Anja Kling Interview Das Quartett Die Tote vom Balkon
Anja Kling in "Das Quartett: Die Tote vom Balkon" (© ZDF/Oliver Vaccaro)

Anja Kling [Interview]

Als in Das Quartett: Die Tote vom Balkon (Sendetermin: 8. Mai 2021 um 20.15 Uhr im ZDF) eine junge Studentin von einem Balkon fällt, sieht das zunächst nach Selbstmord aus. Doch dann häufen sich die Spuren, dass da jemand nachgeholfen hat. Aber wer? Und warum sollte jemand sie umbringen wollen? Anja Kling spielt in dem TV-Krimi die Kommissarin Maike Riem, die gemeinsam mit ihrem Team das Rätsel lösen muss. Wir haben uns mit der Schauspielerin über ihre Rolle und die Besonderheiten der Reihe unterhalten, aber auch diverse gesellschaftliche Themen, die in dem Film angesprochen werden.

Für ein Publikum, das die Reihe Das Quartett noch nicht kennt: Könnten Sie uns diese etwas beschreiben? Worum geht es?

Ich selbst spiele darin die Leipziger Kriminalhauptkommissarin Maike Riem. Sie ist die Chefin, kehrt das aber nicht nach außen, da sie lieber auf Augenhöhe mit anderen arbeiten. Sie lebt alleine und hat einen Sohn, der aber nicht bei ihr, sondern dem Vater in Berlin wohnt. Der Grund dafür ist, dass sie seine Drogenfreunde verhaftet hat, was er ihr nicht verzeihen kann. Ansonsten erfährt man über ihr Privatleben relativ wenig. Das liegt zum einen daran, dass Maike nicht viel darüber reden mag, auch nicht den Kollegen gegenüber. Es liegt aber auch am Konzept von Das Quartett, da bei uns die Fälle eindeutig im Vordergrund stehen. Ein bisschen was über die Figuren werden wir aber hoffentlich in den nächsten Folgen erfahren.

Die Reihe betont dabei stärker als andere die Teamarbeit. Alle vier bringen etwas Eigenes mit, um als Team den Fall zu lösen. Was braucht es, um ein guter Ermittler bzw. eine gute Ermittlerin zu sein?

Ich bin natürlich keine Polizistin. Aber ich denke, dass es schon viel bringt, wenn jemand gut zuhören und beobachten kann. Vermutlich muss man auch einen gewissen Biss mitbringen, damit man dranbleibt und den Ehrgeiz hat, diese Fälle auch lösen zu wollen. Ansonsten dürfte da aber wie bei uns Schauspielern jeder anders sein und seine eigenen Mittel und Möglichkeiten haben.

Eine Gemeinsamkeit bei Schauspielern und Polizisten ist, dass sie in einem Team arbeiten. Was ist ganz allgemein das Geheimnis einer guten Teamarbeit?

Das ist eine gute Frage. Ich bin in der glücklichen Lage, dass Annika Blendl, Shenja Lacher, Anton Spieker und ich nicht nur vor der Kamera ein gutes Team spielen, sondern auch in Wirklichkeit ein gutes Team sind. Wir verstehen uns sehr gut und mögen uns wirklich. Dafür bin ich auch sehr dankbar, weil ich weiß, dass es auch anders geht. Es kann beim Drehen eines Films schon vorkommen, dass Eitelkeiten bedient werden müssen und sich jemand irgendwie in den Vordergrund drängelt. Das gibt es bei uns nicht. Wir sind da richtig schön zusammengewachsen. Ein Faktor, der verbindet, ist sicherlich auch der Humor. Wenn du in einem Team über dieselben Dinge lachen kannst, dann macht das einen riesigen Unterschied. Natürlich gibt es noch viele andere Punkte, die eine gute Teamarbeit ermöglichen. Aber das ist zumindest ein guter Anfang.

Ist es denn bei Ihnen schon vorgekommen, dass Sie in einem Filmteam gearbeitet haben, wo es gar nicht funktioniert hat?

Ja, das ist vorgekommen. Dafür, dass ich diesen Beruf schon so lange ausübe, war das aber sehr selten. Die Fälle kann ich an einer Hand abzählen. Zu 95 Prozent habe ich Spaß am Set und mit den Kollegen. Und es ist auch irgendwie normal, dass du nicht mit jedem kannst oder mal die Chemie nicht stimmt. Das ist in jedem Bereich so. Das Leben ist nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen.

Das Quartett - Die Tote vom Balkon
Lagebesprechung im Kommissariat: Pia Walther (Annika Blendl), Maike Riem (Anja Kling), Christoph Hofherr (Shenja Lacher) und Linus Roth (Anton Spieker) müssen einen kniffligen Fall lösen.

Dann kommen wir noch auf den aktuellen Fall Die Tote vom Balkon zu sprechen. In dem geht es natürlich vordergründig darum, den Mörder oder die Mörderin zu finden. Gleichzeitig wurden viele andere Punkte mit der Geschichte verwoben, die gesellschaftlich relevant sind. Der Film beginnt beispielsweise damit, dass eine junge Frau in einem Studentenwohnheim stirbt und niemand weiß, wer sie ist. Ist das ein Einzelfall oder wird unser Leben immer anonymer?

In meinem Umfeld ist das nicht so. Allerdings wohne ich auch auf dem Land und in einer Großfamilie. Da ist das alles noch ein bisschen anders. Das alte abgedroschene Wort Solidarität wird bei uns noch ganz groß geschrieben, wofür ich dankbar bin. Ich befürchte aber tatsächlich, dass das Leben immer anonymer wird und die Menschen sich immer mehr nur um sich kümmern, ohne dabei nach links und rechts zu gucken.

Ein weiteres Thema in dem Film ist die Wohnungsnot. Die Studentinnen in dem besagten Wohnheim müssen einiges auf sich nehmen, um überhaupt eine Wohnung dort zu bekommen. Und das ist ja in vielen Städten inzwischen ein echtes Problem.

Das stimmt. Es gibt zwar nach wie vor Wohnraum. Nur ist der inzwischen nicht mehr bezahlbar. Ich habe einen Sohn, der Student ist und wir haben lange nach einer Wohnung suchen müssen. Er teilt sich jetzt eine Wohnung mit einem Freund, jeder hat ein winziges Zimmer, weil das sonst nicht zu bezahlen wäre. Eine vernünftige Wohnung, das ist heute echt Goldstaub. Das war früher anders. In Berlin hast du bis vor ein paar Jahren noch gute Wohnungen finden können. Inzwischen sind auch dort die Preise derart explodiert, dass du froh bist, wenn du überhaupt noch etwas bekommst.

Ein großes Thema in Das Quartett: Die Tote vom Balkon ist zudem das der Medizin. Ein Pharmaunternehmen arbeitet darin an einem intelligenten Insulin, welches die Behandlung revolutionieren soll. Momentan erleben wir eine solche Revolution mit den Impfstoffen, die auf einer ganz neuen Technik basieren. Die Reaktionen darauf waren anfangs recht zwiespältig, manchen war das nicht geheuer. Wie ist das bei Ihnen im Hinblick auf Medizin? 

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Ursprünglich wollte ich selbst Medizinerin werden und wäre dann auch in die Forschung gegangen. Das war mein erklärtes Ziel, viele Jahre lang, weil ich die Idee eines helfendes Berufes so toll fand. Ich mochte die Vorstellung, die vielen bösen Krankheiten in der Welt auszurotten. Daraus ist am Ende nichts geworden. Interessiert bin ich an dem Thema aber nach wie vor. Gleichzeitig macht es mir auch Angst. In der Pharmaindustrie geht es eben nicht nur darum, anderen zu helfen. Es geht um Macht und um Geld. Das ist die andere Seite der Medaille. In unserem Film erzählen wir das auch. Da finde ich es sehr verständlich, wenn die Menschen verunsichert sind und erst einmal nicht wissen, wem sie trauen können.

Hat sich Ihre eigene Einstellung zu Medizin und Gesundheit im Laufe des letzten Jahres durch die Erfahrungen verändert, die wir alle machen mussten?

Eigentlich nicht. Klar hat das letzte Jahr bei vielen zu einer großen Verunsicherung geführt. Am Ende vertraue ich dann doch auch den Forschern und Medizinern und werde mich klar auch impfen lassen, sobald ich an der Reihe bin.

Ein kleiner Running Gag in dem Film ist noch, dass Ihre Figur immer wieder versucht, Russisch zu sprechen, was aber nicht immer so funktioniert, wie sie sich das vorstellt. Wenn Sie sich eine Fremdsprache aussuchen könnten, die Sie gerne sprechen würden, welche wäre das?

Italienisch. Ich habe mal ein halbes Jahr in Italien gedreht und habe während der Zeit nicht nur Land und Leute lieben gelernt, sondern auch die Sprache. Als ich hingefahren bin, konnte ich nicht mehr als „ja“, „nein“, „danke“ und „bitte“. In dem halben Jahr habe ich unglaublich gut Italienisch gelernt, habe das danach aber zu einem Großteil wieder verlernt, weil ich nicht drangeblieben bin. Wenn ich in Italien mit Leuten unterwegs bin, die kein Italienisch können, dann spreche ich es noch. Dann bin ich mutig und kann Essen bestellen oder einkaufen. Wenn aber jemand dabei ist, der besser ist als ich, verstumme ich sofort. Und ich würde das gern sehr viel besser können.

Zum Abschluss noch ein kleiner Ausblick: Welche Projekte stehen bei Ihnen demnächst an?

Momentan drehe ich ein Projekt namens Der Palast mit Svenja Jung in der Hauptrolle. Ich spiele darin die Mutter. Dann kommt hoffentlich bald auch mein dritter Kinofilm „Hilfe, ich habe meine Freunde geschrumpft“, den wir mehrfach verschieben mussten. Ich habe für die Degeto einen Improvisationsfilm namens Das Begräbnis mit Jan Georg Schütte gedreht. Das war ein total verrücktes Projekt und ich bin sehr gespannt, was daraus geworden ist. Dann kommt noch der vierte Teil von Das Quartett. Außerdem habe ich den Film „Dreiraumwohnung“ abgedreht. Das ist die Fortsetzung von „Zweibettzimmer“ mit der wundervollen Carol Schuler. Für den Sommer ist noch ein Zweiteiler fürs ZDF geplant.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Anja Kling wurde am 22. März 1970 in Potsdam geboren. Ursprünglich wollte sie Ärztin werden, ließ sich aber von ihrer älteren Schwester Gerit davon überzeugen, an einem offenen Casting teilzunehmen. Nach ersten Nebenrollen übernahm sie in dem Drama Grüne Hochzeit (1989) das erste Mal die Hauptrolle in einem Kinofilm. Der Durchbruch gelang ihr mit der Fernsehserie Hagedorns Tochter (1994). Seither ist sie vor allem im Fernsehen zu sehen. Zu ihren erfolgreichsten Kinotiteln gehören Hanni & Nanni (2010) sowie Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft (2015), die jeweils Fortsetzungen nach sich zogen. 



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