Medusa
© Drop-Out Cinema

Medusa

„Medusa“ // Deutschland-Start: 1. Dezember 2022 (Kino) // 23. Juni 2023 (DVD/Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Am Tage sind Mariana (Mariana Oliveira) und ihre Freundin Michele (Lara Tremourox) Teil einer Mädchenband, die durch Popsongs mit religiösen Themen die Botschaft des Glaubens unter der Bevölkerung Brasiliens, besonders unter der Jugend des Landes, verbreitet. Sie, wie auch viele andere, sind Anhänger des Pastors und Politikers Guilherme (Thiago Fragoso), der in der nächsten Präsidentschaftswahl antreten will und schon jetzt eine große Schar Gläubiger unter sich versammelt hat. Was Mariana und ihre Freundinnen bei Nacht tun ist dabei ein extremes Beispiel, denn mit weißen Masken bekleidet machen sie die Straßen ihrer Heimatstadt unsicher, vor allem für junge Frauen, die sich sündhaft verhalten, die fremdgehen oder sich zu anrüchig kleiden. Eines Abends jedoch geht eine solche Attacke schief, denn ihrem Opfer gelingt nicht nur die Flucht, Mariana trägt eine Schnittwunde im Gesicht davon, die sie zum einen ihren Job in einer Schönheitsklinik kostet und zum anderen ihr Ansehen in der Gruppe schädigt.

Mithilfe von Michele bekommt sie eine neue Arbeit in einer Klinik, in der sie eine Reihe von Komapatienten betreuen muss. Unter den Patienten, die meisten von ihnen Opfer von Hassverbrechen oder solchen Attacken, wie sie Mariana mit ihren Freundinnen durchführt, vermutet sie eine junge Frau, um die sich eine Legende unter den Jugendlichen rankt, nach der diese Opfer eines besonders schlimmen Angriffs wurde und so etwas wie eine Symbolfigur für alle Sünde sein soll. Was als Plan begann, ihren Ruf wiederherzustellen, hat unerwartete Folgen, denn auf einmal empfindet Mariana Mitleid mit den Menschen, die angegriffen wurden und beginnt damit zu hinterfragen, an was sie überhaupt glaubt.

Neue Identitäten

Hinter Medusa, dem zweiten Spielfilm der Brasilianerin Anita Rocha da Silveira, steckt ein erschreckender Hintergrund, denn in den letzten Jahren konnte man in ihrer Heimat nicht nur ein Wiedererwachen einer sehr rigiden Auslegung von Religion, besonders in Vermischung mit politisch rechtsgerichteten Parteien beobachten, sondern es mehrten sich die Berichte von Angriffen auf junge Frauen, durchgeführt von maskierten Frauenbanden, welche ihre Opfer für deren als unmoralisch empfundenes Verhalten strafen wollten. Die Regisseurin versteht ihren Film daher als eine Reflektion über diese Ereignisse, doch ebenso als ein Bild ihrer Heimat, in dem sich Sorge mit Wut und einer leisen Hoffnung vermischt.

Es sind Bilder, die den Zuschauer an Talentshows denken lassen, wenn Mariana und ihre Freundinnen auftreten und religiös-politische Propaganda, getarnt als Popsongs zum Besten geben und mit diesen bei ihrer Generation nach neuen Anhängern suchen für Männer wie Guilherme. Vieles wirkt in diesem bisweilen sehr in surreal abdriftenden Film weniger wie eine Fantasie oder eine Dystopie, sondern vielmehr wie ein überhöhtes Abbild einer Zeit, in der das Hinterfragen unerwünscht geworden ist und man sich auf traditionell-reaktionäre Werte besinnt. Anita Rocha de Silveiras Film zeichnet sich durch eine ähnliche Wut aus wie die Werke ihres Kollegen Michel Franco, der mit seiner Heimat Mexiko ebenso hart ins Gericht geht, wie die Brasilianerin es tut, und bei dem die Geschichte ebenso changiert zwischen Schönheit, Fantasie und Schock, was Medusa bisweilen sehr nahe an das Horrorgenre bringt. Sie erzählt vom Wiedererwachen des Kollektivs, welches zugleich als Korrektiv der neuen Identität und der damit verbundenen Werte fungiert, doch auch von dem Konflikt des Ich, was sich in der Mari Oliveira gespielten Mariana abzeichnet. Im Verlauf der Handlung entdeckt sie unterdrückte Sehnsüchte, welche eine echte Gefahr für die neue Ordnung darstellen könnten.

Schönheit und Glaube

Entsprechend kontrastreich fällt die Ästhetik des Filmes aus. Die schöne Oberfläche, die es zu wahren gilt, wird kontrastiert von eher dunklen Tönen, wohingegen das Innenleben oder die Fantasie hell gehalten sind und eine Form der Freiheit implizieren, die es in der Wirklichkeit des Filmes nicht gibt. In diesen Momenten wird die Absicht der Regisseurin mehr als deutlich, und scheint die Ernüchterung mit politischen wie auch religiösen Werten sehr klar, zumindest in ihrer extremen Auslegung, wie wir sie in Medusa sehen. Bei all der visuellen Abstraktion, die Medusa auszeichnet, bleibt diese Botschaft jedoch etwas unterkomplex und bisweilen sogar plakativ, was die guten Darstellerinnen nur bedingt auffangen können. In diesem Zusammenhang sei auch die Laufzeit von 127 Minuten zu nennen, die, bedenkt man die gerade erwähnte Botschaft sowie den Weg, wie man zu dieser kommt, ebenfalls nicht gerechtfertigt ist.

Credits

OT: „Medusa“
Land: Brasilien
Jahr: 2021
Regie: Anita Rocha da Silveira
Drehbuch: Anita Rocha da Silveira
Musik: Bernardo Uzeda
Kamera: João Atala
Besetzung: Mari Oliveira, Lara Tremourox, Joana Medeiros, Felipe Frazão. Thiago Fragoso, Bruna G.

Bilder

Trailer

Filmfeste

Cannes 2021
Toronto International Film Festival 2021
Sitges 2021
International Film Festival Rotterdam 2022
Filmfest München 2022
Zurich Film Festival 2022

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Medusa
fazit
„Medusa“ ist ein Drama mit Elementen von Fantasy und Horror. Visuelle und darstellerisch ist Anita Rocha da Silveira ein durchaus überzeugender Film gelungen, der den Finger auf eine besorgniserregende Entwicklung legt, dessen unterkomplexe Botschaft hingegen etwas enttäuscht.
Leserwertung3 Bewertungen
8.3
7
von 10