Meine Nachbarn mit dem dicken Hund
© ARD Degeto/Conny Klein

Meine Nachbarn mit dem dicken Hund

Meine Nachbarn mit dem dicken Hund
„Meine Nachbarn mit dem dicken Hund“ // Deutschland-Start: 18. Oktober 2019 (Kino)

Ein halbes Jahr ist es inzwischen her, dass Susanne (Steffi Kühnert) von ihrem Mann sitzen gelassen wurde. Drüber hinweg ist sie aber noch immer nicht. Im Gegenteil: Die meiste Zeit über bleibt sie zu Hause und verschweigt allen aus Scham, was vorgefallen ist. Umso schlimmer, dass ihr nun auch dieser Rückzugsort geraubt wird, als nebenan die junge alleinerziehende Mutter Kim (Zoë Valks) und ihre siebenjährige Tochter Saphir (Theodora Tetzlaff) einziehen. Die sind laut, die sind chaotisch und haben zu allem Überfluss auch noch einen riesigen Hund. Dabei hasst Susanne Hunde. Doch nach und nach kommen sich die ungleichen Nachbarn näher, was für alle große Chancen bringt – aber auch großen Ärger …

Es gehört zu den beliebten Szenarios des Wohlfühlkinos: Ein grantiger alter Mensch trifft auf jemand deutlich Jüngeres, gern auch ein Kind, und entdeckt dabei das eigene Herz wieder. Meistens handelt es sich dabei um ältere Herren wie in St. Vincent. Auch in Hot Air kürzlich durfte ein verbitterter Radiomoderator wieder freundlichere Gefühle entdecken. Grundsätzlich spricht aber auch nichts dagegen, dass eine Frau mit den Jahren vereinsamt und verhärmt, weswegen sie in Folge erst einmal niemanden mehr an sich heranlässt. Ein Beispiel hierfür ist Zu guter Letzt mit Shirley MacLaine als kontrollsüchtiger Geschäftsfrau.

Durch alte Augen
Ein weiteres Beispiel, dieses Mal ohne große Stars, kommt nun aus Deutschland. Wobei der Vergleich nicht ganz trifft, da Susanne im Gegensatz zu den US-Kolleg*innen kein völliges Biest ist, das anderen schon aus Prinzip und mit viel Freude das Leben zur Hölle macht. Sie meckert zwar ein bisschen viel, verkriecht sich aber ansonsten lieber, anstatt andere zu konfrontieren. Ein weiterer Unterschied: Meine Nachbarn mit dem dicken Hund erzählt die Geschichte aus ihren Augen. Wo in anderen Filmen der Fokus auf den jungen Menschen liegt, die zusammen mit dem Publikum an den alten verzweifeln und erst später erfahren, wie und wer sie sind, da verrät man hier gleich zu Beginn, was Sache ist.

Dieser etwas andere Zugang bringt eigene Stärken und Schwächen mit sich. Beispielsweise erlaubt die frühzeitige Erklärung, dass man deutlich mehr Anteilnahme mit Susanne zeigt. Anstatt sie zu der bösen Alten von nebenan zu machen, wissen wir, wie es um sie steht, wie sehr sie an der Situation leidet, wie wenig ihr geblieben ist. Umgekehrt bedeutet es aber auch, dass der große Überraschungsmoment wie bei den US-Filmen ausbleibt, wenn erst spät die Hintergrundgeschichte offenbart wird. Es fehlen die Wendepunkte, die bei einer solchen Geschichte normalerweise immer vorkommen, wenn vom auf und ab der Beziehung die Rede ist.

Ich suche Streit … irgendwie
Die gibt es in Meine Nachbarn mit dem dicken Hund trotz allem. Allerdings wurde das etwas erzwungen, indem plötzlich Konflikte aufgebaut werden, die einfach nicht schlüssig sind. Offenbar, weil die Ideen fehlten, wie man anderweitig für eine Spannungskurve sorgen könnte. Spannend ist die Tragikomödie, die beim Filmfest München 2019 Premiere feierte, aber ohnehin nicht. Auch wenn der Film sich teilweise von dem starren Schema einer solchen Alt-Jung-Freundschaft löst, im Großen und Ganzen hält sich die TV-Produktion dann doch an genau das, was man hier erwarten kann. Wer mehr als Wohlfühl-Bestätigung erhofft, kann das gleich bleiben lassen, dafür ist die Tragikomödie einfach nicht gemacht.

Das hört sich vielleicht langweilig an. Und doch überzeugt Meine Nachbarn mit dem dicken Hund bei den Punkten, auf die es ankommt. Das von Kathi Liers verfasste Drehbuch ist tatsächlich witziger, als man erwarten durfte. Auch die Figuren machen Spaß, wenn sie mit diversen Spleens ausgestattet sind, die sie wohltuend von dem Fernseheinerlei abheben. Sympathisch ist es ja ohnehin immer, wenn Fremde zu Freunden werden, Graben überwunden, Filme einem vormachen, wie schön und bereichernd es sein kann, einfach mal nett zu anderen zu sein – selbst wenn die riesige, hässliche Köter zu Hause haben.



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„Meine Nachbarn mit dem dicken Hund“ nimmt das beliebte Szenario, dass ein verbitterter alter Mensch dank junger Impulse zurück ins Leben findet. Die deutsche TV-Produktion erzählt die Geschichte vor allem aus Sicht der älteren Protagonistin, was den Film etwas von gleichartigen Kollegen unterscheidet. Große Überraschungen sind dennoch Mangelware, die Stärken liegen vielmehr beim Humor und den Figuren.
6
von 10