All in
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Inhalt / Kritik

„All-In“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Auch wenn sie im Moment noch leer stehen oder sich der Besucheransturm in Grenzen hält, wird es auf lange Sicht dazu kommen, dass sich in den Urlaubsparadiesen dieser Welt die Hotels wieder füllen werden. Das Attribut „all-inclusive“, eine Art Zauberwort in diversen Reisekatalogen oder bei Beratungen in Reisebüros, gilt schon fast als eine Art Synonym für den perfekten Urlaub, insbesondere für Familien, in denen man befreit ist von all jenen Sorgen, Nöten und Verpflichtungen, die man sonst in seinem Leben so hat. Es ist beinahe eine Parallelwelt, die sich in jenen Hotelkomplexen mit der Zeit gebildet hat, jenen teils schwer bewachten Gebieten, die einen starken Kontrast zu der umliegenden Landschaft bilden und in denen die Wirklichkeit keinen Zutritt hat. De facto hat sie es auch nicht, tun Reiseveranstalter und Hoteliers doch alles, um gerade jeden Hinweis auf „die Welt da draußen“ auszumerzen und das perfekte Erlebnis zu schaffen, in welchem dem Gast jeder Wunsch von den Lippen abgelesen wird oder eben alles in einer solchen Fülle da ist, wie man sie so nie weder erlebt.

Damit dieses beschriebene Erlebnis so perfekt verläuft und auf lange Sicht auch bleibt, werden die Bediensteten dieser Hotelanlagen einer recht strengen Ausbildung unterzogen, wobei nicht selten genau diese Männer und Frauen aus Verhältnissen kommen, welche im krassen Gegensatz zu jenem Überfluss stehen, den sie in den Hotels täglich erleben. In seiner Dokumentation All-In, welche im Programm der diesjährigen CPH:DOX zu sehen ist, stehen für den belgischen Regisseur Volkan Üce eben diesen jungen Frauen und Männer im Vordergrund. Über eine Saison lang begleitet er den 25-jährigen Hakan und den 18 Jahre alten Ismael, welche einen Job in einem Hotel an der türkischen Riviera antreten. Während Hakan als Rettungsschwimmer und Aufseher bei den Wasserrutschen eingesetzt wird, durchläuft Ismael eine Ausbildung in der Küche des Hotels, wo er zunächst als Gehilfe arbeitet und später zuständig ist für die Suppen bei den Buffets. Mit der Zeit erleben wir, wie vor allem Hakan mit seinem Job hadert, insbesondere mit den Regeln des Betriebs, welche den Beschäftigten ein stetes Lächeln und Freundlichkeit gegenüber den Gästen auferlegen, und wie sich die beiden Männer anfreunden, über ihren Job aber auch ihre Träume für das eigene Leben sprechen.

Unbegrenzter Spaß

Wie Üce in Interviews zu seiner Dokumentation beschreibt, geht es in All-In vor allem darum eben jenen Menschen ein Gesicht und eine Geschichte zu geben, welche in der Regel, insbesondere von den Urlaubern, eher als Teil einer namenlosen Peripherie wahrgenommen werden. Von der ersten Minute an begleitet man sowohl Hakan wie auch Ismael, angefangen bei ihrem Vorstellungsgespräch, dem Kennenlernen mit den Kollegen bis hin zu ihren ersten Stunden im Job. Im Kontrast dazu bilden die Touristen nun jene Peripherie, die man nur am Rande wahrnimmt und als Teil des Arbeitsalltages wahrnimmt, der in einer scheinbar ewig gleichen Monotonie abläuft, einem Ablauf von Buffets, Animation und anderer Urlauberbespaßung. Ein lockeres Gespräch mit einer englischen Urlauberin bildet dabei die Ausnahme, verläuft aber auch in den festen Bahnen dieses Jobs oder vielmehr jenes Betriebs, in dem nichts dem Zufall überlassen wird.

In Anbetracht ihrer Arbeit überrascht es wohl wenig, wenn sich Üce und Kameramann Joachim Philippe auf die Monotonie des Alltags der beiden Männern beziehen. Die verblichene Reklame, welche „unbegrenzten Spaß“ verspricht, betont das Einerlei der vielen Aufenthaltsräume und der Baracken, in denen sich Hakan, Ismael wie auch ihre Kollegen aufhalten. Im Gegensatz dazu erscheinen jenen Bereiche, welche den Touristen obliegen, als ein Paradies auf der einen Seite, welches aber aufgrund der schon erwähnten Monotonie auch sehr künstlich wirkt. Wie Üce es selbst erwähnt, erinnert man sich bei diesen Bildern an Schilderungen von Hotelanlagen in den Werken eines Michel Houellebecqs, wirken sie wie Erinnerungen an jene gesellschaftliche Ungleichheit, aber auch als ein Abbild von der spirituellen Leere einer Überflussgesellschaft.

Credits

OT: „All-In“
Land: Belgien, Niederlande, Frankreich
Jahr: 2021
Regie: Volkan Üce
Musik: David Boulter, Darius Timmer
Kamera: Joachim Philippe

Bilder

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„All-In“ ist eine Dokumentation über den Alltag in einem All-inclusive-Hotel, aus der Sicht zweier Beschäftigter. Volkan Üce gelingt auf der einen Seite ein Porträt von Überfluss und spiritueller Leere, aber zugleich eine überraschend warmherzige Schilderung der Träume und Nöte seiner beiden Hauptfiguren.