Tote schlafen besser The Big Sleep
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Tote schlafen besser

Kritik

Tote schlafen besser The Big Sleep
„Tote schlafen besser“ // Deutschland-Start: 18. Mai 1979 (Kino) // 3. April 2020 (DVD)

Seit dem Ende des Krieges wohnt und arbeitet Privatdetektiv Philip Marlowe (Robert Mitchum) nicht mehr länger in den Staaten, sondern in England, wo ihn sein neuester Fall mit der High Society des Landes bekannt macht. Wegen einer Erpressung, welche ihn zwar finanzielle nicht belastet, aber einen ärgerlichen Skandal nach sich ziehen würde, stellt der Kriegsheld General Sternwood (James Stewart) Marlowe ein und betraut ihn mit der Klärung der Angelegenheit. Was zunächst wie ein einfacher Fall aussieht, erweist sich schon bald als eine weitaus komplexere Geschichte, in die auch die beiden Töchter des Generals, Charlotte (Sarah Miles) und Camilla (Candy Clark), verwickelt sind sowie das mysteriöse Verschwinden von Charlottes Ehemann. Die Erpressung hat Marlowe zwar schon bald aufgeklärt, doch seine Ermittlungen, die ihn nicht nur zu einem ganzen Erpresserring führen, bringen ihn auch in Kontakt mit der Londoner Unterwelt, zwielichtigen Gestalten und Schlägern, die in dem Detektiv eine Bedrohung für ihre Geldquellen und Geschäfte sehen. Für Marlowe beginnt eine Ermittlung, die nicht nur sein Geschick als Ermittler erfordert, sondern auch sein Fingerspitzengefühl, wenn es darum geht, die einzelnen Parteien gegeneinander auszuspielen.

Die Moral der Reichen
Bereits mehrfach wurden die berühmten Romane Raymond Chandlers, die sich um die Figur des Privatdetektivs Philip Marlowe drehen, verfilmt, wobei besonders die Darstellung Humphrey Bogarts in Howard Hawks’ Tote schlafen fest im Gedächtnis geblieben ist sowie die von Ellliot Gould in Robert Altmans Der Tod kennt keine Wiederkehr. Nach seinem Ausflug in Horrorgenre mit Hexensabbat widmete sich der britische Regisseur Michael Winner (Ein Mann sieht rot) einer Adaption von Chandlers vielleicht bestem Roman The Big Sleep, dessen Handlung er nach England versetzte. Herausgekommen ist dabei ein Kriminalfilm, der sich, wie die Vorlage, der dünnen Schicht von Moral und Zivilisiertheit der Oberschicht widmet, die, wenn man genau hinsieht oder nachforscht, vielleicht noch viel verlogener ist als die Verbrecher, denen Marlowe während seiner Ermittlungen begegnet.

Interessant, aber durchaus etwas gewöhnungsbedürftig ist der Wechsel schon von den dunklen Gassen der amerikanischen Großstadt hin zu den Reihenhaussiedlungen und Landhäusern Englands. Eine Figur wie Marlowe, oder generell viele der berühmten Detektivfiguren, sind so eng verknüpft mit einem urbanen Setting, dass eine Figur wie Marlowe mit seinem Verhalten und seinen Ermittlungsmethoden zunächst wie ein Fremdkörper in dieser Welt erscheint. Doch gerade in diesem Kontrast zeigt sich die Attraktivität von Winners Vision, der Marlowe als einen Wiedergänger zwischen den Welten und gesellschaftlichen Schichten sieht, aber keiner wirklich angehört und immer etwas außerhalb steht. Darüber hinaus betonen die Wechsel von prächtigen Anwesen hin zu schmierigen Nachtclubs die Hierarchien innerhalb der Welt des Films, die sich, wie man im Laufe der Handlung herausfindet, nur durch Äußerlichkeiten, nicht aber im Charakter unterscheiden.

Alles für Geld
In der Rolle als Marlowe ist ein gestandener Darsteller wie Robert Mitchum eine durchaus geeignete Wahl. Die scheinbar unbewegliche Mimik scheint durch nichts erschüttert zu werden, egal, wie schrecklich es auch sein mag oder wie verführerisch. Mitchum als Marlowe ist das Sinnbild des abgekochten Detektivs, wie es die Kennzeichnung „hard-boiled“ in Bezug auf die literarische Vorlage signalisiert, doch auch dies ist nur eine Fassade, die es Marlowe ermöglicht seine Arbeit zu verrichten. In wenigen bezeichnenden Momenten fällt diese nämlich von ihm und man sieht den Menschen Marlowe, der nach Prinzipien wie Ehrlichkeit und Würde handelt. So erhebt er beispielsweise zum ersten Mal seine Stimme, als man ihn nach all den Toten und moralischen Abgründen nach seinem Lohn fragt.

Wie der von Charles Bronson gespielte Bob Kersey in Ein Mann sieht rot, ist auch dieser Marlowe ein Mensch mit Prinzipien, einem starken Gerechtigkeitssinn, der an entscheidenden Stellen zum Vorschein kommt. Leider fehlt es Winners Film an der formalen Finesse, welche beispielsweise Hawks’ oder Altmans Adaption auszeichnet, doch unterhaltsam ist seine Fassung in jedem Fall, was nicht zuletzt den Darstellern geschuldet ist.

Credits

OT: „The Big Sleep“
Land: UK, USA
Jahr: 1978
Regie: Michael Winner
Drehbuch: Michael Winner
Vorlage: Raymond Chandler
Musik: Jerry Fielding
Kamera: Robert Paynter
Besetzung: Robert Mitchum, Sarah Miles, Edward Fox, John Mills, Oliver Reed, Joan Collins, James Stewart

Bilder

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„Tote schlafen besser“ ist eine solide Detektivgeschichte, mit vielen schauspielerischen wie auch thematische gelungenen Ansätzen. Gerade der Wechsel des Handlungsortes, der bei Winner mehr ist als reines Dekor, gibt der Geschichte einen interessanten neuen Aspekt, der aber nicht ausreicht, um die formale Finesse anderer Adaptionen zu erreichen.
6
von 10