Total Trust
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„Total Trust“ // Deutschland-Start: 5. Oktober 2023 (Kino) // 15. Februar 2024 (DVD)

Inhalt/Kritik

Artikel 17 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland lautet wie folgt: „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“ Vereinfacht gesagt erlaubt es das Petitionsrecht jedem deutschen Bundesbürger, sich bei denen da oben schriftlich zu beschweren, ohne Repressalien jedweder Art fürchten zu müssen. In der Volksrepublik China existiert dieses Recht ebenfalls, wenn auch in etwas abgewandelter Form. Petitionen darf jeder gerne an die Regierung schicken – er muss dann eben einfach nur damit leben, im Gegenzug unabhängig vom Inhalt der Adresse 50 Minuspunkte aufgebrummt zu bekommen. Das System sieht glücklicherweise aber auch Möglichkeiten vor, Pluspunkte zu sammeln – mit gerade einmal 300 Stunden Freiwilligenarbeit wäre der so erhaltene Malus beispielsweise bereits wieder egalisiert. Über 190 verschiedene Wege gibt es, Punkte zu akkumulieren – demgegenüber stehen mehr als 1040 Wege, sie zu verlieren. Eine ausgeklügelte, wenn auch deutlich zu Ungunsten des „Konsumenten“ ausgelegte Methode, um den so genannten Sozialkredit zu ermitteln. Die Bank gewinnt immer.

Zensur ist überall

Was die seit 2019 aufgrund ihres Dokumentarfilms Land der Einzelkinder in ihrem Heimatland geächtete und im US-amerikanischen Exil lebende Regisseurin Jialing Zhang nun in Total Trust zeigt, wird wenig Leute überraschen, die sich mit Themen wie Überwachung oder Big-Data-Analyse auseinander gesetzt haben. Die große Mehrheit der Zuschauer wird hier jedoch eine ganze Menge mitnehmen können. Was die Doku international bewirken soll, ist allerdings nicht so ganz klar. Es muss niemand so tun, als wären das inhärent chinesische Zustände. Zugegebenermaßen ist es im Westen lange nicht so extrem und staatlich durchstruktiert wie im fernen Osten. Wer aber seinen Job verliert, weil er sich keiner aufoktroyierten Rhetorik bedienen möchte, wer öffentlich verunglimpft wird, weil er sich auf wissenschaftliche Tatsachen beruft, der wird sich vielleicht schon einmal die Frage gestellt haben, wie weit man hierzulande noch davon entfernt ist.

Insbesondere, da eine interviewte Journalistin die voranschreitende Selbstzensur in der chinesischen Gesellschaft anprangert; die Leute würden sich lieber dem öffentlichen Druck beugen, statt dem Unrecht entgegenzutreten. Das ist etwas, was sich auch hierzulande bei bestimmten Themen sehr gut beobachten lässt. Aber auch was den Einsatz von Technik gegen das Volk anbelangt, gibt es vielerorts bedenkliche Fortschritte.  Dennoch lautet die Antwort gegenwärtig immerhin noch: Ziemlich weit.

Gefährlicher Umgang mit der Wahrheit

Verglichen mit dem, was den in Total Trust vorgestellten Personen widerfährt, ist der Verlust des Broterwerbs kaum mehr als eine Lappalie. Wir erfahren von psychologischen beziehungsweise körperlichen Folterungen. Einer der Protagonisten wurde im Gefängnis regelrecht misshandelt. Nach eigener Aussage kann er deshalb weder Zeige- noch Ringfinger der rechten Hand spüren. Darüber hinaus musste er im Prinzip jedes Mal vorher um Erlaubnis fragen, bevor er sich bewegen durfte. Es ist eine Sache, diese ganzen Dinge zu wissen oder zumindest zu vermuten. Eine ganz andere, sie von den Betroffenen selbst zu hören. Es ist schon gut, dass Zhang diesen Film gemacht hat, auch wenn er nicht dort gezeigt werden wird, wo es am nötigsten wäre. Vielleicht nicht als solche intendiert, sollte er international jedoch als Warnung wahrgenommen werden. Nicht als Warnung davor, wie es in China ist. Sondern als Warnung davor, es in der eigenen Heimat nicht so weit kommen zu lassen. Eine Lösung bietet Zhang nicht an – wie auch? Ist ein solches System erst einmal entsprechend etabliert, ist es immens schwierig, es wieder aufzulösen.

Es darf auch nicht ignoriert werden, dass die meisten Beteiligten hier im schlimmsten Fall ihr Leben für die Dokumentation riskieren – sowohl vor als auch hinter der Kamera. Zhang ist in den USA natürlich relativ sicher, das Kamerateam und einige weitere Crewmitglieder bleiben im Abspann sicherheitshalber anonym. Wie das Material bei all der Überwachung gedreht werden konnte, ist sowieso ein Rätsel für sich. Die vorgestellten Personen wollen anscheinend gar nicht anonym bleiben. Zu wichtig ist es ihnen, auf die nicht hinnehmbaren Missstände hinzuweisen, was auch immer das für ihre eigene Unversehrtheit bedeuten mag.

Credits

OT: „Total Trust“
Land: Deutschland, Niederlande
Jahr: 2023
Regie: Jialing Zhang
Drehbuch: Jialing Zhang, Andreas Pichler
Musik: Jörg Gollasch
Kamera: Cuier (Anonymous), RCS (Anonymous), J.V. Chi (Anonymous)

Bilder

Trailer

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Total Trust
Fazit
"Total Trust" zeigt anhand einiger persönlicher Schicksale das Ausmaß der staatlichen Überwachung und Kontrolle in der Volksrepublik China. Während die Regierung zigtausende Kameras benutzt, um die Regierten auszuspionieren und einzuschüchtern, setzt die Filmemacherin ihre Kamera dazu ein, für die Welt aufzuzeigen, was von den Machthabern totgeschwiegen wird.
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