Angel - Ein Leben wie im Traum
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Angel – Ein Leben wie im Traum

Inhalt / Kritik

Angel - Ein Leben wie im Traum
„Angel – Ein Leben wie im Traum“ // Deutschland-Start: 9. August 2007 (Kino) // 4. Dezember 2020 (DVD)

An der Realität hat die in ärmlichen Verhältnissen lebende Angel Deverell (Romola Garai) kein großes Interesse. Schon als Schülerin träumt sie von einem großen, luxuriösen Leben sowie einer Karriere als Schriftstellerin – sehr zum Missfallen ihrer deutlich bodenständigeren Mutter (Jacqueline Tong). Tatsächlich scheint sich ihr Traum zu erfüllen, als der Verleger Théo (Sam Neill), fasziniert von ihrer unbändigen Vorstellungskraft, ihren ersten Roman veröffentlichen will. Dieser Mut wird belohnt: Das Buch und viele weitere werden zu Bestsellern, die Leute liegen Angel zu Füßen. Als sie dann auch noch den Maler Esmé (Michael Fassbender) kennenlernt und sich in ihn verliebt, scheint das Glück vollzukommen zu sein. Doch dann kommt es anders, als sie es sich vorgestellt hat …

Die schrille Tiefgründigkeit

Die ersten Jahre im Schaffen des französischen Regisseurs und Drehbuchautors François Ozon bringt man ganz gerne mal mit seinen schrilleren, gerne erotisch aufgeladenen Werken in Verbindung. Seine beißende Satire Sitcom (1998) etwa, der eigenwillige Liebesreigen in Tropfen auf heiße Steine (2000) und natürlich sein ironisches Krimimusical 8 Frauen (2002). Doch hinter dieser gern mal etwas überbordenden Fassade verbargen sich oft auch tiefe Gefühle. Mit Unter dem Sand (2000) bewies Ozon sogar, dass er auch ganz ruhige, sensible Dramen beherrscht, die sich mit schwierigen und schweren Themen auseinandersetzen, die verborgen unter der Oberfläche vor sich hin wuchern.

Aus diesem Grund schien Ozon der richtige Mann zu sein, um den 1957 erschienenen Roman der englischen Schriftstellerin Elizabeth Taylor zu verfilmen. Denn der behandelte genau das Thema, dass hinter einer überwältigenden Fassade etwas ganz anderes vor sich geht. Etwas, das sehr viel trauriger ist. Angel – Ein Leben wie im Traum lässt uns früh daran teilhaben, wie sich die Vorstellungskraft der titelgebenden Protagonistin von ihrem Leben unterscheidet. Wenn sie im Klassenzimmer ihrer Schule von dem Palast schwärmt, in dem sie vorgibt zu leben, hat das nur wenig mit der bescheidenen Unterkunft gemeinsam, die sie mit ihrer Mutter teilt – worauf sie eine scharfzüngige Lehrerin mit einer gewissen Boshaftigkeit hinweist.

Eine Weltfremdheit zwischen Spott und Tragik

Diese Diskrepanzen zwischen dem, wie sie sich die Welt ausmalt und wie die Welt ist, die bleiben. Daraus hätte man entweder ein reines Drama machen können rund um das Thema zerplatzte Träume. Oder es wird eine Komödie daraus, die sich über die Spinnereien der selbsternannten Künstlerin lustig machen. Angel – Ein Leben wie im Traum ist irgendwie beides. Zumindest anfangs ist es möglich, sich über die verzerrte Wahrnehmung zu amüsieren, verbunden mit einem großen Selbstbewusstsein, bei dem nie ganz klar wird, worauf es überhaupt basiert. Bis zu dem Zeitpunkt, wenn sie tatsächlich Erfolge feiert, die Menschen sie für den offensichtlichen Schund lieben, den sie erfolgreich verkauft.

Die Sache hat nur zwei Haken. Der erste ist der, dass Angel von Anfang eine derart unerträgliche und unsympathische Figur, dass es nicht wirklich Spaß macht, ihr zu folgen. Warum sich der betont grimmige Maler Esmé, der sich über den schlechten Geschmack anderer beschwert, ausgerechnet in sie verliebt, wird nie klar. Der damit zusammenhängende zweite Haken ist der, dass Angel – Ein Leben wie im Traum in der zweiten Hälfte dann doch irgendwie ein ernstes Drama sein will, das Mitleid für seine Protagonistin einfordert. Dieser Wechsel funktioniert nur nicht. Genauso wenig funktioniert, dass eine Frau, die sich zu Beginn kontinuierlich über andere hinweg setzt, auf einmal ihrem Mann derart hörig ist, dass sie ohne ihn nichts mehr ist. Da wird also von einem Extrem zum nächsten gesprungen, das Publikum darf hinterher, ohne dass ein triftiger Grund gegeben würde, warum man das nun sollte.

Nicht gerade traumhaft

Hauptdarstellerin Romola Garai (Amulet – Es wird dich finden) kann man dies dabei kaum ankreiden. Sie wirft sich mit einer derartigen Energie in ihre Rolle, dass es zumindest punktuell faszinierend ist, ihr dabei zuzusehen. Und auch bei der Ausstattung überzeugt das Drama, welches 2007 im Wettbewerb der Berlinale lief. Doch das kommt dann am Ende dem Kitsch nahe, zu nahe für einen Film, der sich zunächst darüber lustig machte. Natürlich darf man dann auch über diese schwülstigen Passagen noch lachen. Wahrscheinlicher ist aber eine Mischung aus Desinteresse und Ärger, wenn die zuvor schon anstrengende Protagonistin nun auch noch ihre weinerliche Seite entdeckt. Für eine Dekonstruktion des Kleinmädchenschunds geht das hier nicht tief genug, für eine „echte“ Liebesgeschichte ist das Paar zu wenig charismatisch. Am Ende bleibt nur der Traum von einem besseren Leben – und von einem besseren Film.

Credits

OT: „Angel“
Land: Belgien, Frankreich, UK
Jahr: 2007
Regie: François Ozon
Drehbuch: François Ozon
Vorlage: Elizabeth Taylor
Musik: Philippe Rombi
Kamera: Denis Lenoir
Besetzung: Romola Garai, Michael Fassbender, Lucy Russell, Sam Neill, Charlotte Rampling, Jacqueline Tong

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Berlinale 2007 Goldener Bär Nominierung
Prix Lumières 2008 Beste Nachwuchsdarstellerin Romola Garai Nominierung

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„Angel – Ein Leben wie im Traum“ ist anfangs das spöttische Porträt eines Mädchens, das sich nach einem Kitschleben sehnt und dafür die Realität gerne mal verdrängt. Später wird der Film aber selbst zu einem kitschigen Drama, welches Anteilteilnahme für seine tragische Hauptfigur einfordert, was einfach nicht funktionieren will.
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von 10