Hotel Mumbai
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Hotel Mumbai
„Hotel Mumbai“ // Deutschland-Start: 25. Oktober 2019 (DVD/Blu-ray)

Als die islamistischen Terroristen in einem groß angelegten Anschlag in ganz Mumbai Jagd auf Menschen machen, dann kennen sie nur ein Ziel: maximales Leid. Einer der Orte, an denen die ein Blutbad vollrichten wollen, ist das vornehme Taj Mahal Palace Hotel. Viele ausländische Gäste sind dort abgestiegen, darunter der Amerikaner David (Armie Hammer) und seine Frau Zahra (Nazanin Boniadi). Aber nicht nur auf die haben es die Terroristen abgesehen. Mehr als 500 Angestellte und Gäste sind zur Zeit des Anschlags in dem Hotel. Und wenn es nach den Fundamentalisten geht, wird kaum einer davon das Gebäude lebend verlassen …

Zumindest gefühlt gibt es derzeit jede Woche irgendwo anders ein großes Massaker. Ob nun die regelmäßigen Schießereien in den USA, der abscheuliche Anschlag in Neuseeland, von den ständigen Tragödien in Syrien ganz zu schweigen – man muss nicht erst lange nach Beispielen dafür suchen, dass die Mordlust der Menschen nicht abzuebben scheint. Mindestens ebenso erschreckend ist aber, wie schnell so ein Zwischenfall wieder in Vergessenheit gerät. Während die direkt davon Betroffenen ein Leben lang gezeichnet sind, wendet sich der Rest der Welt einer neuen Katastrophe zu.

Der freie Umgang mit einer wahren Tragödie
Vielleicht wollte Anthony Maras diesem Vergessen entgegentreten, als er Hotel Mumbai filmte. Den 174 Menschen ein Denkmal setzen, die im November 2008 ihr Leben lassen mussten, als eine Reihe aufeinander abgestimmten Anschläge ein Blutbad in der indischen Metropole hinterließ. Vielleicht wollte er aber auch nur das Publikum unterhalten und nutzte dafür eine reale Tragödie schamlos aus. Denn so ganz hielt sich der Regisseur und Co-Autor bei seinem Spielfilmdebüt nicht an die Vorgabe. Die meisten Figuren sind beispielsweise frei erfunden, lediglich der Koch geht auf ein wirkliches Vorbild zurück.

Das kann man nun fragwürdig finden, vielleicht sogar verwerflich. Hotel Mumbai ist mit seinen offensichtlichen Hollywood-Manipulationen – natürlich muss einer der Protagonisten ein kleines Kind haben, das als Katalysator gebraucht wird – nicht annähernd so schockierend wie etwa das hoch umstrittene Utøya 22. Juli. Dort war der Schrecken so unmittelbar und ungeschönt, dass man kaum einen Weg aus dem norwegischen Massaker fand. Das ist hier dann doch einfacher, die internationale Coproduktion ist recht konventionell von der Umsetzung.

Wer bleibt am Ende übrig?
Aber sie ist auch kompetent. Maras hat zwar nicht die Zeit, die vielen Figuren genauer vorzustellen, die hier durch das Hotel rennen, auf der Suche nach Schutz oder Opfern. Der von Hammer verkörperte Gast steht neben wenigen anderen vielmehr stellvertretend für die Massen. Aber es gelingt ihm doch, recht viel Spannung aus der Geschichte herauszuholen. Anders, als man hier erwarten sollte, steht nicht von Anfang an fest, wer am Ende lebend aus der Sache wieder herausfindet. Hotel Mumbai hat kein Problem damit, kurzen Prozess zu machen, etablierte Charaktere plötzlich wieder verschwinden zu lassen – auf die eine oder andere Weise.

Die anfängliche Befürchtung, der Film würde sich zu sehr auf weißen Stars ausruhen, bewahrheitet sich damit zum Glück nicht. Sehr viel wichtiger für die Geschichte ist ohnehin Dev Patel (Lion – Der lange Weg nach Hause), der hier einen vom Pech verfolgten, gutherzigen Hotel-Angestellten verkörpert. Allgemein ist es schön, dass Hotel Mumbai, das auf dem Toronto International Film Festival 2018 debütierte, eben nicht nur den Gästen aus dem Westen gedenkt, sondern das Personal miteinbezieht. Denn die waren am Ende genauso Opfer. Die Täter bleiben hingegen eher unbenannt. Mit ihnen beginnt der Thriller zwar, sie sind auch immer wieder zu sehen. Die Hintermänner verstecken sich aber hinter Telefonleitungen und geben so nur ihre menschenverachtenden, zynischen Anweisungen. Das ist dann zwar nicht sonderlich differenziert. Andererseits hat Maras eh keinen Film gedreht, der sonderlich zum Nachdenken anregen würde. Hier soll stattdessen ganz klassisch auf Fingernägeln geknabbert werden, vor lauter Anspannung, wer es denn nun aus dem Hotel schafft.



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„Hotel Mumbai“ erzählt die Geschichte der blutigen Anschläge im November 2008, hält sich dabei aber nur wenig an die Fakten. Ein solches Projekt kann man nun aus Prinzip schon kritisieren. Als reiner Film überzeugt der Thriller jedoch, lässt er doch lange offen, wer es aus dem Hotel schafft, das von islamistischen Attentätern überrannt wird.
7
von 10