Living Large
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Living Large
„Living Large“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Ben liebt Musik! Mit seinen Freunden hat er eine Band, probt ständig und schreibt an Liedern. Er liebt allerdings auch das Essen, womit er ganz nach seinem Vater und seiner Großmutter kommt. Lange hat es ihm nichts ausgemacht, dass er dicker ist als die anderen Kinder. Doch nun, mit 12 Jahren, wird es zunehmend zu einem Problem. Nicht nur, dass er ständig gemobbt wird, sei es von anderen Jugendlichen oder dem Sportlehrer. Er hat sich zudem in seine Klassenkameradin Klara verliebt. Als es ihm irgendwann reicht mit den Hänseleien, beschließt er, eine Diät zu machen und endlich ein Normalgewicht zu erreichen. Das ist aber einfacher gesagt denn getan. Überall lauern Verlockungen, die ihn auf eine harte Probe stellen, zumal das Mobbing dadurch nicht aufhört …

Leben mit Übergewicht

Auch wenn zuletzt empfindliche Rückschläge gab, über lange Zeit zumindest wurden Gesellschaften toleranter, öffneten sich gegenüber Menschen, die irgendwie anders sind. Das zeigt sich auch in Filmen, die oft als Statement für mehr Diversität fungieren, sei es die Herkunft, Überzeugungen oder auch sexuelle Orientierungen bzw. Identitäten. Ein Punkt, der trotz aller Verbesserungen aber nach wie vor schwierig ist, das ist der des Gewichts. Die alten Normen, wie Menschen auszusehen haben und welchen Körperumfang sie haben dürfen, gelten noch immer weitestgehend. Wenn in Touched eine übergewichtige Pflegerin und ein querschnittsgelähmter Patient eine Beziehung eingehen, dann wird das für viele eine richtige Provokation sein. Deutlich bekömmlicher ist da schon Living Large, das sich ebenfalls in diesem Themenumfeld bewegt.

Provokativ ist das hier nicht. Tatsächlich geht die Adaption des Romans La vie, en gros von Mikaël Ollivier eher auf Nummer sicher. So ist Ben durchwegs der Gute, selbst wenn er seine Mängel hat, während seine Mobber als einfach gestrickte Brutalos beschrieben werden, die es auf Schwächere abgesehen haben. Da gibt es keine Ambivalenzen. Es kommt auch nicht wirklich zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema. Der gesundheitliche Aspekt von Übergewicht wird beispielsweise nicht angesprochen. Umgekehrt wird die Körperfülle des Jungen auf familiäre Prägung und mangelnde Selbstkontrolle reduziert. Das ist schon recht simpel, zumal die Auflösung genügsam ist. Dass die Geschichte am Ende gut ausgeht, ist zwar zu erwarten und grundsätzlich in Ordnung. So richtig erarbeitet wurde das aber nicht. Wie das besser geht, zeigt das gleichzeitig veröffentlichte Memoir of a Snail, bei dem es teilweise ebenfalls um Übergewicht geht sowie eine Hauptfigur in der Krise.

Charmante Stop-Motion-Tragikomödie

Beide Filme eint natürlich auch, dass sie mit Puppen bzw. Stop-Motion arbeiten. Regisseurin Kristina Dufková hat dabei zudem offensichtlich eine ähnliche Vorliebe für groteske Figuren wie ihr berühmter australischer Kollege Adam Elliot. Hin und wieder sind da sehr eigenwillige Proportionen dabei. Living Large hat schon auffällige Designs, gibt sich bei der Technik dafür bewusst altmodisch. Die Animationen sind, wie anno dazumal, eher ruppig, die Gesichtsmimik springt wild umher. Zwischendurch kommen noch 2D-Bilder dazu, ein bisschen wie es bei Into the Wonderwoods kürzlich der Fall war, wenn der Protagonist sich in seine Träume rettet. Der Film richtet sich daher schon an ein Publikum, das zumindest bei der Umsetzung ein Herz für das Traditionelle hat.

Dieses darf sich hier dafür wohl und gut aufgehoben fühlen. Die europäische Coproduktion, die beim Animationsfestival in Annecy 2024 Premiere hatte, ist ein charmantes Werk, das zwischen Ernst und Komik wechselt. Zwischendurch wird auch viel gesungen, wenn Ben in der Musik eine Ausdrucksmöglichkeit findet und Gefühlen Raum geben kann, die er sonst in sich hineinfrisst – wortwörtlich. Insofern wäre es Living Large zu wünschen, noch auf weiteren Festivals sowie in regulären Kinos eine Heimat zu finden. Das Thema ist, selbst wenn es nicht ganz tiefgängig behandelt wird, wichtig genug, um sich damit auseinanderzusetzen, unabhängig vom Alter. Man kann aber auch mit dieser etwas anderen Coming-of-Age-Geschichte seinen Spaß haben.

Credits

OT: „Living Large“
Land: Tschechische Republik, Slowakei, Frankreich
Jahr: 2024
Regie: Kristina Dufková
Drehbuch: Petr Jarchovsky
Vorlage: Mikaël Ollivier
Musik: Michal Novinski

Bilder

Trailer

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Living Large
fazit
„Living Large“ begleitet einen 12-Jährigen, der mit seinem Übergewicht hadert und von anderen gemobbt wird. Der Stop-Motion-Film mag bei den wichtigen Themen zwar nicht ganz so sehr in die Tiefe gehen, ist aber charmant und unterhaltsam, woran die schräge Optik auch ihren Anteil hat.
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