La Empresa
© DOK.fest München

La Empresa

La Empresa“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Eigentlich sollte man meinen, dass bei einem Filmprojekt, unabhängig vom Budget, doch alles nach Plan laufen sollte. Jedoch gibt es viele berühmte oder weniger bekannte Beispiele dafür, wie eine solche Planung immer wieder nach hinten losgehen kann, man den Dreh abbrechen muss oder man letztlich einen ganz anderen Film hat als den, welchen man ursprünglich drehen wollte. Ein interessantes Beispiel auf diesem Gebiet ist Terence Dixons Meeting the Man: James Baldwin in Paris, denn was als Dokumentation und Interview mit dem bekannten Autor und Aktivisten geplant war, wurde zu einem Gespräch über Vorurteile, Stereotypen und warum ein Dialog nicht möglich ist, wenn er als Grundlage zwei gegensätzliche Ideologien hat.

Interessant sind solche Projekte vor allem deswegen, weil sie oft ein ganz anderes Thema erforschen und eine oft sehr viel erhellendere Wirkung auf den Zuschauer, auch wenn die Macher nicht selten aus Distanz zu ihren Projekten gehen. Dokumentationen sind von jeher geradezu prädestiniert für eine solche Version des Scheiterns, weil meist wenig auf einem Skript basiert und vieles von diversen anderen Faktoren abhängig ist. Dem Team rund um Regisseur André Siegers ist dieses Konzept wohl nunmehr bekannt, denn als sie ein Projekt in letzter Minute fallen lassen mussten, ergab sich ein neues Thema, dem sie beschlossen, weiter zu folgen, unwissend, wohin sie dieser Weg führen würde.

Die Idee, einen Dokumentation über einen Tourismusbetrieb in Las Vegas zu machen, war eigentlich sicher und alles war geplant, doch dann zerschlug sich kurz nach dem Eintreffen in der Stadt dieser Plan, sodass Siegers und sein Team lange nicht wussten, was genau sie nun machen sollten. Eine Begegnung mit einem aus Mexiko stammenden Gärtner, der zusammen mit ein paar Kollegen die Häuser der Reichen und Schönen herrichtet, brachte die Crew auf ein neues Thema, als er von einem Touristenpark in einer Heimat, einer kleinen Gemeinde im Bundesstaat Hidalgo aufmerksam machte. Das Ergebnis dieses riskanten Entschlusses, den Äußerungen des Mannes nachzugehen, ist La Empresa, eine Dokumentation, die aktuell im Rahmen des DOK.fest München gezeigt wird. Neben den üblichen Attraktionen für Touristen bietet der EcoAlberto nämlich die Möglichkeit, dass man das Erlebnis der illegalen Einwanderung in die USA am eigenen Leibe erfahren kann. Die Ortsansässigen fungieren dabei in unterschiedlichen Rollen, als Grenzschützer, Schlepper oder Drogenhändler, sodass das Erlebnis so authentisch wie nur möglich erscheint.

Inszenierung und Distanz

Zweimal begegnet die Filmcrew dem Gärtner im Laufe ihrer Dreharbeiten: das erste Mal in Las Vegas und danach wieder in seiner Heimat, kurz nachdem er wegen eines Verkehrsdelikt des Landes verwiesen wurde. Auch er wird Teil der Besetzung für die Inszenierung des EcoAlberto und er hofft, nicht nur mit der Zeit seine Papiere in Ordnung zu bringen, sondern auch das nötige Geld aufzutreiben, um zurück in die USA zu kehren, wo der Rest seiner Familie, seine Haus und seine Arbeit auf ihn wartet. Das Bizarre an der Tatsache, dass er in Kürze einen jener Grenzschützer spielen wird, vor dem er schon bald wieder wird fliehen müssen, scheint dem Mann durchaus bewusst zu sein, doch er hat keine andere Wahl in einer Gemeinde, in der das Überleben einer Familie sich nicht zuletzt danach richtet, ob man eine Arbeit im Park hat.

Es sind solche Zufallsbegegnungen und Gespräche, die La Empresa definieren und durch die Siegers und sein Team Aspekte wie die Dynamik der Gemeinde sowie die Abhängigkeit vom Park zeigen, dessen Einnahmen den Bürgern wie auch dem Dorf an sich zugutekommen. Durch eine sich von den Geschehnissen distanzierende Narration wird dem Zuschauer ein Blick auf diese Themen, die  Menschen und den Park an sich gegeben, der sich jegliche Kritik an dem bizarren Angebot des Parks vorbehält. Bisweilen wirkt dieses Unterfangen plan- und orientierungslos, was auch im Kommentar immer wieder erwähnt wird, doch hin und wieder ergeben sich sehr erhellende Momente, die eine andere Sichtweise auf das Thema der illegalen Einwanderung ergeben.

Credits

OT: „La Empresa“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: André Siegers
Kamera: Philipp Dietrich

Bilder

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La Empresa
fazit
„La Empresa“ ist eine Dokumentation über Einwanderung und über Inszenierung und Authentizität. Bisweilen wünscht man sich von dem Film etwas mehr Richtung, doch die Planlosigkeit gibt auch sehr viele interessante Einblicke in ein Thema, welches man immer nur von einer Seite her kennt, aber nie wirklich aus der Sicht der Einwanderer selbst erzählt wird.
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