Gasmann
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Inhalt / Kritik

Gasmann
„Gasmann“ // Deutschland-Start: 22. Juli 2021 (Kino)

Es läuft gerade nicht so wirklich rund im Leben von Bernd (Rafael Stachowiak). Privat nicht, da gibt es Stress mit der Ex, zu wenig Zeit mit dem Sohn und zu wenig Geld auf dem Konto. Und auch beruflich geht es kaum voran. Immer wieder bekommt der Schauspieler am St. Pauli Theater in Hamburg nur Nebenrollen. Beim neuen Stück soll das dann zwar anders sein. Richtig glücklich ist er aber nicht, dass er in „Der Gasmann“ einen SS-Mann spielen soll, der die Leute zu Hause besucht und gleich vor Ort liquidiert. Und als wäre der Inhalt nicht schon schlimm genug, muss er sich auch noch mit einem despotischen Regisseur und einem bescheuerten Kollegen herumärgern. Immerhin, die Männer von seinem Literaturzirkel halten ihm die Treue, selbst wenn es auch dort immer wieder zu Konflikten kommt …

Die hässlichen Seiten der Schauspielerei

Schauspielerei ist einer dieser Berufe, bei denen das Bild in der Öffentlichkeit oft wenig mit dem zu tun hat, was diese Arbeit normalerweise mit sich bringt. Rote Teppiche, rauschende Partys und ein Leben auf der Überholspur? Das ist dann doch eher die Ausnahme. Viele mühen sich mit undankbaren Rollen ab, sofern sie überhaupt welche bekommen. Der Versuch, sich in diesem Haifischbecken irgendwie zu behaupten, endet bei den meisten mit Rückschlägen und zahlreichen Demütigungen. Kein Wunder also, wenn Titel wie Casting, Golden Twenties oder Für umme mit viel Lust an der Hässlichkeit aufzeigen, dass das alles sehr viel weniger glamourös ist, als man sich das vielleicht vorgestellt hat. Da braucht es schon Durchhaltevermögen und ein dickes Fell.

Das gilt gleichermaßen für Gasmann. Denn so richtig schmeichelhaft ist es ja nicht, was Regisseur und Co-Autor Arne Körner in seinem Film über die Vorgänge an einem Theater zu erzählen hat. Das Personal mag dort recht überschaubar sein, auch wegen eines Kniffes: Vom Ensemble des Stücks werden nur die beiden Gasmänner gezeigt, die Opfer dürfen diese erst zur Generalprobe sehen. Dafür haben die wenigen Figuren, die wir dort kennenlernen, Macken ohne Ende. Und ein großes Ego obendrein. Wer es in diesem Bereich zu etwas bringen will, der kann das nur, wenn er sich über andere erhebt – auch mental. Dass das teilweise gröbster Quatsch ist, den sie von sich geben, wird dabei zur Nebensache. Es muss sich nur irgendwie gut anhören.

Menschen sind bekloppt

Wobei Körner diesen Spott nicht nur den Menschen am Theater entgegenbringt. Mindestens ebenso skurril sind die Leute aus dem Literaturzirkel, in dem Bernd immer wieder unterwegs ist. Und sie sind auch kein bisschen sympathischer. Tatsächlich macht es einem Gasmann schon recht schwer, irgendwo auch einmal anzudocken und ein Stück mit den Figuren mitzugehen. Dafür ist man zu oft verblüfft darüber, was die Leute so von sich geben. Manchmal sogar ein wenig verstört. Ein Running Gag ist, wie ein älterer Herr aus dem Zirkel mit seiner Zeit bei der Hitlerjugend prahlt. Ob das nun echte Überzeugung ist oder reine Provokation wird dabei nie ganz deutlich. Vielleicht ist es auch beides.

Ohnehin hat die Tragikomödie, die auf den Hofer Filmtagen 2019 lief, viele Leerstellen, die das Publikum selbst füllen muss. Wer aus dem Film eine wirkliche Aussage herausziehen will, die über ein „Menschen sind bekloppt“ hinausgeht, der muss schon ein bisschen was dafür tun. Der bissige Humor mit satirischem Ausschlag stellt zwar so manches in Frage, was wir über den Kulturbetrieb und die Gesellschaft zu wissen glaubten. Von dem eigenartigen Stück, das sich nur zu gern der Faszination für das flotte Morden im Dritten Reich hingibt und dies mit einem intellektuell Anstrich überpinselt ganz zu schweigen. Er gibt aber keine Antworten, die uns zu besseren oder wenigstens schlaueren Menschen macht. Allenfalls zu verzweifelteren, weil Lichtblicke richtig rar gesät sind.

Die Erkenntnis inmitten des Wahnsinns

Das liegt auch an Bernd, der inmitten des Wahnsinns strauchelt ohne Ende. Teilweise macht er sich das Leben dabei selbst unnötig schwer. Ein Held ist er damit sicherlich nicht, nicht einmal ein tragischer. Und doch hat es etwas Tragisches, wie er in diesem kulturellen Elfenbeinturm doch immer mal wieder die notwendige Außenperspektive mitbringt, um festzustellen, wie absurd das alles ist. Rafael Stachowiak (Past Life) verkörpert dann auch ansprechend diese Ambivalenz, wenn man als Zuschauer und Zuschauerin nie wirklich weiß, was man von ihm nun halten soll. Das wird natürlich nicht allen gefallen. Da sich die Geschichte insgesamt auch wenig weiterentwickelt, von einer zunehmenden Labilität Bernds vielleicht abgesehen, droht bei manchen Frustration oder gar Langeweile. Dennoch ist Gasmann sehenswert, als ein Blick auf eine Parallelwelt, die uns manchmal näher ist, als wir das glauben wollen.

Credits

OT: „Gasmann“
Land: Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Arne Körner
Drehbuch: Arne Körner, Akin Sipal
Musik: Sebastian Gille, Passierzettel
Kamera: Martin Prinoth, Max Sänger
Besetzung: Rafael Stachowiak, Gala Othero Winter, Kristof Van Boven, Peter Ott, Dietrich Kuhlbrodt, Charles Toulouse, Asad Schwarz

Bilder

Trailer

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„Gasmann“ folgt einem bislang wenig erfolgreichen Theaterschauspieler, der bei einem Stück über die Nazis einen mobilen SS-Vollstrecker spielen soll. Das Ergebnis ist ein bitterer Film voll von verkorksten Leuten und absurden Situationen, die vielleicht keinen großen Erkenntnisgewinn mit sich bringen, einen aber zunehmend an der Menschheit verzweifeln lassen.
7
von 10