Eine riskante Entscheidung ZDF TV Fernsehen
© ZDF/Volker Roloff

Eine riskante Entscheidung

Eine riskante Entscheidung ZDF TV Fernsehen
„Eine riskante Entscheidung“ // Deutschland-Start: 21. Februar 2022 (ZDF)

Inhalt / Kritik

Dr. Julia Schemmel (Lisa Maria Potthoff) hat es geschafft, sie ist die neue CEO von Berner & Braun. Und sie hat Großes vor mit dem Pharmaunternehmen, will in Rekordgeschwindigkeit an die Börse. Damit der Wert auch gleich schön hoch ist, lässt sie durchsickern, dass sie an einem Medikament gegen Kinderdemenz arbeiten und eine Studie bereits in Auftrag ist. Die erst achtjährige Emily Wagner (Jasmin Kraze) leidet an dieser seltenen, bislang unheilbaren Krankheit. Als deren Eltern Michael (Christian Erdmann) und Nicole (Annika Blendl) von dieser Studie erfahren, wollen sie alles dafür tun, dass ihre Tochter ebenfalls dort aufgenommen wird. Doch das Unternehmen verweigert dies unter Verweis auf die Risiken, welche die Weitergabe des Medikaments bedeuten würde. Für die Wagners ist klar: So schnell geben sie den Kampf nicht auf …

Das Pharmaunternehmen als Feindbild

Bislang war die Sachlage eigentlich klar: Pharmaunternehmen, das sind gierige Monster, die für ein bisschen Profit über Menschenleben gehen. Da werden Medikamente entwickelt, die niemand braucht, um damit richtig Kasse zu machen. Gefährliche Nebenwirkungen werden zudem verschwiegen, wer darüber berichten will, wird mundtot gemacht. So zumindest das Vorurteil. Im Laufe der letzten beiden Jahre wurde dieses Bild jedoch zunehmend ambivalenter. Während die rettenden Corona-Impfungen bei den einen zu einem Umdenken führten, sind für andere die Pharmafirmen jetzt endgültig ein Symbol des Bösen. Eine riskante Entscheidung hat mit der aktuellen Pandemie natürlich wenig zu tun. Sie wird nicht einmal angesprochen. Aber es ist doch sehr passend, ausgerechnet in dieser Situation einen Film zu veröffentlichen, der sich etwas genauer mit den Hintergründen eines solchen Unternehmens auseinandersetzt.

Am Anfang scheint das ZDF-Drama die Vorurteile zu bestätigen, die man bei einer derartigen Firma haben kann. Schemmel wird als eine Figur vorgestellt, deren oberstes Ziel die Maximierung des Gewinns ist. Die Warnungen, nichts vorab über die Studie zu verraten, schlägt sie in den Wind, so wie sie allgemein als eine sehr durchsetzungsstarke Frau beschrieben wird, die eher weniger auf Rücksicht achtet. Das wird sich im Laufe von Eine riskante Entscheidung wandeln. Die direkte Konfrontation mit dem Einzelfall wird für sie zu einer Gewissensfrage. Es ist dann doch eine Sache, wenn von anonymen Zahlen die Rede ist oder einem konkreten Kind. Schließlich tun die Wagners alles dafür, dass die Pharma-Chefin von dem Schicksal ihrer Tochter erfährt – und der Rest der Welt gleich mit.

Kampf um die Deutungshoheit

Tatsächlich ist einer der interessanten Aspekte des Films, wie beide Seiten um die Deutungshoheit kämpfen. Dass große Firmen sich mittel PR besser machen, als sie sind, das ist natürlich bekannt. Da kann dann mitunter auch kräftig gelogen werden. Bei Eine riskante Entscheidung sind es aber die Wagners, die das Spiel mit der Öffentlichkeit antreten. Da wird nicht minder skrupellos mithilfe von gefälschten Videos, der Einbeziehung von Influencern und Influencerinnen und auch anderen öffentlichkeitswirksamen Mitteln versucht, die Meinung da draußen so zu manipulieren, damit Berner & Braun klein beigibt. Es ist aber auch zu undenkbar: Da stirbt ein kleines Mädchen und das Unternehmen will nicht helfen? Herzlos! Verantwortungslos! Unmoralisch!

Der Verdienst von Eine riskante Entscheidung ist es, an der Stelle zu zeigen, dass die Sachlage eben doch nicht so leicht ist, wie es einen ebenfalls auf Selbstbereicherung ausgerichtete Meinungsschaffende glauben lassen wollen, die zynisch den Skandal für sich selbst nutzen. Dabei geht es nicht allein um die Frage, ob Emily geholfen wird oder nicht. Das Dilemma: Wird ihr das Medikament gegeben und es geht dabei etwas schief, betrifft das eben nicht nur sie. Es könnte bedeuten, dass das Medikament gleich ganz gestorben ist – was für alle anderen Betroffenen verheerend wäre. Will man eine retten und damit riskieren, dass niemandem geholfen werden kann? Für die Familie ist das einfach, sie hat nichts zu verlieren. Es ist dem Paar auch an der Stelle egal, dass das Unternehmen eine größere Verantwortung hat, die über das Einzelschicksal hinausgeht, so bitter das auch ist. Die Sache mit der Herzlosigkeit und dem fehlenden Anstand gilt gleichermaßen für die Eltern, die aus Eigennutz im Zweifel alle anderen büßen lassen würden.

Sehenswerter Denkanstoß

Das Drama, welches auf dem Filmfest München 2021 Premiere feierte, ist deshalb eines, das selbst zu Debatten anregt und anregen soll. Implizit wird das Publikum immer gefragt, wie es sich selbst verhalten würde in der Situation. Die eindeutige Einteilung in richtig und falsch funktioniert nicht. Gut und böse sind Kategorien, die hier nicht passen, für keine der Seiten. Gegen Ende hin verließ Drehbuchautor Jörg Tensing schon etwas der Mut, da sollte das Abendpublikum des öffentlich-rechtlichen Fernsehens nicht zu sehr gefordert werden. Zwischendurch wird es auch konstruierter, als es notwendig gewesen wäre. Aber auch wenn bei Eine riskante Entscheidung einiges eher holprig ist, ist der Film als Versuch einer nuancierten Auseinandersetzung mit einem hochemotionalen Thema sehenswert.

Credits

OT: „Eine riskante Entscheidung“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Elmar Fischer
Drehbuch: Jörg Tensing
Musik: Matthias Beine
Kamera: Bjørn Haneld
Besetzung: Lisa Maria Potthoff, Christian Erdmann, Annika Blendl, Jasmin Kraze, Torben Liebrecht, Tedros Teclebrhan, Urs Jucker, Thorsten Merten

Bilder

Interview

Wie hätte sie selbst in einer Situation wie der im Film reagiert? Und ist es möglich, ein solches Thema frei von Emotionen zu behandeln? Diese und weitere Fragen haben wir Hauptdarstellerin Lisa Maria Potthoff in unserem Interview zu Eine riskante Entscheidung gestellt.

Lisa Maria Potthoff [Interview]

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Eine riskante Entscheidung
Fazit
„Eine riskante Entscheidung“ folgt einem Ehepaar, dessen Tochter an einer bislang unheilbaren Krankheit leidet, und einem Pharmaunternehmen, welches an einem Medikament arbeitet. Wie der Titel verspricht, ist das hier alles nicht so schwarzweiß. Das Drama setzt sich überraschend nuanciert mit dem Thema auseinander, zeigt auch die Doppelmoral diverser Beteiligten und fordert das Publikum auf, sich selbst Gedanken zu machen.
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