Crawl
© Paramount Pictures

Crawl

Crawl
„Crawl“ // Deutschland-Start: 22. August 2019 (Kino) // 19. Dezember 2019 (DVD/Blu-ray)

Eigentlich hätte Haley Keller (Kaya Scodelario) längst schon weg sein sollen, denn im Zuge einer Hurricane-Warnung waren die Einwohner von Florida aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. Doch einfach abhauen kommt für Haley nicht in Frage, schließlich ist ihr Vater Dave (Barry Pepper) noch irgendwo. Tatsächlich findet sie ihn auch, schwer verletzt im überfluteten Keller seines Hauses. Allerdings findet sie bald darauf noch etwas anderes: Alligatoren. Wie viele der riesigen Echsen durch die Wassermassen unterwegs sind, kann sie nicht sagen. Eines steht jedoch fest, die Viecher machen auf alles und jeden Jagd, der ihnen zu nahe kommt.

In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Horrorfilmen gegeben, die an den Kinokassen mächtig abgeräumt haben. Die waren natürlich sehr unterschiedlich, sowohl in Hinblick auf Qualität wie auch Inhalt. Eines hatten die meisten aber gemeinsam: Sie verließen sich auf übernatürliche Quellen, um Spannung zu erzeugen. Finstere Dämonen beispielsweise, die von Menschen oder Häusern Besitz ergriffen. Ein schwer zu fassendes Wesen, das sich mit Vorliebe in Clownsgestalt gezeigt. Es dürfen aber auch schon mal verfluchte Gegenstände sein, die auf der Leinwand zahlreiche Opfer einforderten.

Die Welt als Ort des Grauens
Dabei muss man nicht zwangsweise auf solche fantastischen Elemente zurückgreifen, um den Zuschauern und Zuschauerinnen eine Heidenangst einzujagen. Schließlich gibt es auch in unserer realen Welt genug, das diese Aufgabe erfüllen kann. In Crawl sind es gleich zwei Antagonisten, die dem Menschen seine eigenen Grenzen aufzeigen, beide entstammen sie Mutter Natur. Da wären zum einen die kaum zu bändigenden Kräfte des Wetters, wenn ein Hurricane über Florida hinwegfegt und Häuser zerstört, dazu Wassermassen an Land spült, gegen die wir und unsere Technik machtlos sind, selbst im Jahr 2019. Diese Erfahrung allein kann schon furchterregend genug sein, wie The Impossible zeigte, das die Taifun-Katastrophe in Thailand veranschaulichte.

In Crawl ist diese Bedrohung aber nur die Vorbereitung, erzeugt ein bisschen Weltuntergangsstimmung, bevor sie auftauchen: die Alligatoren. Die sind wie eigentlich alle Vertreter der großen schrecklichen Krokodil-Familie ein Stoff wie gemacht für Alpträume. Ein Wesen, das ausschließlich aus Panzer und Zähnen besteht und sich noch dazu gut im Wasser versteckt auf Beutejagd geht? Das braucht es nicht unbedingt in der Nähe. Kein Wunder also, dass es früher immer mal wieder Horrorfilme mit diesen Riesenechsen gegeben hat. Wenn sich der berühmte Genreregisseur Alexandre Aja dieser Viecher annimmt, dann ist das nur mehr als gerecht. Ihren Horror-Kollegen der Haie, die in den letzten Jahren ein kleines Comeback feierten (47 Meters Down, The Shallows – Gefahr aus der Tiefe), stehen sie in punkto Schreckenspotenzial schließlich nicht nach.

Erinnerung an eine schreckliche Vergangenheit
Crawl erinnert dann auch an diese vergangenen Werke, ist ein bewusst altmodischer Vertreter des Horrorgenres. Ein bisschen zu altmodisch vielleicht, zumindest an den Erwartungen gemessen, die man an einen neuen Film von Aja so hat. Er ist auch nicht so wirklich einfalls- oder abwechslungsreich. Ein Großteil der Geschichte spielt innerhalb des Hauses, genauer des Kellers. Der ist zwar groß genug, dass man auch nach anderthalb Stunden keine wirkliche Orientierung findet. Und es hat auch etwas schön Klaustrophobisches, darin eingesperrt zu sein, mit riesigen, zähnefletschenden Monstern, während draußen Wind und Wasser gegen die Fenster peitschen. Es bedeutet aber auch eine ziemliche Einschränkung, was die Handlung angeht.

Haley und ihr Vater werden zwar zwischendrin immer mal wieder die Position wechseln, unter großer Gefahr natürlich. Es ändert nur nicht so wirklich was. Und auch die wiederkehrenden Versuche, die Geschichte in Richtung Familiendrama zu verschieben, bringen nicht wirklich was. Es wirkt eher so, als wollte das Drehbuchduo Michael und Shawn Rasmussen damit nur Zeit schinden, weil ansonsten die neunzig Minuten nicht voll geworden wären. Vielleicht wollten sie damit auch für kleine Ruhepausen sorgen – selbst wenn die entsprechenden Szenen in der Situation etwas deplatziert wirken. Dennoch, Crawl ist weit von dem Trash entfernt, den wir in den letzten Jahren mit Tierhorror assoziieren. Die monströsen Viecher sind gut in Szene gesetzt, auch das Gefühl, vom Rest der Menschheit im Stich gelassen worden zu sein, ist Aja geglückt. Wer mal wieder etwas handfesteren Horror erleben will, sollte dem Film hier daher eine Chance geben, da er nicht nur eine Alternative zu den übernatürlichen Vertretern ist, sondern auch so manchem namhaften Kollegen überlegen.



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„Crawl“ erinnert daran, dass Tier- bzw. Naturhorror auch in Zeiten übernatürlichen Wahns noch immer sehr effektiv sein kann. Wenn eine junge Frau und ihr Vater gegen Hurricanes und Alligatoren kämpfen, ist die Abwechslung sicher nicht sehr hoch, trotz der kleinen Drama-Einlagen. Die Geschichte ist aber effektiv umgesetzt, vermittelt ein schön schauriges Gefühl, wie wir sehr realen Mächten hoffnungslos unterlegen sind.
6
von 10