Matthew Libatique am Set von "Don't Worry Darling" (© Warner Bros.)

Matthew Libatique [Interview]

In Don’t Worry Darling nimmt uns Regisseurin Olivia Wilde mit in eine idyllische Angestelltenstadt im Kalifornien der 1950er. Im Mittelpunkt des Mysterythrillers steht dabei die von Florence Pugh gespielte Alice, eine der Ehefrauen, die sich tagsüber um das Zuhause kümmern, während die Männer unterwegs sind und ihrer streng geheimen Arbeit nachgehen. Das geht lange Zeit gut. Doch irgendwann schleicht sich bei Alice das Gefühl ein, dass etwas an diesem Ort nicht stimmt. Zum Kinostart am 22. September 2022 haben wir uns mit Matthew Libatique unterhalten, der als Kameramann für die einmaligen Bilder des Films verantwortlich war.

Könntest du uns verraten, wie du zu Don’t Worry Darling dazugekommen ist?

Ich drehte mit Olivia Wilde einen Kurzfilm namens Wake up, als sie mir von ihrem geplanten Film erzählte. Sie beschrieb ihn damals als Science-Fiction-Film, der in den 1950ern spielt. Ich war am Anfang etwas verwirrt, was das bedeuten sollte, und fragte, ob das so etwas wie Mars Attacks wird. Das klang zwar interessant, ich hatte aber keine Zeit, weil ich mit anderen Projekten beschäftigt war. Doch dann kam Corona und der Dreh musste verschoben werden. Dadurch war ich dann plötzlich doch verfügbar und sagte Ja. Zum einen schätze ich Olivia und mochte die Zusammenarbeit mit ihr an dem Kurzfilm. Aber ich sah auch das Potenzial, welches das Drehbuch für einen Cinematographer hat.

Was hat dich an dem Drehbuch denn so gereizt?

Ich konnte in dem Film eine eigene Welt kreieren. Und das ist immer reizvoll. Klar kann es auch Spaß machen, die reale Welt abzubilden. Don’t Worry Darling spielt ja auch in der realen Welt, wenn wir in die 1950er eintauchen. Aber es ist eben eine fiktive Version davon, bei der du sehr viel selbst erschaffen konntest. Ich war total beeindruckt, als ich zum Set kam und sah, mit welcher Liebe zum Detail alles designt war und wie viel Arbeit ins Szenenbild investiert wurde.

Und wie sah es mit deiner eigenen Vision aus? Was hast du zum Film mitgebracht?

Olivia und ich haben uns lange darüber unterhalten, was sie mit ihrem Film wollte und welches Gefühl ihr dabei wichtig war. Referenz war für sie die Rat Pack Gruppe in den 1950ern, also Frank Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis Jr. usw., wie sie mit ihren offenen Hemden und der Zigarette im Mund in Las Vegas auftraten. Der Film stellte nun die Frage, inwiefern die Frauen in dieses Bild passen. Meine Aufgabe war es, mittels der Kamera diese Fragen zu unterstützen. Ich wollte zeigen, dass es innerhalb dieser vermeintlich perfekten Welt Unvollkommenheiten gibt.

Eure Welt ist dabei auf den ersten Blick sehr realistisch. Es gibt keine Science-Fiction-Elemente, kein Fantasy. Und doch merkt man, dass etwas nicht stimmt, sei es durch die entfremdete Freundin von Alice oder auch die Soundeffekte. Wie schafft man es bei den Bildern, dieses Gefühl zu erzeugen, ohne dabei die Realität als solche zu zerstören?

Gute Frage. Ich denke, dass du schon einiges erreichen kannst, indem du die Kamera am richtigen Platz aufstellst. Dass du zum Beispiel einen anderen Blickwinkel einnimmst oder mit dem Bildausschnitt arbeitest. Gerade auch in den Szenen, in denen du die subjektive Wahrnehmung aufzeigst. Denn es sind besonders die Szenen, in denen Alice allein ist und diese seltsamen Erfahrungen macht, wenn der Film das Gefühl des Unbehagens erzeugt.

Später kommt es immer wieder zu Szenen, wo es nicht nur kleine Irritationen gibt, sondern Alice surreale Visionen hat. Könntest du uns mehr über die Entwicklung dieser Szenen verraten?

Olivia hatte vorher schon viele Ideen entwickelt, wie sie die Geschichte bebildern wollte. Eine davon betrifft das Auge bzw. die Form davon, das Kreisrunde, welches in einem starken Kontrast zu den geraden Linien der Architektur steht. Das Weibliche im Kontrast zum männlichen Blick. Wenn Alice auf die anderen Frauen blickt und diese innerhalb dieses Kreises zu Objekten reduziert werden, dann hast du da gleich mehrere Ebenen drin. Wir wollten bei dieser Szene mit der Choreografie mit etwas Schönem beginnen, welches sich danach in einen Alptraum verwandelt. Durch diese ganzen Kniffe bei der subjektiven Wahrnehmung wollten wir den psychologischen Aspekt des Thrillers betonen.

Du hast von dem männlichen Blick gesprochen, im Gegensatz zu einem weiblichen Blick. Macht es für dich als Kameramann einen Unterschied, ob du mit einem Regisseur oder einer Regisseurin zusammenarbeitest?

Es gibt sicher einen Unterschied. Frauen haben oft einen weicheren und empfindsameren Blick. Das kannst du aber genauso bei einem Regisseur haben. Es gibt auch Regisseurinnen, die sehr maskulin sind bei den Geschichten, die sie erzählen wollen, dabei aber eine feminine Ästhetik verwenden. Manchmal ist es überraschend zu sehen, dass manche einen femininen Blick haben oder umgekehrt sehr viel maskuliner sind, als du gedacht hattest. Das ist auch das, was ich meinen Studenten und Studentinnen sage: Seif so offen wie möglich, da jeder anders ist.

Während deiner Karriere hast du an Filmen mit einem realistischen Setting gearbeitet und solchen, die stärker Fantasy waren. Was ist einfacher für dich: eine neue Welt zu erschaffen oder die reale abzubilden?

Alles kann eine Herausforderung sein. Und alles kann interessant sein. Die Banalität der Realität zum Beispiel kann sehr spannend sein, wenn du versuchst, diese in Bilder zu packen. Aber es kann auch eine Herausforderung sein, etwas von Grund auf zu erschaffen und keine Referenzpunkt nehmen zu können, zum Beispiel im Hinblick auf die Beleuchtung. Letztendlich geht es in beiden Fällen aber darum, inwieweit die Bilder die Erzählung unterstützen.

Don’t Worry Darling zeigt uns eine Welt, die für die Menschen in ihr perfekt zu sein scheint. Wenn du deine eigene perfekte Welt beschreiben müsstest, wie sähe die aus?

Oh, das hat mich noch niemand gefragt. Wie sähe meine perfekte Welt aus? Darüber muss ich nachdenken. Ich glaube, für mich wäre ein Ort perfekt, der gleichzeitig eine ruhige Insel ist und doch eine Großstadt am anderen Ende hat. Ich brauche beides und hätte deshalb gern die Möglichkeit, zwischen beidem zu wechseln.

Letzte Frage: Was sind deine nächsten Projekte?

Momenten arbeite ich mit Bradley Cooper an Maestro, ein Film über Leonard Bernstein. Ansonsten habe ich noch ein paar Projekte, die nichts mit Film zu tun haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Matthew Libatique wurde am 19. Juli 1968 in Elmhurst, New York, USA geboren. Er studierte Soziologie und Kommunikation an der California State University, Fullerton bevor er einen Abschluss am AFI Conservatory im Fach Kamera machte. Bekannt ist der Kameramann vor allem für seine Kooperationen mit Darren Aronofsky, der ein Kommiliton von ihm war. Gemeinsam drehten sie Pi – System im Chaos (1998), Requiem For A Dream (2000), The Fountain (2006), Black Swan (2010), Noah (2014), mother! (2017) und The Whale (2022). Er arbeitete aber auch an so erfolgreichen Filmen wie Iron Man (2008), Venom (2018) und A Star Is Born (2018). Black Swan und A Star Is Born brachten ihm jeweils eine Oscar-Nominierung für die beste Kamera ein. 



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