My Zoe
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My Zoe

My Zoe
„My Zoe“ // Deutschland-Start: 14. November 2019 (Kino)

Eigentlich hat Isabelle (Julie Delpy) keinen wirklichen Grund zum Klagen. Sie hat einen festen Job als Genetikerin, ist glücklich mit Akil (Saleh Bakri) liiert. Vor allem aber hat sie eine hinreißende Tochter: Zoe (Sophia Ally), ihr ein und alles. Leider gibt es aber auch James (Richard Armitage), ihren Exmann. Schon die Ehe war nicht übermäßig glücklich, seit der Trennung ist es nicht besser geworden, immer wieder streiten sich die beiden um Zoe, um die richtige Erziehung und wer sie wie wann wie haben darf. Doch dann kommt es eines Tages zu einer Katastrophe …

Julie Delpy hat sicher eine der größten internationalen Karrieren derzeitiger französischer Schauspielerinnen vorzuweisen – und eine der eigenartigsten. Das betrifft insbesondere die Filme, bei denen sie nicht allein vor der Kamera steht, sondern auch direkt zum Film selbst beigetragen hat. Berühmt und hoch gelobt sind beispielsweise Before Sunset und Before Midnight, an deren Drehbüchern sie beteiligt war. Am anderen Ende der Qualitätsliga: Lolo – Drei ist einer zu viel, eine platte Komödie über einen Sohn, der die neue Beziehung seiner Mutter sabotiert. Delpy übernahm hier nicht nur die Hauptrolle, auch Regie und Drehbuch gehen auf ihr Konto.

Warten lohnt nicht immer
Das gilt dann auch für My Zoe, ein Drama, an dem die Französin über zwanzig Jahre gewerkelt hatte, bis es endlich dieses Jahr beim Toronto International Film Festival seine Weltpremiere hatte. Doch so schön es wäre, das als gute Nachricht zu feiern, das Ergebnis lässt das nicht wirklich zu. Wie sehr Delpy das Thema am Herzen liegt, das merkt man ihrem Film zwar durchaus an. Es ist auch ein durchaus interessantes Thema, mit dem sie das Publikum da konfrontiert. Bei der Ausarbeitung hapert es jedoch gewaltig, selten hat es einen Film gegeben, der derart stark Stückwerk bleibt.

Anfangs meint man, es hier mit einem Scheidungsdrama zu tun zu haben. Delpy lässt sich viel Zeit, die Situation von Isabelle aufzuzeigen, ihren Alltag, die Schwierigkeiten, Beruf und Erziehung unter einen Hut zu bringen. Und sie zeigt, wie katastrophal die Ehe gewesen sein muss, wenn selbst nach deren Ende immer wieder böse Worte fallen, nahezu jeder Satz eine kleine Spitze oder einen leisen Vorwurf enthält. Dieser Part ist der Französin ganz gut gelungen, steht in der Tradition von Werken wie Kramer gegen Kramer. Etwas bedauerlich ist hier nur, dass die Sympathien ein bisschen einseitig verteilt sind, wenn James als Monster dargestellt wird, Isabelles Anteil an der Krise hingegen kaum thematisiert wird.

Moment, wie, was?
Das eigentliche Problem ist aber, dass sich My Zoe in der zweiten Hälfte in einen komplett anderen Film verwandelt mit einem völlig neuen Thema. Dieses ist nicht minder relevant, wird aber unzureichend vorbereitet. Das betrifft schon die zeitliche Einordnung, die hier erst spät erfolgt, weswegen die einzelnen Elemente wie aus dem Nichts kommen. Aber auch inhaltlich kommt das alles mehr oder weniger aus dem Nichts. Damit hat Delpy weder sich noch dem Publikum einen Gefallen getan, wenn es im Anschluss im Kinosaal sitzt und vor lauter Verwunderung überhaupt nicht dazu kommt, über die Thematik nachzudenken. Da hätte sich die Filmemacherin letztendlich auf einen von beiden Aspekten konzentrieren müssen, anstatt sie so unvermittelt und gleichberechtigt nebeneinander zu stellen.

Aber auch innerhalb dieses zweiten Handlungsstrangs tauchen immer wieder Fragen auf, die von Delpy mit Sicherheit nicht so beabsichtigt waren. Da kommt es zu größeren Zeitsprüngen, die nicht kenntlich gemacht werden und damit die einzelnen Ereignisse wirkungslos verpuffen lassen. Die Figuren verhalten sich auf eine wenig nachzuvollziehende Weise. Und auch praktische Hindernisse werden einfach mal ignoriert, so als würde es sie gar nicht geben. Die berechtigten Aufforderungen ans Publikum, sich in die Situation hineinzuversetzen und eigene Reaktionen zu hinterfragen, funktionieren da schlecht, wenn man die Situation erst gar nicht glaubt. Und das ist schade, denn die Idee hinter My Zoe hätte deutlich mehr hergegeben.



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„My Zoe“ beginnt als etwas einseitiges, aber schön umgesetztes Scheidungsdrama, bis der Film in der zweiten Hälfte plötzlich zu etwas völlig anderem wird. Doch es ist nicht nur der schlampig vorbereitete Übergang, der dem an und für sich interessanten Thema zum Verhängnis wird. Auch für sich genommen ist die zweite Hälfte voller unnötiger Mängel.
5
von 10