Einst von seine Eltern ausgesetzt, wächst Ödipus (Franco Citti) als Sohn des Königs von Korinth auf. Bis zu seiner Jugend weiß er nicht von seiner wahren Herkunft, bis ihn einer seiner Altersgenossen eines Tages einen Bastard nennt, was Ödipus zum Anlass nimmt, bei dem König nachzufragen, ob er wirklich sein biologischer Vater sei. Schweren Herzens gesteht man ihm, dass man ihn einst dem sicheren Tod ausgesetzt in der Wüste fand. Daraufhin macht sich Ödipus zum Orakel nach Delphi auf, um einen Hinweis zu erhalten, wo er seine wahren Eltern finden könne. Doch dort wird er mit einer viel schrecklicheren, seltsamen Prophezeiung konfrontiert. Aus Furcht, dass diese seine Adoptiveltern trifft, will Ödipus nicht nach Korinth zurückkehren und macht sich stattdessen nach Theben auf. Als ihn ein Reisender wie einen Bettler behandelt, kommt es zum Kampf, in dessen Folge Ödipus seinen Gegner tödlich verwundet. In Theben angekommen rettet er die Stadt vor der Sphinx, wird zum neuen König ernannt und bekommt Königin Iokaste (Silvana Mangano) zur Frau. Dies ist jedoch nur der Beginn seiner Geschichte.
Biografie und Mythos
Nach Das 1. Evangelium – Matthäus ist Edipo Re – Bett der Gewalt die zweite Regiearbeit von Pier Paolo Pasolini, die auf einem literarischen Werk basiert. Wie schon bei seinen vorherigen Arbeiten fürs Theater und den Film löste auch Edipo Re eine Kontroverse aus, da Pasolini Ödipus zum einen von der gängigen Interpretation der Rolle abwich und zum anderen er der bekannten Geschichte eine sehr moderne Lesart gab. Darüber hinaus setzt sich Pasolini in Edipo Re mit seiner Herkunft auseinander, wenn er beispielsweise erklärt, dass das Kind Ödipus zu Beginn des Films eigentlich er sei und der König Thebens sein Vater (verdeutlicht noch durch das Tragen einer Uniform). Es ist, wie eigentlich alle Filme Pasolinis, ein vielschichtiges, interessantes Werk, das sich vor allem aber mit der Bedeutung des Mythos für unser Leben auseinandersetzt und warum wir diesen Narrativen nicht entkommen können.
Der Dramendichter Sophokles hinterließ nicht viele Werke, doch mit seinen Tragödien König Ödipus und Antigone hat er die Kulturgeschichte maßgeblich beeinflusst. Ein zentraler Punkt beider Dramen wie auch von Pasolinis Film ist die Idee des „unschuldig Schuldig-Seins“, was an und für sich schon eine Provokation für den Zuschauer darstellt. Wie lassen sich die Taten des Ödipus oder der anderen Figuren bewerten vor dem Hintergrund, dass sie Teil einer Prophezeiung und damit außerhalb ihrer Kontrolle lagen? Kann überhaupt eine Befreiung von einem Mythos oder einer Voraussage gelingen? Pasolini stellt diese Fragen in den Vordergrund seiner minimalistischen Inszenierung, die besonders in der zweiten Hälfte einen direkten Verweis auf die heutige Welt macht. Die Figuren, allen voran der von Franco Citti gespielte Ödipus, wie Schachfiguren in einem größeren Spiel, was sie nicht durchschauen, aber deren Sinn sie auch nicht weiter hinterfragen. Das Leid und der Tod, als Folge ihres Handelns, ist Teil eines fatalen Mythos und verursacht beim Zuschauer durchaus das aristotelische Mitleid, doch ebenso ein Weiterdenken, wie es Pasolini wohl provozieren wollte.
Fatale Prophezeiungen
Abgesehen von dem bereits erwähnten kleinen Teil in der zweiten Hälfte des Filmes, hält sich Pasolini mit Bezügen zur Moderne zurück. Die Geschichte soll für sich stehen und der Zuschauer soll die Zusammenhänge verstehen, die bis in die Gegenwart des Publikums reichen. Eine Uniform, die der Vater Ödipus’ trägt, ist ein Hinweis aus den Vater des Regisseurs (der Soldat beim Militär war) und ebenso ein Vorzeichen, in welchen teuflischen Kreislauf dieses Kind hineingeboren wird. Der Prophezeiung ist Folge zu leisten oder es ist alles zu tun, damit dieses nicht eintritt (was es natürlich nur noch schlimmer macht). Das Erschrecken und die Trauer, die Ödipus und Iokaste empfinden, als sie die Wahrheit kennen, lässt die Frage zu, ob es überhaupt je einen Ausweg gab oder sie nur zur willens waren, einen solchen zu finden. Pasolinis Inszenierungsstil hat eine große Wirkung beim Zuschauer, nicht zuletzt dank der Schauspieler und der Kulissen, wobei die karge Landschaft Marokkos den passenden Hintergrund für eine solche Tragödie bietet.
OT: „Edipo re“
Land: Italien
Jahr: 1967
Regie: Pier Paolo Pasolini
Drehbuch: Pier Paolo Pasolini
Kamera: Giuseppe Ruzzolini
Besetzung: Franco Citti, Silvana Mangano, Alida Valli, Carmelo Bene, Julian Beck, Luciano Bartoli
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