassung wird daraus eine insgesamt kohärentere Version, bewahrt sich aber immer noch einen Teil des Fragmentarischen, wenn wir einzelne Stationen aus dem Leben der Familie durchgehen. Fremde Heimat Irak verbindet dabei mehrere Stränge. Zum einen erzählen Cohen und Alani, wie der Sohn seine Wurzeln sucht und dafür auch in das Land seiner Vorfahren reist. Verbunden wird dies mit Einblicken in die Erfahrungen des Vaters, der wie andere aus dem Irak und der dortigen Diktatur floh. Dessen Verhältnis wird als ambivalent beschrieben. Immer wieder musste der Senior überlegen, wie er mit seiner Heimat umgehen soll, gerade auch mit Saddam Hussein, der andere gnadenlos verfolgte, sie zum Teil aber auch einzubinden versuchte, um seine Macht zu festigen – was die Betroffenen schon in eine Zwickmühle bringen konnte.

Fremde Heimat Irak kombiniert auf diese Weise nicht nur zwei Zeiten, wenn der Film die Lebensgeschichte des Vaters und die Spurensuche des Sohns parallel erzählt. Er vereint zudem persönliche Schicksale mit einer Geschichtsstunde. Für viele hierzulande wird der Irak ein fremdes Land sein, das man allenfalls aus den Nachrichten geht, besonders im Zusammenhang mit den Kriegen. Cohen gewährt jedoch einen Blick hinter die Kulissen, verrät nicht nur, was alles in diesem Land geschehen ist im Laufe der letzten Jahrzehnte, sondern auch, wie sich das anfühlt. Der Vater mag ein Individuum sein und steht doch stellvertretend für die vielen Menschen, die in dem Terror und der Gewalt ihren Platz suchten, sich überlegen mussten, wie sehr sie diesen Kampf gegen das Regime führen wollten oder nicht.

Persönlich und doch universell

Diese spezifischen Passagen, die sich mit der Historie des Iraks befassten, bieten dabei zugleich viele universelle Themen, die dem Publikum Möglichkeiten zur Identifikation bieten. Wenn sich Alani fragt, wer er ist und wohin er gehört, dürfte er sehr vielen aus dem Herzen sprechen, die durch ihren Migrationshintergrund in einer ähnlichen Situation sind. Aber auch wer nicht mit verschiedenen Nationalitäten ringt, wird sich bei Fremde Heimat Irak in vieles hineinfühlen können. Die Suche nach einer eigenen Identität beschäftigt uns ja praktisch alle irgendwann mal, auch wie wir von anderen bestimmt werden, Erwartungen erfüllen müssen, ohne dass wir darauf einen Einfluss hatten.

Klingt verkopft, ist es aber nur zum Teil. Natürlich mangelt es nicht an nachdenklichen Szenen, bei denen der Protagonist sich dem ganzen Themenbereich intellektuell annähert. Fremde Heimat Irak ist gleichzeitig ein Film, der einen emotional nahegehen kann. Das liegt an den Geschichten, den teils grauenvollen Erzählungen, wenn Menschen getötet und gefoltert wurden. Es liegt aber auch an der besonderen Optik, die Cohen verwendet. Der animierte Dokumentarfilm, der 2024 in Annecy Weltpremiere hatte, setzt auf minimalistische Bilder und ausdrucksstarke Farben. Dass die Menschen alle eine rote Hautfarbe haben, auf Gesichter größtenteils verzichtet wird, gibt dem Werk eine ganz eigene Stimmung, ist nah dran und doch entfremdet, ein bisschen traumartig. Sehenswert ist das Ergebnis auf jeden Fall, ein ungewöhnlicher Animationsfilm, der bis weit über den Abspann hinaus Wirkung zeigt.

Credits

OT: „Le Parfum d’Irak“
IT: „Flavors of Iraq“
Land: Frankreich, Belgien
Jahr: 2024
Regie: Léonard Cohen
Drehbuch: Léonard Cohen, Feurat Alani
Musik: Thomas Osterhoff

Bilder

Trailer

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Fremde Heimat Irak
fazit
In „Fremde Heimat Irak“ geht ein französischer Journalist auf Spurensuche und erzählt aus dem Leben seiner irakischen Eltern. Der animierte Dokumentarfilm ist fragmentarisch und umfassend, gibt persönliche Einblicke und ist gleichzeitig doch auch eine Geschichtsstunde, die viele universelle Themen anspricht. Das ist sehenswert, nicht zuletzt wegen der ungewöhnlichen, ausdrucksstarken Optik.
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