Fuchs im Bau
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Fuchs im Bau

Kritik

Fuchs im Bau
„Fuchs im Bau“ // Deutschland-Start: 19. Mai 2022 (Kino)

Dass seine neue Stelle nicht einfach werden würde, dessen war sich Hannes Fuchs (Aleksandar Petrović) natürlich schon bewusst. Schließlich soll er als Lehrer in einer Gefängnisschule arbeiten. Doch das stellt sich am Ende noch als deutlich schwieriger heraus als erwartet. So wurde ihm im Vorfeld gesagt, dass er dort Elisabeth Berger (Maria Hofstätter) ablösen soll. Die eigenwillige Pädagogin, die sich regelmäßig mit der Gefängnisleitung anlegt, denkt aber gar nicht daran, sieht in Fuchs nicht mehr als einen Assistenten. Diese Kompetenzrangeleien sind dabei nicht das einzige Problem in der Klasse. Als eines Tages die verschlossene Schülerin Samira (Luna Jordan) in eine Schlägerei verwickelt wird und daraufhin in Isolationshaft landet, tut Fuchs alles dafür, um Zugang zu ihr zu finden …

Sträflinge sind auch nur Menschen

Aus den Augen, aus dem Sinn: In Filmen und Serien ist es meistens so, dass Gefängnisse der Endpunkt einer Geschichte sind. Ein Ort, an dem die bösen Figuren landen, nachdem die Helden ihre Arbeit gemacht haben. Wie es dort aber ist, wie es sich lebt, losgelöst von einem Fall, das ist weniger relevant. Klar, Gegenbeispiele gab es immer mal wieder, allen voran Die Verurteilten. Und natürlich erfreute sich auch Orange Is the New Black größerer Beliebtheit, wenn in insgesamt sieben Staffeln das Gefängnis zu einem Mikrokosmos wird, in dem die unterschiedlichsten (Vor-)Geschichten erzählt werden. Um den tatsächlichen Alltag geht es jedoch auch dort nicht unbedingt, der Unterhaltungsfaktor ist im Zweifelsfall doch wichtiger.

Fuchs im Bau ist in der Hinsicht noch mal ein gutes Stück spröder – und bitterer. Ein großer Unterschied ist, dass hier Erwachsenen im Mittelpunkt stehen, sondern ein Haufen Jugendlicher, die ihr Leben schon so früh versaut haben, dass sie eigentlichen keine Perspektive mehr haben. Gleichzeitig erzählt das österreichische Drama von dem Kampf gegen diese Perspektivlosigkeit. Das Motto von Berger ist: Mit der Schule haben die jungen Menschen später vielleicht keine Chance, ohne haben sie definitiv keine Chance. Die Stimmung schwankt dann auch zwischen Fatalismus und Hoffnung, zwischen Wut und Ohnmacht und dem Willen, etwas zu ändern.

Der Stoff ist eigentlich wie gemacht für einen Wohlfühlfilm mit humorvoller Note, wie es letztes Jahr die französische Tragikomödie The Big Hit vorgemacht hat. In Fuchs im Bau gibt es hingegen keinen Humor, allenfalls Witze auf Kosten anderer, mit dem Ziel der Demütigung. Und auch bei Wohlfühlelementen gibt man sich hier sparsam. So sind sie zwar vorhanden, die kleinen Momente, in denen doch etwas bei den Jugendlichen hängenbleibt, eine Verbindung entsteht, man den Eindruck hat, dass die Leute zusammenkommen. Doch die sind nicht von Dauer, auch weil Teamarbeit hier kein Thema ist. Innerhalb der Klasse wird kräftig aufeinander eingeprügelt, mal wörtlich, mal im übertragenen Sinn. Und auch bei den Erwachsenen dominieren Spott und Aggression.

Ein Drama auf Distanz

Das macht den Film natürlich weniger zugänglich. Regisseur und Drehbuchautor Arman T. Riahi, der zuletzt die spöttische Komödie Die Migrantigen gedreht hat, verweigert dem Publikum eindeutige Sympathieträger und Identifikationsfiguren. Selbst Fuchs, der ein wenig als Alter Ego von Zuschauer und Zuschauerin eingeführt wird, ist zu unnahbar, zu grimmig, trägt zu viel in sich herum, das er nicht preisgeben will. Letzteres hätte es dabei nicht unbedingt gebraucht. Der Nebenstrang um ihn, seine musikalischen Ambitionen und das zerstörte Privatleben werden zu wenig verfolgt, als dass sie wirklich Bedeutung annehmen würden. Schade ist auch, dass Berger so sehr hinter der sarkastisch-provokativen Fassade verschwindet, ohne eine Möglichkeit sie kennenzulernen. Von der Klasse ganz zu schweigen, von der man praktisch gar nichts erfährt.

Sehenswert ist das Drama, welches auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis 2021 Deutschlandpremiere hatte und mehrfach ausgezeichnet wurde, aber auch so. So sind die Auftritte von Aleksandar Petrović und Maria Hofstätter als ungleiches Lehrerpaar stark. Diverse eindrucksvolle Szenen gehen durch Mark und Bein, gerade die gewalttätigen und gleichzeitig befreienden Momente, wenn sich das Innenleben seinen Weg freikämpft, bleiben in Erinnerung. Und natürlich ist Fuchs im Bau trotz allem eine Aufmunterung nicht aufzugeben, weder sich selbst noch andere, sondern weiterzumachen, weiterzukämpfen, selbst wenn es keine Garantie gibt, jemals aus dem Bau wieder herauszukommen.

Credits

OT: „Fuchs im Bau“
Land: Österreich
Jahr: 2020
Regie: Arman T. Riahi
Drehbuch: Arman T. Riahi
Musik: Karwan Marouf
Kamera: Mario Minichmayr
Besetzung: Aleksandar Petrović, Maria Hofstätter, Luna Jordan, Andreas Lust, Sibel Kekilli

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Fuchs im Bau
Fazit
„Fuchs im Bau“ folgt einem Lehrer während seiner neuen Arbeit in einer Gefängnisschule. Das wäre Stoff für einen Wohlfühlfilm gewesen, ist stattdessen aber ein bitteres Drama, das von Traumata, Enttäuschungen und jeder Menge Aggression geprägt ist. Das ist nicht ganz zugänglich, zumal die Figuren auf Distanz bleiben, aber doch insgesamt sehenswert mit einigen eindrucksvollen Szenen.
7
von 10