König der Raben
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König der Raben

Inhalt / Kritik

Koenig der Raben
„König der Raben“ // Deutschland-Start: 19. August 2021 (Kino) // 25. Februar 2022 (DVD)

Darko (Malik Blumenthal) ist ein Überlebenskünstler. Der 22-Jährige schlägt sich mit krummen Deals auf dem Schrottplatz und mit seinen weißen Tauben durch, die er bei Hochzeiten gegen Geld fliegen lässt. Außerdem muss er sich um seine schwer traumatisierte Mutter kümmern, die so wie er illegal in Deutschland ist. Seine gute Laune lässt sich der aus Mazedonien stammende junge Mann aber nicht verderben, dafür sorgen schon seine Kumpels Yanoosh (Karim Günes) und Manolo (Mert Dincer). Die gemütlich eingerichtete halblegale Welt gerät erst ins Wanken, als Darko die rätselhafte Alina (Antje Traue) kennenlernt, eine Frau aus dem Künstlermilieu, viel älter als er, aber gerade wegen ihrer Geheimnisse magisch anziehend.

Es geht ruppig zu in diesem halbkriminellen Milieu, in dem mafiöse Ausbeuter das Sagen haben. Wer sich durchboxen will, muss zuschlagen können. Aber Darko hat neben seinen Muskeln auch eine zarte Seite. Liebevoll küsst er seine Tauben, der er in einem geräumigen Verschlag hält. Und manchmal sagt er Sachen, die aus einem Gedicht oder Märchen stammen könnten. Alina gefällt das Spontane, Lebenspralle an dem jungen Mann. Ein verrückter Zufall bringt die beiden zusammen. Nichtschwimmer Darko wird eines Nachts in einen See geworfen. Alina rettet ihn und stürzt sich in eine wilde Affäre, ohne Rücksicht auf Verluste.

Wahre Hintergründe

Leben im Schatten: Laut Schätzungen halten sich etwa eine halbe Million Menschen illegal in Deutschland auf. Sie können nicht offiziell arbeiten und leben in ständiger Angst vor Abschiebung. Das Gefühl, nicht dazu zu gehören, erlebte der aus Polen stammende Regisseur Piotr J. Lewandowski am eigenen Leib, als er in Deutschland sein Studium absolvierte. In seinem zweiten Spielfilm kombiniert er dieses Thema mit der ebenfalls auf wahren Gegebenheiten Geschichte einer Frau, die ihr Kind verlor, in eine Depression schlitterte und sich in eine Amour fou stürzte, um sich wieder lebendig zu fühlen.

Neben der genauen Milieuzeichnung ist es das Muster der „Amour fou“, das dem Film sein doppeltes Gesicht als Sozialstudie und Liebesdrama verleiht. „Ich bin ein einziges Geheimnis“, sagt Alina, als Darko nach ihrem Vorleben fragt. Vieles an dem verführerischen Geschöpf ist rätselhaft, etwa das riesige Dachgeschoss, in das sie Darko mitnimmt. Atelier, Wohnung oder Rückzugsraum? Oder der Beziehungsstaus, in dem sie lebt: mit einem Ex, einem Arbeitspartner oder doch in einer Art Ehe? Klar wird nur eins, Darko hat einen deutlich älteren Nebenbuhler aus dem akademischen Milieu. Und Alina meldet sich immer nur dann, wenn sie gerade Lust auf den jüngeren Liebhaber hat. Dass Darko nicht nur das Abenteuer sucht, sondern Gefühle entwickelt, scheint sie nicht zu bedenken.

Halb realistisch, halb poetisch verklärt entwickelt Regisseur Piotr J. Lewandowski mit seinen Darstellern eine Intensität, die bereits sein Spielfilmdebüt Jonathan (2016) auszeichnete. Emotionen treiben die Geschichte voran, Wut und Leidenschaft laden die meist nächtlichen Aufnahmen mit einer Lebensenergie auf, die symbolisch in Darkos Vorliebe für Vögel gespiegelt wird. Schnelle Schnitte und die agile Handkamera von Jan Prahl stürzen sich mitten ins Getümmel verschlungener Nebenhandlungen. Zärtliche Ruhepausen verschaffen dem Zuschauer Einblicke in das Seelenleben zweier Gestrandeter, die ihr Leben gefährden, indem sie es zu retten versuchen.

Unberechenbare Amour fou

Auch in Jonathan hatte es der Regisseur nicht bei einer einzigen dramatischen Verwicklung belassen, sondern mindestens vier Motive miteinander verschränkt. In König der Raben packt er noch mehr hinein, etwa eine homoerotische Anziehung, die Solidarität unter den Illegalen, die Ausbeutung durch Deckmänner, das Krankheitsbild der Mutter und die schwierige Lage von Alina, die nach einer Fehlgeburt suizidgefährdet ist. Das führt zu hohen Anforderungen an die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Wer sich nicht nur von der unberechenbaren „Amour fou“ und den starken Darstellerleistungen mitreißen lassen will, sondern alle Details aufdröseln möchte, braucht wache Augen.

Credits

OT: „König der Raben“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Piotr J. Lewandowski
Drehbuch: Piotr J. Lewandowski, Denise Langenhan, Finn-Ole Heinrich, Dan Olteanu, Carsten Strauch
Musik: Lenny Mockridge
Kamera: Jan Prahl
Besetzung: Malik Blumenthal, Antje Traue, Karim Günes, Mert Dincer, Danuta Stenka

Bilder

Trailer

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In seinem packenden zweiten Spielfilm beschäftigt sich Piotr J. Lewandowski mit illegal lebenden Menschen in Deutschland. Dabei verbindet er realistische Betrachtungen mit poetischen Einschüben und dem filmischen Muster der „Amour fou“.
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