Feuerpferde

Feuerpferde

Kritik

Feuerpferde
„Feuerpferde“ // Deutschland-Start: 18. September 2009 (DVD)

Mitten in den Karpaten in einem kleinen Dorf der Huzulen, einem Bergvolk der Region, leben die Familien des jungen Iwan (Iwan Mikolaitschuk) und der etwa gleichaltrigen Maritschka (Larissa Kadotschnikowa). Die Zuneigung der beiden zueinander ist sehr stark, doch muss sie ein Geheimnis bleiben, da ihre Familien nach einem unglücklichen Streit verfeindet sind. Trotz der offenen Aggressionen innerhalb des Dorfes versuchen sie sich ein gemeinsames Leben aufzubauen. Doch während Iwan nach einer Arbeit sucht, geschieht in seiner Heimat ein großes Unglück und Maritschka ertrinkt. Tief gezeichnet durch diese Tragödie wird Iwan zu einem Schatten seiner selbst, verfällt in tiefe Depressionen und kümmert sich nicht mehr um den elterlichen Besitz. Einzig die Begegnung mit der schönen Palagna (Tatjana Bestajewa) kann ihn aus seinen dunklen Gedanken befreien, jedoch steht auch ihre Verbindung unter keinem guten Stern und die Erinnerung an Maritschka wird mit jedem Tag stärker.

Schatten vergessener Vorväter
Sergei Paradschanow ist neben Andrei Tarkowski (Solaris, Stalker) wohl einer der bekanntesten Regisseure der ehemaligen Sowjetunion. Nicht nur eine tiefe Freundschaft verband die beiden Filmemacher, sondern auch immer wieder Zwiste mit der sowjetischen Obrigkeit, die im Falle Paradschanows sogar in Gefängnisaufenthalten mündeten. Auch Feuerpferde, oder Schatten vergessener Vorväter, wie der Film im Original heißt, bildet keine Ausnahme, wich er doch deutlich von eben jenem Realismus ab, den der Staat zu jener Zeit sehen wollte.

Insgesamt konzentriert sich das filmische Schaffen Paradschanows mit Vorliebe auf die Völker und die Landschaften des Kaukasus. Bereits in den ersten Minuten des Films wird der Zuschauer wie in einem Rausch in das Leben, die Menschen, ihre Kultur und Musik eingeführt, eine Flickenteppich aus Eindrücken, welcher den ganzen Film begleitet, aber nie zu reinem Selbstzweck oder bloßem Lokalkolorit verkommt. Vielmehr bildet Feuerpferde unter anderem einen Konflikt nach, der sich in der Liebesgeschichte Iwans und Maritschkas zeigt, nämlich jenen zwischen Tradition und Dorfgemeinschaft sowie dem Individuum. Die Gesänge und Klänge erscheinen wie Wehklagen, Ausrufe der Freude oder schlicht Reflexionen jenes jungen Glücks, ihrer Emotionen aber auch ihrer Sexualität, die immer nur angedeutet wird. Dorfgemeinschaft, Tratsch, Religion und Aberglaube bilden jenes Korrektiv, welches mit einem wachen Auge über seine Mitglieder wacht, ausschließt und bestraft.

Bisweilen erinnert Feuerpferde an eine Mischung aus Märchen und Legende. Die dynamische Handkamera wirkt fast wie eine Art Anachronismus zu dieser Welt und diesem Narrativ, die nicht nur eben jenen multisensorischen Rausch der Eindrücke betonen, sondern auch immer wieder fragen, inwiefern Iwan Herr über seine Handlungen ist, inwiefern er als Teil eben dieser Erzählung seinem Schicksal ausweichen kann. In Verbindung mit der Darstellung der Dorfgemeinschaft wirkt diese Struktur bisweilen gar fatalistisch.

Zwischen Traum und Wirklichkeit
Trotz dieser Möglichkeiten bleibt die Bilder- und Klangwelt in Feuerpferde ein facettenreiches Kunstwerk in sich. Die Mischung der Kultur der Huzulen, des omnipräsenten Gesangs und der Musik sowie der Kameraarbeit verwischt immer wieder die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen der Realität der Figuren und deren Wünschen oder Sehnsüchten. Bezogen auf die Figur Iwan Mikolaitschuks gibt diese Herangehensweise Blick in das Innenleben der Figur, wie ihn sein Trauma verändert hat zu einem Menschen, in dem das Helle stets einen Kampf austragen muss mit jenen dunklen Gedanken, die immer noch in ihm brodeln.

Credits

OT: „Tini zabutykh predkiv“ 
Land: Sowjetunion
Jahr: 1964
Regie: Sergei Paradschanow
Drehbuch: Iwan Tschendej, Sergei Paradschanow
Musik: Myroslaw Skoryk
Kamera: Juri Iljenko, Viktor Bestajew
Besetzung: Iwan Mikolaitschuk, Larissa Kadotschnikowa, Nikolai Grinko, Spartak Bagaschwili, Tatjana Bestajewa

Filmfeste

Locarno 1966

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„Feuerpferde“ ist ein eindrucksvoller, sehenswerter Rausch der Bilder. Inspiriert von der Kultur der Bergvölker der Karpaten, deren Mythen, Liedern und Legenden gelingt Sergei Paradschanow ein Film, der seine vielen Einflüsse zu einer Geschichte um Liebe, Religion und Aberglaube verdichtet.
9
von 10