The Woman Who Ran
© Jeonwonsa Film Co. Production

The Woman Who Ran

Kritik

The Woman Who Ran
„The Woman Who Ran“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Eigentlich gibt es für Gam-hee (Min-hee Kim) nur einen Platz in der Welt: an der Seite ihres Mannes. Seit fünf Jahren ist sie mit ihm bereits verheiratet, fünf Jahre lang haben sie sich jeden Tag gesehen. Doch jetzt ist er auf Geschäftsreise, weshalb Gam-hee erst einmal auf sich gestellt ist. Also beschließt sie, die Zeit für sich zu nutzen, etwas alleine zu unternehmen, aber auch Freundinnen wieder zu treffen, zu denen der Kontakt in den letzten Jahren etwas eingeschlafen war …

In den letzten Jahren hat das südkoreanische Kino auch im Westen deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen, mit dem großen Oscar-Triumph von Parasite als Krönung des Trends. Dabei befassen sich die Filme oft mit gesellschaftlichen Missständen, erzählt in Verbindung mit Genremechanismen. Vor allem Thriller sind bei uns so heiß begehrt, dass sie einen festen Platz im Handel wie auch bei Filmfesten erkämpft haben. Einen ganz anderen Weg geht hingegen Sang-soo Hong, der sich mit leisen, sehr persönlichen Dramen einen Namen machte. Für ein größeres Publikum sind diese war weniger interessant, weshalb seit On the Beach at Night Alone vor bald drei Jahren auch nichts in die Kinos kam. Dafür sind seine Werke auf Festivals gern gesehene Gäste.

Gespräche des Alltags
Das gilt dann auch für seinen neuesten Film The Woman Who Ran, der auf der Berlinale 2020 Weltpremiere feierte und ihm dort den Silbernen Bären als bester Regisseur einbrachte. Wirklich viel anders als bei den vorangegangenen Dramen ist hier nichts, Fans werden die Handschrift des Filmemachers gleich wiedererkennen. Zum einen spielt Min-hee Kim die Hauptrolle, wie bei all seinen Filmen, seitdem die Affäre der beiden bekannt wurde. Wichtiger noch ist aber die inhaltliche Kontinuität: Es geht erneut um persönliche Geschichten, oft im zwischenmenschlichen Bereich, um Missverständnisse zwischen Mann und Frau. Viel Handlung gibt es dabei traditionell nicht, dafür wird umso mehr geredet.

Neu ist dabei, dass diese Gespräche größtenteils zwischen Frauen stattfinden. In mehreren unzusammenhängenden Episoden erzählt Hong von den Treffen seiner Protagonistin mit Freundinnen, mal geplant, mal nicht. Diese Gespräche können alles Mögliche zum Inhalt haben. Da geht es um die Hühner des Nachbarn oder gemeinsame Bekannte. Und um Männer: Immer wieder erklärt Gam-hee, wie eng sie und ihr Mann sich stehen, ohne dass dabei ganz klar wird, wie viel davon nun tatsächliche Überzeugung und Gefühl ist, wie viel Druck von außen. Denn er ist, so viel hört man heraus, der diese Unzertrennlichkeit als Zeichen von Liebe einforderte.

Der Mann als (selbsternanntes) Zentrum
Überhaupt sind es die Männer, die sich immer wieder Zutritt in das Leben der Frauen verschaffen, sei es inhaltlich, indem sie die Gespräche trotz ihrer Abwesenheit dominieren. Es können aber auch ganz physische Auftritte sein. Eine der unterhaltsamsten Szenen ist, wenn ein Nachbar darauf besteht, doch bitte keine Katzen mehr im Hof zu füttern, weil seine Frau vor diesen Angst hätte. In wunderbar höflichen Ausdrücken voller Plattitüden eskaliert ein absurder Streit, während gleichzeitig eine dicke Katze danebensitzt und sich die Auseinandersetzung anschaut – in der Erwartung, dass es bald Futter gibt.

In diesem Stil geht es weiter: 77 Minuten lang wechseln ohne roten Faden oder eine Spannungskurve Banalitäten, die gleichzeitig einiges über die Leute und ihr Umfeld verraten. Verletzte männliche Eitelkeit, verfehlte Besitzansprüche, verbunden mit den Fragen, wer man ist, was man vom Leben erwartet und warum irgendwie alles ganz anders kam. Hong verwendet dabei einen durchaus humorvollen Ton, gerne etwas spöttisch. Gleichzeitig ist The Woman Who Ran aber auch ein tragischer Film über Menschen (und Tiere), die entweder eingesperrt sind oder keinen wirklichen Platz für sich gefunden haben. Ein Film, der selbst das Gefühl vermittelt, dass da mehr sein muss, dass man wegrennen möchte – ohne jedoch ein Ziel vor Augen zu haben.

Credits

OT: „Domangchin yeoja“
Land: Südkorea
Jahr: 2020
Regie: Sang-soo Hong
Drehbuch: Sang-soo Hong
Musik: Sang-soo Hong
Kamera: Su-min Kim
Besetzung: Min-hee Kim, Seon-mi Song, Young-hwa Seo, Sae-Byuk Kim, Eun-mi Lee, Hae-hyo Kwon

Bilder

Trailer

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In „The Woman Who Ran“ besucht eine Frau, die zum ersten Mal seit Jahren nicht an der Seite ihres Mannes ist, einige Freundinnen. Die Gespräche drehen sich um Banalitäten, haben gleichzeitig aber vieles zu sagen, gerade auch um das Verhältnis der Geschlechter, sind mal auf absurde Weise komisch, dann wieder tragische Beispiele verpasster Gelegenheiten und eines nicht erfüllten Lebens.
7
von 10