Datsche
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Datsche

Datsche
„Datsche“ // Deutschland-Start: 3. Oktober 2019 (Kino) // 16. Juli 2020 (DVD)

Eigentlich lebt Valentin (Zack Segel) ja in New York, wo er noch immer mit überschaubarem Erfolg an seinem Durchbruch als Schauspieler arbeitet. Doch als sein Großvater stirbt und ihm eine Datsche in Berlin hinterlässt, packt er seine Siebensachen, um sich das alles mal anzuschauen. Die ersten Überraschungen lassen jedoch nicht lange auf sich warten, als er einen Fuß in die Schrebergartensiedlung setzt. So hatte er sich die Hauptstadt irgendwie nicht vorgestellt. Und dann muss er auch noch feststellen, dass auf dem Dachboden der Datsche jemand lebt: Adam (Kunle Kuforiji), ein äthiopischer Flüchtling, der sich dort aus Angst vor einer Abschiebung versteckt. Und er wird nicht der einzige sein, dem Valentin im Lauf des Sommers begegnet …

Der Tag der deutschen Einheit fällt dieses Jahr auf einen Donnerstag, der bekanntlich hierzulande Kinotag ist. Das ließen sich die hiesigen Verleihe natürlich nicht zweimal sagen und brachten daher eine Reihe von Titeln in die Lichtspielhäuser, die sich auf die eine oder andere Weise mit dem Deutschsein auseinandersetzen. Deutschstunde versetzt uns zurück in den Zweiten Weltkrieg, um von pflichtbewussten Nazis zu sprechen. In der Romanze Zwischen uns die Mauer sind es die Genossen der DDR, die das private Glück zerstören. Während diese beiden Themen zum Standardrepertoire unseres Kino gehören, findet sich aber noch ein drittes im dieswöchigen Aufgebot, das bislang kaum beachtet wurde, aber nicht minder typisch deutsch ist: der Schrebergarten.

Das. Geht. So. Nicht.
Kaum etwas hat einen vergleichbar spießigen Ruf wie die kleinen Gärten, in die sich Stadtbewohner am Wochenende oder in den Ferien zurückziehen, um sich mal wieder in der Natur zu fühlen. Einer streng reglementierten Natur, wie wir gleich zu Beginn erfahren dürfen, als Valentin etwas ungläubig die zahlreichen Bestimmungen erklärt bekommt. Denn Ordnung muss sein! Das weiß inzwischen auch Regisseurin und Drehbuchautorin Lara Hewitt. Die Engländerin hatte selbst einige Jahre in Berlin gelebt und hautnah erfahren, dass mit einem solchen Garten nicht zu spaßen ist. Zumindest nicht, wenn es nach den Regelreitern geht, die sich zu den Herrschern ihrer Gemeinschaft aufschwingen. Datsche nimmt diese deutsche Eigenart natürlich aufs Korn. Eine Satire ist das hier jedoch nicht, trotz der diversen Spitzen.

Tatsächlich lässt Hewitt den Blick schon bald schweifen und entdeckt über die gärtnerische Regelwut hinaus jede Menge Themen, welche die Menschen befassen. Die offensichtlichste ist hier das der Flüchtlingskrise, welche in Form von Adam in Valentins Leben tritt. Auf diese Weise muss sich der US-Amerikaner nicht nur mit dem Leid dieser Menschen auseinandersetzen, er bekommt auch gleich mit, mit welcher Feindseligkeit andere den Flüchtlingen begegnen. Als Anschauungsobjekt für diese Ablehnung dient ein Rassist, den Hewitt ebenfalls im Umfeld des Schrebergartens platziert. Ohnehin nutzt die Filmemacherin den Mikrokosmos Datsche, um eine ganze Ansammlung von sehr unterschiedlichen Charakteren ins Spiel zu bringen.

Zusammen in einer eigenen Welt
Die sind teilweise schon ziemlich übertrieben, einiges geht hier maximal als Karikatur noch durch. Das ist manchmal ganz amüsant, provoziert das eine oder andere Schmunzeln. Manchmal ist Datsche in der Hinsicht aber auch eher anstrengend. Vor allem schadet sich der Film mit der Überzeichnung, wenn es später eben nicht nur lustig, sondern auch bewegend sein soll. Hewitt macht aus dem Zufluchtsort am Rande der Gesellschaft einen Ort der Begegnung. Ein Plädoyer für mehr Offenheit und Menschlichkeit schwebt ihr vor, ausgerechnet an einem Platz, an dem man sich von anderen abschottet. Als Idee ist das durchaus reizvoll, originell auch, wenngleich ein bisschen naiv.

Sympathisch ist der Film, der beim Achtung Berlin Festival 2019 lief, also ohne Zweifel. Tatsächlich würde man Datsche gern noch ein bisschen mehr mögen, auch als künstlerisches Werk, nicht nur als Konzept. Die ganz großen Begeisterungsstürme entfacht die Komödie dann doch nicht, sie ist mehr eine leichte Brise, die ein klein wenig den biederdeutschen Mief vertreibt. Als Gegenentwurf zu den schweren Kollegen, die zeitgleich ins Kino kommen, ist das aber sicher nicht verkehrt, als eine Art Kontrastprogramm. Und ein bisschen wehmütig stimmt einen das hier ja auch, wenn man gemeinsam wieder von einer besseren Welt träumen darf, zufällige Begegnungen an einem Gartenzaun der Beginn einer großen Reise sein können.



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„Datsche“ lässt uns einen Sommer in einem Schrebergarten verbringen, wo es mehr Regeln als Pflanzen gibt. Das nimmt deutsche Eigenheiten aufs Korn, ist letztendlich aber vielmehr eine Aufforderung, der Welt da draußen offen zu begegnen. Sympathisch ist die Komödie, auch wenn die überzeichneten Figuren wenig Identifikation zulassen und manches nicht so unterhaltsam ist wie gedacht.
6
von 10