Nran Grunye Die Farbe des Granatapfels
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Die Farbe des Granatapfels

Kritik

Nran Grunye Die Farbe des Granatapfels
„Die Farbe des Granatapfels“ // Deutschland-Start: 27. Januar 1982 (Kino)

In insgesamt acht Kapiteln erzählt der Film das Leben des armenischen Poeten und Sängers Sayat Nova. Angefangen bei dessen Kindheit über seine Zeit im Kloster und seiner ersten Liebe bis hin zu seinem Tod konzentriert sich der Film auf einschneidende Situationen im Leben Sayat Novas. Neben seiner Beziehung zu seinen Eltern und seiner Umwelt erhält der Zuschauer Einblicke in die armenische Kultur, die Traditionen, den Aberglauben wie auch die Religion. Darüber hinaus geht es auch um die künstlerische Selbstfindung. Über den reichen Kulturschatz sowie die Erfahrungen in seinem Leben kristallisieren sich die Themen der Texte Sayat Novas heraus zusammen mit der Sprache und der Symbolik, die essenziell für seine Kunst wird. Gespiegelt wird dies in der Form des Films, der sich dieser Texte bzw. Lieder bedient und ihre Metaphorik abbildet.

Die Mystifizierung der Welt
Nachdem der armenische Regisseur Sergei Paradschanow seine Kunst lange Zeit in den Dienst der sozialistischen Idee gestellt hatte, wandte er sich mit seinem Film Schatten vergessener Ahnen von diesem ab. Dieser Entschluss sollte ihm zwar international sehr viel Anerkennung einbringen, allerdings auch auf direkten Konfrontationskurs mit der staatlichen Behörden, die seine Filme entweder stark zensierten oder gleich ganz verbannten. Der eigentlich Sayat Nova betitelte Film verdankt den Namen Die Farbe des Granatapfels eben jener Zensur, die in dem visuell verschachtelten Werk keine Biografie des bekannten Künstlers erkennen wollten. Zudem fanden die zahlreichen Verweise auf die Religion bei den Behörden wenig Anklang und wurden schlussendlich in der russischen Version des Films heruntergespielt.

Es ist von daher vor allem die armenische Version, die der Vision Paradschanows entspricht und die man nun auf Plattformen wie Filmingo bewundern kann und sollte. Zu staunen gibt es derweil viel in dem reichen audiovisuellen Flickenteppich, der sich bereits in den ersten Minuten vor dem Zuschauer ausbreitet und der weniger um Linearität bemüht ist, sondern um die Verbildlichung der künstlerischen Wahrnehmung der Welt. In gewisser Weise kommt Die Farbe des Granatapfels dem Ausdruck der Poesie mit den Mitteln des Films nahe, eine Unmöglichkeit nach der Meinung Andrei Tarkowskis, die dieser in seinem Essay Die versiegelte Zeit beschreibt.

Die Bilder scheinen für sich zu stehen durch die Einteilung in verschiedene Segmente, jedoch täuscht dies. Immer wieder tauchen musikalische Themen, bestimmte Gesänge oder Symbole in verschiedenen Einstellungen auf, was die Verbundenheit der Kapitel demonstriert wie auch den Reifungsprozess des Künstlers, der die Eindrücke der Welt mit seiner Kunst und seinem bisherigen Leben verbinden kann. Diese Wirkung wird zusätzlich verstärkt, dass Paradschanow seine Schauspieler, wie beispielsweise seine Muse Sofiko Tschiaureli in mehreren Rollen besetzt. So mystifiziert die Kamera Suren Schachbasjan die Welt und das Leben des Poeten oder betont diesen Prozess, ein Vorgang der nicht unähnlich der Sprache eines Gedichts ist, welche in gleichem Maße mit den Mitteln der Verdichtung und der Chiffre arbeitet.

Die fortwährende Suche nach Liebe
Bei einer solchen Herangehensweise ist man gewillt, einen Film wie Die Farbe des Granatapfels als hermetisch zu bezeichnen, aber dies ist irreführend. Vielmehr wird man Zeuge einer Entwicklung, eines Menschen und eines Künstlers, der sich immer auf der Suche wähnt nach Liebe, nach Geborgenheit und einem Platz in der Welt, Motive, die jedem Zuschauer ein Begriff sein sollten.

Genauso wird man begreifen können, dass die Sprache bei dieser Suche an ihre Grenzen stößt, die des Poeten wie auch des Films. Das Zusammenspiel dieser Aspekte kann eine Annäherung an Gefühle und Zustände sein, die man nicht ausdrücken kann (oder will). Daher ist jenes Versagen der Sprache immer gebunden an eine Einsicht, an eine Veränderung, ähnlich dem stets wiederkehrenden Bild des Granatapfels, dessen roter Saft für den Tod stehen kann, aber auch für das Entstehen von etwas Neuem, eines Bildes beispielsweise.

Credits

OT: „Nran Grunye“
Land: Armenien
Jahr: 1969
Regie: Sergei Paradschanow
Drehbuch: Sergei Paradschanow
Musik: Tigran Mansurjan
Kamera: Suren Schachbasjan
Besetzung: Wilen Galustjan, Sofiko Tschiaureli, Meikon Akejan, Georgi Gegetschkori

Trailer

Filmfeste

Cannes 2014
Toronto International Film Festival 2014

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„Die Farbe des Granatapfels“ ist ein visuell berauschender Film über das Leben eines Künstlers und über dessen Sprachfindung. Sergei Paradschanow schuf einen schönen Film, der durch Verweise auf die armenische Kultur, deren Tradition und deren Bilder den Zuschauer auf unschätzbare Weise belohnt.
9
von 10